
Deutsch-Russischer Erfahrungsaustausch über unkonventionelle und erneuerbare Energiequellen, Teil 1
Nach einer Frühstückspause gibt Professor Oleg S. Popel einen Überblick über Forschungsprojekte seines Instituts für Hochtemperaturen (JIHT) der Russischen Akademie der Wissenschaften (RAS) und geht vor allem auf die Nutzung der Solarenergie ein.
Er zeigt am Anfang seines Vortrags die traurigen Fakten. Nichttraditionelle Formen der Energiegewinnung spielen momentan noch keine Rolle: weniger als ein Prozent tragen sie zur Energieerzeugung im Lande bei, wenn man die großen Wasserkraftwerke nicht berücksichtigt. Die Gesetzgebung ist unzufriedenstellend, was die Stimulierung der Implementierung von Technologien zur Gewinnung erneuerbarer Energiequellen (von ihm abgekürzt mit RES) betrifft. Die meisten Entscheidungsträger legen ein betonhartes Selbstvertrauen darin an den Tag, dass die traditionellen organischen Ölreserven nach wievor endlos sind. Das Thema erneuerbare Energien und unkonventionelle Energiegewinnung wird als ein in der Gegenwart nicht aktuelles Thema im Lande von ihnen beseite geschoben. Es gibt weder für ganz Russland noch für seine Regionen Langzeit-Entwicklungsindikatoren für RES. Kleine Demonstrationsobjekte zeigen die Werte und Vorteile der RES. Jedoch gibt es von ihnen nur wenige, denn deren Finanzierung erfolgt inadäquat über Staatsbudgets und die sehen hier kaum Hilfen vor. Das Bewusstsein der russischen Bürger für Umwelt und Natur ist nur schwach ausgeprägt. Seine Aufzählung ist nicht abschließend...
Diesen traurigen Fakten stellte Herr Popel ermutigende Fakten entgegen:
Die Preise und Tarife für Öl und Energie steigen kontinuierlich und schnell an, jährlich zwischen 20 und 30 Prozent.
Die zentralen Stromerzeugungssysteme decken nur etwa ein knappes Drittel des russischen Territoriums ab.
Etwa 20 Millionen Einwohner leben in Gemeinden, die nicht mit dem zentralen elektrischen Strom- und Wärmenetz verbunden sind.
Mehr als die Hälfte aller Regionen in Russland muss Energieressourcen importieren.
Nur etwa die Hälfte aller Siedlungen in Russland werden mit Gas versorgt (in ländlichen 31 %, in städtischen 59 % Gasversorgung).
Im Zeitraum von 2001 bis 2007 kamen an Stromleistungen von großen Stromversorgungsunternehmen nur 9,7 Gigawatt für ganz Russland hinzu. Dagegen stellten in diesem Zeitraum kleine, autarke Stromversorgungseinheiten 13,4 GW mehr zur Versorgung der Bürger und Betriebe bei. Augenscheinlich reagiert hier der Energiemarkt allmählich punktuell auf Tendenzen zur Einsparung von Kosten für Energie.
Die natürlichen Ressourcen von Öl und Gas sind eben nicht unbegrenzt. Da der Energiesektor sehr unbeweglich ist, bedarf es zur Vorbereitung auf eine spätere Verknappung bei konventionellen Energieträgern durch die Übernahme neuer Energiegewinnungstechnologien 20 bis 30 Jahre.
Herr Popel präsentiert den Seminarteilnehmern eine Russlandkarte zur Sonnenscheindauer. Daraus geht hervor, dass es in Russland weite Teile gibt, in denen der Einsatz von Solaranlagen, was die Energieausbeute auf den Quadratmeter betrifft, sehr sinnvoll ist. Da steht man nicht schlechter, häufig sogar besser da als Gegenden in Deutschland, in denen schon viele Solaranlagen betrieben werden. Damit wird die Auffassung, in Russland gebe es für diese Technologie nicht genügend Sonnenschein, widerlegt.
Sodann bespricht Herr Popel die Einsatzfelder der Nutzung von Sonnenenergie. Die Umwandlung in Strom ist heute freilich noch sehr teuer, kann aber in Gegenden ohne Anschluss an ein Stromnetz erwägenswert sein. Die Effizienz der Sonnenkollektoren ist heute so gut wie ausgereizt. Hier geht es in der Forschung und Entwicklung noch darum, die Sonnenkollektormodule leichter zu machen, indem man das Metall der Fassungen und das transparente Glas durch moderne hitze- und UV-beständige Plastik ersetzt. Er nennt solche Kollektoren daher "All-polymer"-Solar-Kollektoren. Damit könnte das Gewicht von 30 Kilogramm pro Quadratmeter auf bis zu sieben bis zehn Kilogramm gesenkt werden. Damit verbunden würde eine Verminderung des Preises für so ein Modul um das 1,5 bis Zweifache erreicht werden. Solche Forschungen dienen auch der Raumfahrt.
Schon heute arbeiten Solaranlagen wirtschaftlich bei der Warmwassergewinnung und im Einsatz im Rahmen von Kühlungssystemen. An der Verbesserung der Energieausbeute solcher Systeme arbeitet sein Institut und forscht an neuen Materialien, "Nano-Materialien": Zwei-Phasen-Systeme, die aus einem porösen Trägermaterial und einer hygroskopischen Substanz (laut einem Schema auf seiner Präsentationsfolie: H2O) besteht, mit der die Poren des Trägermaterials geimpft werden.
Im letzten Teil seines Vortrages stellte er einige Projekte vor, die für eine effiziente Anwendung der RES stehen. Er zeigte einen Windpark in Jejsk am Asowschen Meer mit einer Kapazität von 25 mal 2 MW. Hier hatte man vor dem Beginn des Baus der Windräder die Stärke des Windes mit einer britischen Messeinrichtung in 70 Metern Höhe gemessen. Ein Vertreter des involvierten Investors GRETA Energy Inc. kommt am Nachmittag hierzu noch zu Wort. Ein weiteres Beispiel war die Sicherstellung der Energie für Projekte des Astrophysikalischen Observatoriums im Westkaukasus: ein großes optisches Teleskop mit einer Länge von 6 Metern in einer Höhe von über 2.000 Metern Höhe, ein Radioteleskop mit einem Durchmesser von 600 Metern sowie eine energetisch autonome Wohnsiedlung.
Am Baikalsee soll ein großes touristisches Erholungszentrum mit mehr als 30 Hotels für 3.000 Besucher mit typischen Freizeiteinrichtungen als ein Demonstrationsobjekt entstehen. Alle diese RES sollen hier während der Bauphase von 2007 bis 2011 implementiert werden: Solartechnik, Windkraftanlagen, Wärmepumpen zur Nutzung geothermaler Quellen, Biomasse u.a. Dabei ließen sich Erfahrungen sammeln, die gerade noch rechtzeitig für den Aufbau der Infrastruktur im Hinblick auf die Winterolympiade in Sotschi genutzt werden könnten. Die hierfür erforderlichen theoretischen Grundlagen für Simulationen werden u.a. aus der Satelliten-Klima-Datenbank der NASA (USA) und der Internationalen Klimadatenbank in Kanada entnommen.
Manche der Referenten tourten in dieser Woche noch zu zwei anderen ähnlichen Veranstaltungen. Die Mehrzahl präsentierte ihre Vorträge auf den Folien in englischer Sprache. Dr. Eckehard Holzbecher, ein Spezialist für Tiefengeologie vom Geowissenschaftlichen Zentrum Göttingen (GZG), nannte seinen Vortrag "Hydrogeological Assessment of Deep Geothermal Reservoirs". Er zeigte Möglichkeiten der Nutzung von Erdwärme, einer erneuerbaren und nachhaltigen Energiequelle. Er teilte sie in drei Anwendungsgebiete ein:
-
High Enthalpy Ressources (geothermische, heiße Strömungen, die bis an die Erdoberfläche reichen; Beispiele: Island, Japan),
-
Near-Surface-Geothermics (2004 in Deutschland: 73.000 Anwendungen mit einer Gesamtkapazität von 400 MW),
-
Deep Geothermics (in Deutschland: 30 Anwendungen mit 105 MW).
Für die beiden letzteren Gebiete zeigte er praktische Beispiele aus Deutschland, wie die Wärme aus dem Boden herausgesogen wird. Russland befindet sich auf diesem Gebiet dem Anwendungsumfang nach vor Deutschland, aber auch nicht an der Weltspitze. Anhand von Karten zeigt er, wo in Deutschland solche Energieressourcen genutzt werden können. Vorrangig wird diese Ressource als Wärmequelle genutzt, nur in Neustadt Glewe wird die Tiefenwärme auch zur Umwandlung in Strom genutzt. Je heißer und näher an der Erdoberfläche diese Quellen sind, um so wirtschaftlich interessanter sind sie. Dafür ist freilich erforderlich, viele Bohrungen vorzunehmen. Er zeigt Karten, die die Verteilung der Wärme in verschiedenen Tiefen darstellen. Von russischen Teilnehmern kam später die Frage, wie teuer solche Bohrungen sind. Grob geschätzt bei 10.000 € für 100 Meter.
Herr Holzbecher meldete am Anfang seines Vortrags Interesse an russischen Studenten an. Momentan gibt es keine an seiner Einrichtung. An diese Thematik knüpfte später noch Herr Wolfgang Herr mit seinem Vortrag an.
Professor Dr. Grigori Tomarow, Generaldirektor des Unternehmens JSC "GEOENCOM", knüpfte an die Thematik seines Vorredners an und zeigte ebenfalls Karten, aus denen hervorgeht, wo sein Land über geothermale Ressourcen verfügt. Hier fallen insbesondere der Kaukasus, Kamtschatka und die Kurilen-Inseln, die Westsibirische Tiefebene und die Region südlich des Baikalsees, die an die Mongolei angrenzt sowie weite Gebiete westlich der unteren Lena ins Auge.
Dann zeigt er, welche Tradition die Geothermalforschung in Russland hat. Das weltweit erste Thermalenergiekraftwerk wurde 1967 in Kamtschatka errichtet. Dabei wurde Wasser mit einer Temperatur von 90 °C gefördert. In den Jahren von Glasnost und Perestroika verlor das Land leider den Anschluss an die Weltspitze. Ein Musterobjekt ist in Wershne Mutnowski (Kamtschatka) 1999 mit einer Kapazität von 12,5 MW in Betrieb genommen und in den nächsten Jahren durch ein weiteres mit 2 mal 25 MW nahebei in Mutnowski ergänzt worden. Auch sechs Meter hoher Schnee kann dem Betrieb nichts anhaben.
Er stellt dann ein geothermales Wärme- und Elektrizitätssystem im Kreis Labinsk am nordwestlichen Rande des Kaukasus in Nachbarschaft zur Sotschi-Region und Adygea vor. Hier werden für das Dorf Mostowskoi Löcher mit Tiefen zwischen 1.540 und 1.720 Metern gebohrt. Das Wasser ist als Trinkwasser nutzbar und hat eine Temperatur von 80 °C. Energieausbeute: 20 MW, geschätzte Investitionskosten: 10 Mio USD. Der Kreis Labinsk war zuletzt auch mit einigen landwirtschaftlichen Betrieben auf der Grünen Woche in Berlin vertreten. Im Dorf Rosowy entsteht ein Komplex von mehreren Demonstrationsobjekten erneuerbarer Energien. Beispielsweise werden Gewächshäuser der Krokus OOO mit warmen Wasser aus geothermalen Quellen versorgt, aber auch [...Next]
Vor zwei Wochen hatte ich von dem workshop im Russischen Haus berichtet. Als Teilnehmer daran den ganzen Tag hindurch habe ich (als Laie) einen guten Überblick bekommen, an welchen Stellen in Russland man sich mit erneuerbaren Energien beschäftigt ...