
Als Individualtourist mit Pkw oder Kleinbus nach Russland fahren - So geht´s
Die Formulare der Zollerklärung gibt es seit etwa 2007 nur noch in russischer Sprache. Als Individualreisender sollten Sie sich schon ein Muster aus dem Internet mitnehmen, das Ihnen zeigt, wie das auszufüllen ist, wenn Sie nicht russisch beherrschen.]
Mit korrupten Zollbeamten ist zu rechnen. Es kommt durch sie häufig zu Nötigungshandlungen, wenn nicht gar zu Erpressungen. Z.B. werden Sie vor die Wahl gestellt: zahlen oder warten. Das erlebte ich selbst an der polnisch-ukrainischen Grenze auf meiner Busreise im Frühjahr 2008. Die Zollbeamten lassen Sie links stehen. Sie kommen sich vor wie auf dem Abstellgleis.
Im Augustheft 2009 der ADAC-Motorwelt las ich von korrupten bulgarischen Zollbeamten. Bei deren Masche liegt tateinheitlich auch noch Betrug vor. Sie verlangen von Touristen ein Gesundheitsattest, welches nachweist, dass keine Infektion mit der Schweinegrippe vorliegt. Ansonsten droht ein Bußgeld. Und man drängt die Reisenden vielleicht gar zur Zwangsimpfung. Solche Regelung existiert aber tatsächlich nicht, ließ sich die ADAC Motorwelt von bulgarischen Behörden mitteilen. Auf der Website der bulgarischen Botschaft www.mfa.bg/berlin gibt es eine Bescheinigung zur "gesundheitszeugnisfreien Einreise nach Bulgarien" für Reisende.
"Die Welt" nennt in der "Reisewelt" vom 07.08.2011 noch ein bulgarisches Problem: Türkei- oder Griechenlandurlauber würden vor allem beim Transit durch Bulgarien Opfer von korrupten oder falschen Beamten, die bei vermeintlichen Verkehrsverstößen an das Bargeld der Urlauber ranwollen. Es wird geraten, sich von ihnen den Ausweis zeigen zu lassen, sich nach deren Namen und Vorgesetzten zu erkundigen. Und später könne man sich an das bulgarische Innenministerium wenden auf der Website www.mvr.bg/en. Es gibt, das habe ich bereits im Artikel über die Anreisewege nach Südrussland geschrieben, seit März 2009 eine Fähre zwischen Bulgarien und Südrussland, nämlich zwischen Warna und Kawkas. Dafür hatte sich Putin persönlich bei einem Bulgarienbesuch 2008 eingesetzt.
Dass bei der Durchreise durch die Ukraine kein Nachweis des Abschlusses einer ukrainischen Krankenversicherung abzuschließen ist, habe ich bereits in diesem Blog beschrieben, dabei aber meine Zweifel geäußert, ob das auch die ukrainischen Zollbeamten immer interessiert.
Eine andere Masche der bulgarischen Zollbeamten ist die Abzocke mit Autobahnvignetten. Die behaupten, die 7-Tages-Vignetten seien ausverkauft und nötigen zum Kauf teurer Monats- oder Jahres-Vignetten. Doch hier wird frech gelogen. Es sind ausreichend Vignetten an allen Grenzübergangsstellen vorhanden.
Seien Sie auf weitere Abzocke-Maschen gefasst!
Wenn Sie durch Belarus (=Weißrussland) fahren, dann können Sie sich auf der Website des Brester Zollamts vorinformieren, vorausgesetzt, Sie verstehen russisch. Es gibt Bilder von belarussischen Grenzübergängen und es werden Fälle von Verstößen gegen das belarussische Zollrecht berichtet.
Feste Polizeikontrollstellen
Außerdem müssen Sie damit rechnen, dass Sie an Polizeikontrollen auf manchen Straßen in Russland von einem Polizisten an der Schranke zur Seite gebeten werden und dass man nach Fehlern sucht, um Ihnen Strafgebühren aufzudrücken.
Beispiel: Sie haben keinen Feuerlöscher dabei oder keine Ersatzglühlampen. Polizisten haben (offiziell) einen schlechten Verdienst. Sie sprechen meistens auch keine Fremdsprache. Zu unterscheiden sind die echten Polizeibeamten (statnye), die nicht ständigen, also angestellten Polizisten (wnestatnyje) und Helfer mit roter Armbinde (Pomojniki). Letztere dürfen von Ihnen keine Papiere verlangen.
Die fest installierten Kontrollstellen erkennt man an den Buchstaben DPS (dorojno-patrulnaja slujba = Straßenpatrouille-Dienst).
Sie sollten wissen, wo sich auf Ihren Strecken solche fest installierten Polizeikontrollen befinden. Vielleicht können Sie sie dann bewusst umfahren. Auf meine Bitte hat mein Freund in Moskau, der Jurist ist, jedoch keine Website gefunden, auf der diese Polizeikontrollstellen eingetragen sind. Wenn Sie nach St. Petersburg reinfahren, kommen Sie mit ziemlicher Gewissheit an eine solche. Auch auf dem Wege von Krasnodar nach Sotschi kommen Sie an eine in Djubga bei Tuapse. Kurz vor Sotschi befindet sich eine am Pass von Dagomys und am nordwestlichen Ende der Donskaja Uliza, dort, wo die neue Umgehungsschnellstraße nach Adler beginnt. Besser, wenn ein Einheimischer/eine Einheimische mitfährt. Aber man wird nicht immer von den Polizisten angehalten.
Organisierte Kriminalität unter Uniformierten
Wenn Sie auch hier ein praktisches Beispiel brauchen - bitte sehr: Die russische Informations- und Nachrichtenagentur RIA Nowosti berichtete am 8.2.2010 (vorgestern) von der Festnahme von 19 Beamten der Verkehrspolizei (GIBDD), die an solchen Polizeiposten arbeiteten. Sie waren auf frischer Tat gestellt worden. Diese Erpressung von Schmiergeldern hat System. Das ist organisierte Kriminalität. In dem berichteten Fall floss ein Teil des jeweils erbeuteten Geldes der Polizisten ihrem Kommandeur zu, der so auf ein extra (illegales) Einkommen von monatlich umgerechnet 3.600 € kam. In dem RIAN-Artikel wird der Radiomoderator und Autoexperte Juri Gejko zitiert mit den Worten, die gesamte Verkehrspolizei sei "so durchfault, dass fast alle sich gern bestechen lassen."
Sie sehen, in diesem Punkt gibt es kaum einen Unterschied zwischen Zoll und Verkehrspolizei. Aber auch die Bahnpolizei ist nicht besser oder die an Flughäfen. Mit denen durfte ich selbst Bekanntschaft machen, erst am Flughafen in Mineralnye Wody, dann im Zug von Mineralnye Wody nach Samara, innerhalb von 24 Stunden gleich zweimal. Beide Abzocke-Versuche konnte ich abwehren.
Weil Frauen als weniger korruptionsanfällig gelten, sollten (ab 2006) in Russland mehr und mehr Frauen als Verkehrspolizistinnen eingesetzt werden, berichtete die Berliner Morgenpost am 1.9.2006 auf Seite 12. Für den Verkehr in Wolgograd sollte dazu eine vom Innenministerium genehmigte Einheit von Polizistinnen aufgestellt werden.
Noch ein Tipp: Wenn Sie verdächtigen oder kriminellen Polizisten begegnet sind und weiterfahren: Überlegen Sie sich, ob sie nicht von der eigentlich beabsichtigten Route abweichen, um nicht bald schon wieder den nächsten Kriminellen in Uniform in die Arme zu laufen; die könnten von ihren Kollegen ja schon über Sie informiert worden sein. Besser noch, Sie legen bei der Nachfrage nach ihrem weiteren Weg eine falsche Fährte aus, um nicht von der geplanten Route abweichen zu müssen.
Bußgelder und Selbstverteidigung
Noch besser können Sie sich auf die nicht vermeidbare Begegnung mit der Verkehrspolizei vorbereiten, wenn Sie sich den Katalog für Strafen (vergleichbar mit dem deutschen Bußgeldkatalog) beschaffen. Diesen findet man in manchen Straßenatlanten, z.B. Atlanten der Serie "Sputnik Karty" vorn auf der inneren Umschlagseite. Stellen Sie sich vor, der Polizist behauptet eine Übertretung und verlangt eine Summe und Sie zücken den Strafenkatalog und zeigen ihm, dass sie die behauptete Übertretung nicht begangen haben oder die Strafe verglichen mit dem Katalog zu hoch ist. Der wird über so einen gut informierten Ausländer überrascht sein. Ihre Begleitung macht sich noch (sichtbar für den Polizisten) Notizen und sie erwähnen was von ihrem Freund in der nächsten Stadt, der dort als Anwalt arbeitet ...
Aber es geht noch mehr: Sie dürfen den Polizisten sogar filmen oder das Gespräch mit einem Diktiergerät oder Ihrem Smartphone aufzeichnen.
Ein Polizist ist bei seiner Kontrolle übrigens verpflichtet, seinen Namen anzugeben und seine Polizeidienststelle. Beides sollten Sie bei Problemen notieren. Er kann sich Ihren Reisepass zeigen lassen, darf ihn aber nicht einbehalten, denn dieser ist Eigentum der Bundesrepublik Deutschland (wenn Sie Deutsche(r) sind). Ihr Führerschein kann bei einem Verstoß gegen die Verkehrsregeln aber schon beschlagnahmt werden. Lassen Sie sich auch erklären, was der Polizist eigentlich will (Kennzeichen wegen Schmutz nicht lesbar? Licht funktioniert nicht? Schlängellinien gefahren?). Die russische Polizei darf seit 2009 auch getarnt oder versteckt Autos blitzen.
Ich habe einen Strafenkatalog auf der Seite der Tatarischen Regierung gefunden, aber in russisch [Update 27.04.2015: Link dorthin ist tot, daher entfernt]. Die Datei können Sie herunterladen und übersetzen (lassen). Mein russischer Freund meint dazu, diese Datei bezieht sich auf ganz Russland, sei aber alt - also vermutlich nicht mehr aktuell. Man könnte noch nach einer mit Sicherheit aktuellen Datei suchen. Den Strafenkatalog findet man auch in Autoatlanten. Man sollte sich einen kaufen, wenn man durch Russland fährt.
In der Russischen Föderation gibt es ein Gesetzbuch über die so genannten administrativen Verstöße. Für die Verkehrsverstöße gilt Abschnitt 12. Dort sind die Geldstrafen für Verkehrsübertretungen aufgeführt, schreibt mein Freund.
Mal ein Beispiel:
Keine Pflicht gäbe es in Russland, im Winter mit Winterreifen zu fahren, wie das in vielen europäischen Ländern der Fall ist (aber nicht in Deutschland, siehe Artikel "Gut gerüstet" in der Wirtschaftszeitschrift Berlin Maximal 10/2010 von Ingo von Dahlern zur Frage der geeigneten Reifen. [Nachtrag 8.12.2010: Seit einigen Tagen ist ein Gesetz in Deutschland in Kraft, nach dem jetzt auch hier Winterreifen oder Ganzjahresreifen zu benutzen sind.]).
Es gibt auch nicht [...Next]
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