Am Eingang in den Saal, an dem man das Hörset für die Synchronübersetzung ausgehändigt bekam, lagen jeweils die August-Ausgabe des Ost-West Contacters (Directory, Verkaufspreis 25,00 €) sowie ein (nicht ganz frisches) Exemplar der Fachzeitschrift Ost-West Contact und ihr in Russland erscheinendes Pendant, Germany Contact kostenlos zum Mitnehmen aus. Von der schon bereitgestellten flüssigen Muntermachern neben dem Eingang machten die eintrudelnden Gäste gleich gerne Gebrauch.
Kurz nach Neun morgens begrüßte der Direktor des Hauses, Herr M.M. Wladimir, ohne allzuviele Worte die Teilnehmer im großen Hörsaal des Russischen Hauses und eröffnete die Veranstaltung zu diesem nach seinen Worten so wichtigen und aktuellen Thema und wünschte allen interessante Stunden und Erfolg. Um 9.10 Uhr bat er den ersten Referenten an das Pult. Das Programm zum workshop ist unter www.eti-brandenburg.de, dort unter Veranstaltungen, abrufbar. Allerdings hat es ein paar Programmänderungen gegeben.
Dr. Michail Putschkow als Abgesandter vom Russischen Ministerium für Bildung und Wissenschaft und der
Föderalen Agentur der Wissenschaften und Innovationen gab einen
Überblick über die Entwicklung auf dem Gebiet erneuerbarer Energien in Russland und über Möglichkeiten für eine wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern. Er erwähnte, dass es in Russland ein Programm gibt, mit dessen Hilfe der Bau und die Verbreitung von Musteranlagen zur Nutzbarmachung erneuerbarer Energiequellen gefördert wird. Im Verlaufe der Veranstaltung folgten dann einige Vorträge, die sich tiefer mit den hier kurz angerissenen Technologien beschäftigten. Einige der Technologien, mit denen die russischen Spezialisten arbeiten, sind:
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direkte foto-elektrische Umwandlung von Sonnenlicht in elektrische Energie,
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Herstellung von Wärmeenergie und elektrischer Energie über die Nutzung verschiedener Typen von Kollektoren,
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Mini-Wasserkraftwerke für kleine (Berg-)Flüsse,
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Windkraftanlagen,
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Geothermalstationen, die Tiefenwärme in der Erde nutzen,
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Systeme, die Biomasse zur Energiegewinnung verwerten,
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dezentrale, von Energienetzen unabhängige, kleine und mobile Stromgeneratoren, die mit Benzin arbeiten.
Er zeigte kurz einige Beispiele, z.B. das patentierte Solarmodul "Alten-1"mit einer jährlichen Leistung von 1.200 kWh, das schon in Sotschi zum Einsatz kommt (Ich berichtete dazu schon), auch in Deutschland schon zertifiziert worden ist und auf Ausstellungen mit einigen Medaillen ausgezeichnet worden ist. Herr Putschkow wies auf einige Probleme hin und pries auch einige für innovativ gehaltene Produkte an wie z.B.:
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hocheffiziente Systeme zum Auffangen und zur Umwandlung von Sonnenenergie zu Land, zu Wasser und im Weltall,
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energiesparende hocheffiziente hybride Energieanlagen auf der Basis von Hochtemperatur-Kraftstoff-Elementen, die mit natürlichen Gasen arbeiten und zur dezentralen Strom- und Wärmeerzeugung für Verbraucher bestimmt sind mit einer Kapazität von 10 bis 1.000 kWh,
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unabhängige thermoelektrische Quellen zur Erzeugung von Strom mit einer Kapazität von mehr als 500 Watt u.a.
Als vorrangige Aufgaben bei der Förderung der Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet erneuerbarer Energien definierte er:
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die Entwicklung und Verwirklichung nationaler Programme,
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die Entwicklung von Mechanismen der Finanzierung von Projekten (Vorbereitung, Umsetzung und Begleitung),
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staatliche Unterstützung bei der Finanzierung von Forschungsarbeiten und Pilotprojekten,
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Bau von Demonstrationsobjekten, die erneuerbare Energiequellen nutzen.
Anschließend zeigte er einige Möglichkeiten einer Zusammenarbeit auf. Am Ende seines Vortrages wies er auf die russische Fachzeitschrift "Teplo Energetika" hin, die auch in englisch erscheint. Er rief die deutschen Kollegen auf, sich dieser anzunehmen. Er bot an, das man hier deutsche Beiträge in russisch oder/und englisch zur Veröffentlichung einreichen könne, dass man die Zeitschrift an sich auch in einer Zusammenarbeit in deutscher Sprache herausgeben und dann auch in Deutschland veröffentlichen könne oder sogar, noch weiter gehend, dass man eine neue russisch-deutsche Zeitschrift zum Thema zum Leben erwecken könnte.
Gegen halbzehn übernahm Prof. Dr.-Ing. Harald Schwarz, seines Zeichens Direktor des Centrums für Energietechnologie Brandenburg (CEBra) an der TU Cottbus das Wort. Er stellte seine wissenschaftliche Einrichtung vor. Sie koordiniert Forschungsaktivitäten von 15 Professorenstellen an der Universität im Bereich der Energietechnik mit insgesamt etwa 100 Mitarbeitern. Von hier aus wird der Studiengang Master of Science "Power Engineering", also Energietechnik/Energieingenieurwesen, betreut sowie auch ein entsprechender PhD-Studiengang in englischer Sprache. Man ist dabei, ein Netzwerk mit 20 Universitäten in Ländern verschiedener Kontinente aufzubauen. Hier freut man sich über erfolgreiche Kontakte zu China und Indien. Nach Russland hat man gerade erste vorsichtige Versuche unternommen, aber noch nicht die gewünschte Rückmeldung aus Moskau und St. Petersburg erhalten. Für Stipendien werden Kontakte zu international agierenden Partnern in der Industrie gepflegt (Siemens, RWE, E-on, ESKOM). Die Uni hat auch Angebote für russische Studenten.
Da sich die junge Universität schon ganz nahe an einigen Braunkohletagebauen und Braunkohlekraftwerken befindet, überrascht es nicht, dass man sich am CEBra auch mit dieser konventionellen Energiequelle beschäftigt. Einer von drei Schwerpunkten eines sich im Aufbau befindlichen Graduierten-Kollegs beschäftigt sich mit der Entwicklung moderner Kohlekraftwerke mit Kohlendioxid-Abscheidung. Im Übrigen decken sich die Forschungsfelder schon weitgehend mit denen, die der Referent vor ihm nannte. Jetzt geht er im Rahmen der vorgestellten Studie "Netzintegration erneuerbarer Energien im Land Brandenburg" auf die Frage ein, wie dieser Bedarf gedeckt werden soll. Er erläutert, warum für die Planung und Sicherstellung der Energie Jahrzehnte im Voraus gedacht werden muss, also Zeiträume, die weit über den Horizont von Partei-Politikern hinausreichen. Gerade deswegen sehen sich die Energietechnologie-Forscher in der Verantwortung, den Politikern die Gefahren nicht mehr ausreichender Energie in unserem Lande zu erklären und notwendige Hilfen einzufordern.
Ausgehend von Zahlen für das gesamte Bundesgebiet (derzeitiger Verbrauch, Netzhöchstlast: zirka 74.000 MW, Netzschwachlast: zirka 37.000 MW; Relationen der Verteilung verschiedener Energiequellen) kommt er auf das Land Brandenburg zu sprechen und benennt einige Probleme der Energieversorgung. Solche sind:
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Leitungsüberlastungen, vor allem im 110 kV-Bereich,
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großflächiger Abwurf von Erzeugerleistung bei Überspannung durch Kurzschluss,
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mangelnde Speicherkapazitäten zum Auffangen von Energie aus erneuerbaren Energiequellen.
Hier geht er auf Windkraftanlagen näher ein. Während einiger Perioden mit länger anhaltendem starken Wind erzeugten die Windkraftanlagen zusammen mit all den anderen (konventionellen) Energiequellen mehr Strom, als zur gleichen Zeit verbraucht werden konnte. Der Strom musste abgeleitet werden. Man leitete Strom in das polnische Stromnetz ein. Doch dieses drohte infolgedessen zusammenzubrechen. Daher gibt es in Polen politische Bestrebungen, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, das polnische Energienetz gegen das deutsche bei Bedarf abblocken zu können, um es zu schützen.
Mit der Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energiequellen in den nächsten Jahrzehnten werden die Schwankungen bei der Erzeugung zunehmen. Man braucht daher Anlagen, in denen der Energieüberschuss akkumuliert werden kann. Auch müssen erst einmal die Stromleitungen zu den Orten verlegt werden, an denen der Strom - möglichst ohne Belästigung der Bewohner - erzeugt werden soll. Solche Flächen zu finden, wird in Anbetracht des wachsenden Bedarfs nach Nutzung von Windenergie immer schwieriger. Auch muss die Frage nach der Effizienz solcher Anlagen gestellt werden. Für kleine Flächen mit wenigen oder vereinzelten Windrädern lohnen häufig nicht die Aufwendungen für den Bau der Leitungen.
Dr. Wladimir Fateew vom Hydrogenenergie- und Plasma-Institut des Russischen Forschungs-Zentrums des Kurtschatow-Instituts in Moskau berichtet über hydrogene Systeme zur Erzeugung erneuerbarer Energien. Am Institut ist er in der Abteilung Elektrochemie im Labor für schwerpolymere Eletrolyse tätig.
Aktualisierung 06.12.2014: Die Website hepti.kiae.ru/strivept.htm ist offline.
Die Forschung an erneuerbarer Energie hat es noch schwer, seine Daseins-Berechtigung zu rechtfertigen in Anbetracht der reichen Erdöl- und Erdgasvorkommen in Russland und der Tatsache, dass aus erneuerbaren Energiequellen gewonnener Strom, gewonnene Wärme viel teurer ist. Er erklärt, dass es deshalb dringend notwendig ist, Demonstrationsobjekte aufzubauen, um Skeptikern die Funktionsweise und den Sinn von Anlagen zur Nutzung von Sonne, Wind und Biomasse vor Augen zu führen. Sotschi ist hierfür besonders prädestiniert. Bis zur Ausrichtung der Olympischen Winterspiele im Jahre 2014 muss die Infrastruktur hier in wenigen Jahren stark ausgebaut werden. Damit parallel einhergehen muss eine erhebliche Ausdehnung der Energieressourcen, die dieseInfrastruktur sichern. Dazu müssen die verschiedene Quellen genutzt werden. Wegen der dadurch aufgebauten Abhängigkeit von natürlichen Schwankungen bei der Aufnahme von Energie durch Sonne, Wind und Wasserkraft müssen Lösungen zum Speichern und Umwandeln der aufgefangenen Energie gefunden werden. Herr Fateew spricht die verschiedenen Möglichkeiten an und wägt Vorteile gegen Nachteile, Kosten und Zeit für eine Realisierbarkeit ab. Er geht dabei auch auf Wasserstofftechnologien und die Wasserstoffenergiewirtschaft ein.
Nach einer Frühstückspause gibt Professor Oleg S. Popel einen Überblick über Forschungsprojekte seines Instituts für Hochtemperaturen (JIHT) der Russischen Akademie der Wissenschaften (RAS) und geht vor allem auf die Nutzung der Solarenergie ein.
Er zeigt am Anfang seines Vortrags die traurigen Fakten. Nichttraditionelle Formen der Energiegewinnung spielen momentan noch keine Rolle: weniger als ein Prozent tragen sie zur Energieerzeugung im Lande bei, wenn man die großen Wasserkraftwerke nicht berücksichtigt. Die Gesetzgebung ist unzufriedenstellend, was die Stimulierung der Implementierung von Technologien zur Gewinnung erneuerbarer Energiequellen (von ihm abgekürzt mit RES) betrifft. Die meisten Entscheidungsträger legen ein betonhartes Selbstvertrauen darin an den Tag, dass die traditionellen organischen Ölreserven nach wievor endlos sind. Das Thema erneuerbare Energien und unkonventionelle Energiegewinnung wird als ein in der Gegenwart nicht aktuelles Thema im Lande von ihnen beseite geschoben. Es gibt weder für ganz Russland noch für seine Regionen Langzeit-Entwicklungsindikatoren für RES. Kleine Demonstrationsobjekte zeigen die Werte und Vorteile der RES. Jedoch gibt es von ihnen nur wenige, denn deren Finanzierung erfolgt inadäquat über Staatsbudgets und die sehen hier kaum Hilfen vor. Das Bewusstsein der russischen Bürger für Umwelt und Natur ist nur schwach ausgeprägt. Seine Aufzählung ist nicht abschließend...
Diesen traurigen Fakten stellte Herr Popel ermutigende Fakten entgegen:
Die Preise und Tarife für Öl und Energie steigen kontinuierlich und schnell an, jährlich zwischen 20 und 30 Prozent.
Die zentralen Stromerzeugungssysteme decken nur etwa ein knappes Drittel des russischen Territoriums ab.
Etwa 20 Millionen Einwohner leben in Gemeinden, die nicht mit dem zentralen elektrischen Strom- und Wärmenetz verbunden sind.
Mehr als die Hälfte aller Regionen in Russland muss Energieressourcen importieren.
Nur etwa die Hälfte aller Siedlungen in Russland werden mit Gas versorgt (in ländlichen 31 %, in städtischen 59 % Gasversorgung).
Im Zeitraum von 2001 bis 2007 kamen an Stromleistungen von großen Stromversorgungsunternehmen nur 9,7 Gigawatt für ganz Russland hinzu. Dagegen stellten in diesem Zeitraum kleine, autarke Stromversorgungseinheiten 13,4 GW mehr zur Versorgung der Bürger und Betriebe bei. Augenscheinlich reagiert hier der Energiemarkt allmählich punktuell auf Tendenzen zur Einsparung von Kosten für Energie.
Die natürlichen Ressourcen von Öl und Gas sind eben nicht unbegrenzt. Da der Energiesektor sehr unbeweglich ist, bedarf es zur Vorbereitung auf eine spätere Verknappung bei konventionellen Energieträgern durch die Übernahme neuer Energiegewinnungstechnologien 20 bis 30 Jahre.
Herr Popel präsentiert den Seminarteilnehmern eine Russlandkarte zur Sonnenscheindauer. Daraus geht hervor, dass es in Russland weite Teile gibt, in denen der Einsatz von Solaranlagen, was die Energieausbeute auf den Quadratmeter betrifft, sehr sinnvoll ist. Da steht man nicht schlechter, häufig sogar besser da als Gegenden in Deutschland, in denen schon viele Solaranlagen betrieben werden. Damit wird die Auffassung, in Russland gebe es für diese Technologie nicht genügend Sonnenschein, widerlegt.
Sodann bespricht Herr Popel die Einsatzfelder der Nutzung von Sonnenenergie. Die Umwandlung in Strom ist heute freilich noch sehr teuer, kann aber in Gegenden ohne Anschluss an ein Stromnetz erwägenswert sein. Die Effizienz der Sonnenkollektoren ist heute so gut wie ausgereizt. Hier geht es in der Forschung und Entwicklung noch darum, die Sonnenkollektormodule leichter zu machen, indem man das Metall der Fassungen und das transparente Glas durch moderne hitze- und UV-beständige Plastik ersetzt. Er nennt solche Kollektoren daher "All-polymer"-Solar-Kollektoren. Damit könnte das Gewicht von 30 Kilogramm pro Quadratmeter auf bis zu sieben bis zehn Kilogramm gesenkt werden. Damit verbunden würde eine Verminderung des Preises für so ein Modul um das 1,5 bis Zweifache erreicht werden. Solche Forschungen dienen auch der Raumfahrt.
Schon heute arbeiten Solaranlagen wirtschaftlich bei der Warmwassergewinnung und im Einsatz im Rahmen von Kühlungssystemen. An der Verbesserung der Energieausbeute solcher Systeme arbeitet sein Institut und forscht an neuen Materialien, "Nano-Materialien": Zwei-Phasen-Systeme, die aus einem porösen Trägermaterial und einer hygroskopischen Substanz (laut einem Schema auf seiner Präsentationsfolie: H2O) besteht, mit der die Poren des Trägermaterials geimpft werden.
Im letzten Teil seines Vortrages stellte er einige Projekte vor, die für eine effiziente Anwendung der RES stehen. Er zeigte einen Windpark in Jejsk am Asowschen Meer mit einer Kapazität von 25 mal 2 MW. Hier hatte man vor dem Beginn des Baus der Windräder die Stärke des Windes mit einer britischen Messeinrichtung in 70 Metern Höhe gemessen. Ein Vertreter des involvierten Investors GRETA Energy Inc. kommt am Nachmittag hierzu noch zu Wort. Ein weiteres Beispiel war die Sicherstellung der Energie für Projekte des Astrophysikalischen Observatoriums im Westkaukasus: ein großes optisches Teleskop mit einer Länge von 6 Metern in einer Höhe von über 2.000 Metern Höhe, ein Radioteleskop mit einem Durchmesser von 600 Metern sowie eine energetisch autonome Wohnsiedlung.
Am Baikalsee soll ein großes touristisches Erholungszentrum mit mehr als 30 Hotels für 3.000 Besucher mit typischen Freizeiteinrichtungen als ein Demonstrationsobjekt entstehen. Alle diese RES sollen hier während der Bauphase von 2007 bis 2011 implementiert werden: Solartechnik, Windkraftanlagen, Wärmepumpen zur Nutzung geothermaler Quellen, Biomasse u.a. Dabei ließen sich Erfahrungen sammeln, die gerade noch rechtzeitig für den Aufbau der Infrastruktur im Hinblick auf die Winterolympiade in Sotschi genutzt werden könnten. Die hierfür erforderlichen theoretischen Grundlagen für Simulationen werden u.a. aus der Satelliten-Klima-Datenbank der NASA (USA) und der Internationalen Klimadatenbank in Kanada entnommen.
Manche der Referenten tourten in dieser Woche noch zu zwei anderen ähnlichen Veranstaltungen. Die Mehrzahl präsentierte ihre Vorträge auf den Folien in englischer Sprache. Dr. Eckehard Holzbecher, ein Spezialist für Tiefengeologie vom Geowissenschaftlichen Zentrum Göttingen (GZG), nannte seinen Vortrag "Hydrogeological Assessment of Deep Geothermal Reservoirs". Er zeigte Möglichkeiten der Nutzung von Erdwärme, einer erneuerbaren und nachhaltigen Energiequelle. Er teilte sie in drei Anwendungsgebiete ein:
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High Enthalpy Ressources (geothermische, heiße Strömungen, die bis an die Erdoberfläche reichen; Beispiele: Island, Japan),
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Near-Surface-Geothermics (2004 in Deutschland: 73.000 Anwendungen mit einer Gesamtkapazität von 400 MW),
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Deep Geothermics (in Deutschland: 30 Anwendungen mit 105 MW).
Für die beiden letzteren Gebiete zeigte er praktische Beispiele aus Deutschland, wie die Wärme aus dem Boden herausgesogen wird. Russland befindet sich auf diesem Gebiet dem Anwendungsumfang nach vor Deutschland, aber auch nicht an der Weltspitze. Anhand von Karten zeigt er, wo in Deutschland solche Energieressourcen genutzt werden können. Vorrangig wird diese Ressource als Wärmequelle genutzt, nur in Neustadt Glewe wird die Tiefenwärme auch zur Umwandlung in Strom genutzt. Je heißer und näher an der Erdoberfläche diese Quellen sind, um so wirtschaftlich interessanter sind sie. Dafür ist freilich erforderlich, viele Bohrungen vorzunehmen. Er zeigt Karten, die die Verteilung der Wärme in verschiedenen Tiefen darstellen. Von russischen Teilnehmern kam später die Frage, wie teuer solche Bohrungen sind. Grob geschätzt bei 10.000 € für 100 Meter.
Herr Holzbecher meldete am Anfang seines Vortrags Interesse an russischen Studenten an. Momentan gibt es keine an seiner Einrichtung. An diese Thematik knüpfte später noch Herr Wolfgang Herr mit seinem Vortrag an.
Professor Dr. Grigori Tomarow, Generaldirektor des Unternehmens JSC "GEOENCOM", knüpfte an die Thematik seines Vorredners an und zeigte ebenfalls Karten, aus denen hervorgeht, wo sein Land über geothermale Ressourcen verfügt. Hier fallen insbesondere der Kaukasus, Kamtschatka und die Kurilen-Inseln, die Westsibirische Tiefebene und die Region südlich des Baikalsees, die an die Mongolei angrenzt sowie weite Gebiete westlich der unteren Lena ins Auge.
Dann zeigt er, welche Tradition die Geothermalforschung in Russland hat. Das weltweit erste Thermalenergiekraftwerk wurde 1967 in Kamtschatka errichtet. Dabei wurde Wasser mit einer Temperatur von 90 °C gefördert. In den Jahren von Glasnost und Perestroika verlor das Land leider den Anschluss an die Weltspitze. Ein Musterobjekt ist in Wershne Mutnowski (Kamtschatka) 1999 mit einer Kapazität von 12,5 MW in Betrieb genommen und in den nächsten Jahren durch ein weiteres mit 2 mal 25 MW nahebei in Mutnowski ergänzt worden. Auch sechs Meter hoher Schnee kann dem Betrieb nichts anhaben.
Er stellt dann ein geothermales Wärme- und Elektrizitätssystem im Kreis Labinsk am nordwestlichen Rande des Kaukasus in Nachbarschaft zur Sotschi-Region und Adygea vor. Hier werden für das Dorf Mostowskoi Löcher mit Tiefen zwischen 1.540 und 1.720 Metern gebohrt. Das Wasser ist als Trinkwasser nutzbar und hat eine Temperatur von 80 °C. Energieausbeute: 20 MW, geschätzte Investitionskosten: 10 Mio USD. Der Kreis Labinsk war zuletzt auch mit einigen landwirtschaftlichen Betrieben auf der Grünen Woche in Berlin vertreten. Im Dorf Rosowy entsteht ein Komplex von mehreren Demonstrationsobjekten erneuerbarer Energien. Beispielsweise werden Gewächshäuser der Krokus OOO mit warmen Wasser aus geothermalen Quellen versorgt, aber auchein Freibad. Auf Wohnhäusern werden Solaranlagen zur Warmwasserversorgung installiert. Die Krasnodarer Region ist ein Schwerpunktgebiet für geothermale Energieprojekte, aber auch für Solarenergie. Die Region kann sich bisher nicht ausreichend selbst mit Energie versorgen. Allein daran zeigt sich aber auch, dass ein Bedarf an alternativen Energiequellen hier tatsächlich besteht. Anhand einer Tabelle zeigte er eine Vorschau auf geothermale Elektro- und Wärmeerzeugungsanlagen in Russland, die bis 2020 entstehen könnten, mit darunter Kamtschatka und Sachalin im fernen Osten, Krasnodar Kraj, die Stawropoler Region, Dagestan und Tschetschenien in Südrussland.
Im Unterschied zu Sibirien ist der Krasnodarer Bezirk aus Zentralrussland, aus Mitteleuropa, leichter erreichbar. Man ist hier bei der Suche nach Investoren aus Westeuropa sehr engagiert. Das bezieht sich auch auf die politische und administrative Führung der Region. Und damit ist sie im russischen Maßstab Vorreiter. Vertreter des Krasnodar Kraj sind in letzter Zeit häufig in Deutschland auf Roadshows unterwegs. Erst am Ende seines Vortrages kommt er auf das Geschäft seiner Firma Geoencom zu sprechen. Ihre Aufgabe ist eben die Entwicklung und Anpassung geothermaler Technologien in Russland und im Ausland. Das wurde weiter konkretisiert.
Inzwischen war es kurz vor Zwölf; doch bevor die Teilnehmer zum Mittag eingeladen wurden, hörten sie sich noch den Vortrag von Frau Dr. Ulrike Willer vom Laserforschungsanwendungszentrum in Clausthal an.
Aber dies berichte ich in einem zweiten Teil.
Kommentar zum vorstehenden Bericht
Am Ende dieses ersten Teiles meines Berichts möchte ich mir einen kurzen Kommentar erlauben:
Schon in den letzten Jahren ist zu hören, dass sich Russland nicht genug um die Erschließung neuer Erdöl- und Erdgasfelder kümmerte. Ehe neue Ressourcen gefunden und erschlossen, ihre Ausbeutung möglich wird, könnte schon längst auch Russland von einer Knappheit betroffen sein, geht man davon aus, dass es seine Lieferverträge mit westlichen Handelspartnern einhält. Genau gesehen ist es heute schon der Fall. Denn viele Gebiete in Russland bekommen kein Erdöl, wobei das nicht allein auf fehlende Trassen zurückzuführen ist. Das Öl und Gas, welches im Lande fehlt, wird gegen Devisen ins Ausland verkauft. Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung Russlands profitiert von dem Öl- und Gasreichtum. Wird Russland seine Exporte erst dann stark reduzieren, wenn sich die Knappheit verstärkt auch auf die Strom- und Wärmeversorgung in den Großstädten auswirkt, also auf die einflussreichere wachsende Mittelschicht? Russland hat sich gegenüber seinen europäischen Abnahmeländern langfristig verpflichtet. Infolge des Durchsetzens höherer Lieferpreise für die Ukraine und Weißrussland vor nicht langer Zeit sind Zweifel an der Zuverlässigkeit Russlands aufgekommen. Putin hatte einen hohen Aufwand, solche Zweifel zu zerstreuen, zumal solche Zweifel auf die politische Zusammenarbeit mit den westeuropäischen Ländern und auf andere Wirtschaftsgebiete ausstrahlten.
Momentan wird vom finnischen Meerbusen aus in der Ostsee eine neue Trasse nach Deutschland verlegt. Die Fertigstellung wird Jahre in Anspruch nehmen. Wenn Russlands Führung sich nicht bald zu einer ernsthaften Förderung alternativer Energien im Lande entscheidet, dann werden die irgendwann versiegenden Quellen, die nicht beizeiten durch neue ersetzt werden können, erhebliche Auswirkungen auf die Energieversorgung Deutschlands haben. Könnten dann auch die Kalkulationen der Kosten für den Bau der Ostsee-Pipeline und die Relation zu ihrer Nutzung über den Haufen geworfen werden?
Veranstaltungshinweis
Noch eine ganz ähnliche Veranstaltung findet in Berlin demnächst statt:
Beim workshop "Anwendung Energie-sparender Technologien in der Republik Tatarstan" am 11.12.2008 wird eine hochrangige Expertendelegation unter der Leitung des stellvertretenden Ministers für Industrie und Handel der Republik Tatarstan über aktuelle Projekte und Möglichkeiten der Zusammenarbeit berichten.
Veranstaltungsort ist dieses Mal das Einstein-Kabinett im Konferenzzentrums des Technologieparks WISTA Berlin-Adlershof, Rudower Chaussee 17, 12489 Berlin, Ausrichter der Veranstaltung ist Brücke Osteuropa. Die Teilnahme kostet 25 €, darin ist eine Beköstigung enthalten. Anmeldeschluss ist der 30.11.2008
Links:
Föderale Agentur der Wissenschaften und Innovationen
http://www.fasi.gov.ru/
CeBra
www.tu-cottbus.de/cebra/
Kurtschatow-Institut, Moskau
Institut für Hochtemperaturen der Russ. Akademie der Wissenschaften
http://www.oivtran.ru/
Geowissenschaftliches Zentrum der Universität Göttingen
http://www.gzg.uni-goettingen.de/
Intersolar Center, Russlands Zentrum für erneuerbare Energien (auch englisch)
http://www.intersolar.ru/en/moscow/russia/home.html
Ost im Puls Reportage
https://www.ost-impuls.de/archives/85-Professor-Sadilows-Traum-von-einem-neuen-russischen-Energiemarkt.html
Vor zwei Wochen hatte ich von dem workshop im Russischen Haus berichtet. Als Teilnehmer daran den ganzen Tag hindurch habe ich (als Laie) einen guten Überblick bekommen, an welchen Stellen in Russland man sich mit erneuerbaren Energien beschäftigt ...