
Fahren mit der russischen Bahn
Regionalbahnhöfe
Für Regionalzüge gibt es an manchen Bahnhöfen auch Automaten, wie in Deutschland.

Um zu diesen Zügen am Bahnhof zu kommen, muss man durch ähnliche Sperren, wie es sie im Nahverkehr auch in Bussen gibt und in der Metro. Aber auch beim Aussteigen und Verlassen des Bahnhofs muss man wieder die Sperren passieren, wozu man seine Fahrkarten braucht. Also die Karten mindestens so lange aufbewahren, bis man den Bahnhof verlässt!
Zur leichteren Orientierung rate ich dazu, sich das Schema des Bahn-Nahverkehrsnetzes abzufotografieren. Über entsprechende Tafeln verfügt eigentlich jeder Bahnhof. Heutzutage sind die Fotografierverbote nicht mehr so streng. Man darf generell auch auf Bahnhöfen fotografieren.
Fernbahnhöfe
Fernbahnhöfe sind Bahnhöfe in großen Städten. Daher sollte man als Passagier hier mehr Service erwarten dürfen, zumal die Passagiere länger unterwegs zu ihrem Ziel sind. Leider wurden meine Erwartungen schon mehrfach enttäuscht. Z.B. was das Angebot an Sitzgelegenheiten betrifft. Die waren in Kasan z.B. viel zu rar. Stattdessen sind die Wartesäle zu VIP-Sälen umfunktioniert worden, so dass man für selbstverständliche Dienstleistungen zu bezahlen hat. Die Bahnhofshallen sind auch nicht selten zu klein für den Andrang der vielen Reisenden, die Schutz unterm Dach suchen. Das trifft auf den Fernbahnhof in Kasan zu, aber auch auf den Bahnhof in Woronesch.
Als Ausländer wünscht man sich Informationen auch in englischer Sprache, z.B. die Fahrpläne oder Informationen über die Services auf dem Bahnhof, über die Gepäckaufbewahrung.
Ergänzung 10.04.2013: Seit 1. April 2013 gibt es an 32 großen Bahnhöfen Personen- und Gepäckkontrollen, wie man sie von Flughäfen gewohnt ist. Damit sollen offiziell terroristische Anschläge verhindert werden. Nicht jeder soll kontrolliert werden. Es sollen nur Stichproben gemacht werden, um die Infrastruktur im Bahnhof nicht zu überlasten. Aufgrund dessen sollte man genug Zeit einplanen. Wieviel Zeit, ob anderthalbstunden, lässt sich nicht sagen, da Erfahrungen fehlen.

Gepäck auf Bahnfahrten
Diese Vorschriften gelten für Nahverkehrszüge und Fernzüge.
Jeder Fahrgast darf ein großes Gepäckstück mit einem Gewicht bis zu 36 Kilogramm mitnehmen, ohne dafür extra bezahlen zu müssen, wenn er in einem Abteil für 4 Personen reist (Kupe). Sein Gepäck darf 50 Kilogramm wiegen, wenn er in einem Abteil für 2 Personen reist (1. Klasse). Der Umfang des Gepäckstückes soll 180 Zentimeter nicht überschreiten. Das Gepäck ist an den dafür vorgesehenen Plätzen während der Fahrt zu lagern. Also im Kupe unter der unteren Pritsche oder im Gepäckfach über der Tür.
Daneben darf als Handgepäck noch eine Aktentasche, Fototasche, ein kleiner Rucksack oder Einkaufsbeutel mitgenommen werden und Gegenstände wie Kamera, Fernglas und ähnliches. Der Umfang dieser Sachen soll 100 Zentimeter nicht überschreiten.
Sperrige, große Gegenstände
Bestimmte große Gegenstände dürfen mitgenommen werden, wenn sie ordnungsgemäß verpackt sind und an den für sie vorgesehenen Plätzen untergebracht werden können. Sie dürfen nicht den Wagon oder Gegenstände anderer Mitreisender beschädigen oder verschmutzen, dürfen nicht stinken oder feuergefährlich, explosiv oder giftig sein
Beispiele: Kinderwagen, Fahrrad, Paddelboot, Ski
Für das Fahrrad bedeutet das praktisch, dass man die Pedalen abmontiert und den Lenker querstellt.
Um großes Gepäck überhaupt in den Wagon zu bekommen, braucht man die Hilfe anderer. Denn die drei Stufen sind steil. Da hat man schon mit einem großen schweren Koffer Probleme.
[Aktualisierung 08.01.2015:
Mit Wirkung ab 12.08.2014 traten neue Regeln für große Gepäckstücke in Kraft, und zwar aufgrund des Gesetzes Nr. 473 der Russischen Föderation vom 19.12.2013, vom Minister am 24.07.2014 unterschrieben. Nach diesen Regeln soll es gar keine Beförderung großer Gepäckstücke in Fernzügen mehr geben. Davon betroffen sind u.a. Sportler: Skisportler mit ihren Skiern, Snowboarder, Biathleten, Fahrradfahrer.
Dagegen wurden Proteste laut. Es wurde eine Petition eingereicht, dieses Verbot aufzuheben. Einzelheiten sind in diesem russischsprachigen Artikel "Die Russische Bahn ist gegen Sportgeräte" vom 24.09.2014 erläutert. Diese Regelung ist unverständlich, wo auch in Russland Fahrradfahren jetzt populär geworden ist und in Moskau gefördert wird. Ich hoffe, dass die Petition der Verbraucher und Sportler erfolgreich sein wird und die gesetzliche Regelung aufgehoben wird.]
Kostenpflichtiges Gepäck
Kostenpflichtig sind Elektronikgeräte mit einem Umfang von bis zu 180 Zentimeter (Fernseher, Videorekorder, Lautsprecher). Pro Fahrkarte darf nur ein Gerät mitgeführt werden. Man erhält eine extra Fahrkarte für ein solches Gerät am Fahrkartenschalter und muss dann nicht mehr im Zug an den Diensthabenden oder Schaffner bezahlen.
Ein zweiter großer Gegenstand kann mitgenommen werden, wenn dafür eine extra Fahrkarte gekauft wird. Je nach Größe des Gegenstandes wird der Preis für einen Erwachsenen, für 2 oder gar 4 Personen fällig (Gegenstand von 150 Kilogramm, der in einem 4er-Abteil aufbewahrt wird, ohne weitere Fahrgäste).
Waagen
An den Bahnhöfen gibt es Waagen zum Wiegen des Gepäcks. Wiegt das Gepäck nicht mehr als die zulässigen 36 Kilogramm, ist das Wiegen kostenlos; wiegt es mehr, ist eine Gebühr für das Wiegen zu zahlen.
Andere Gepäckregelungen gelten bei Fahrten zwischen verschiedenen GUS-Ländern.
Regionalzüge

Die Regionalzüge halten an den Bahnhöfen kleinerer Orte, so wie unsere Regionalzüge (RB). In den Wagen sind die Sitzbänke entweder aus hartem Holz oder aus (kunst-)lederüberzogenen Polster. Man nennt diese Züge oft auch Elektritschka. Weil sie mit Strom fahren? Nun ja, auch Fernzüge fahren oft mit Strom.

Fliegende Händler verkaufen hier ihre Produkte wie Küchenhelfer (spezielle Schälmesser für Obst und Gemüse), Zeitschriften, Reiseproviant und Süßigkeiten, Eis.
Fernzüge
So, Sie stehen jetzt am Bahnsteig und haben Ihren Wagon gefunden. Am Ende jeder Seite hat er eine Tür. Nur an einer der beiden Türen wird eingelassen. Dort steht die Diensthabende, die sich um die Fahrgäste in diesem Wagon kümmert, in dunkelblauer oder grauer Uniform. Sie kontrolliert die Fahrkarte und Ihren Reisepass. Manchmal machen diesen Job auch Männer.
Bei dem Reisepass bin ich mir nicht mehr sicher, nachdem ich während meiner letzten Russlandreise zweimal hintereinander nicht danach gefragt wurde. Einmal fuhr ich mit einem russischen Freund und einmal allein.

Sie können dann eintreten und sich Ihren Platz suchen; vielleicht beschreibt die Schaffnerin, wie Sie ihn schnell finden. Erfahrungen mit sperrigem Gepäck auf Zugfahrten wie dem Transport eines Fahrrades hatte ich bisher in Russlands Zügen nicht persönlich gesammelt, habe ich aber in diesem Artikel zusammengetragen.
In Fernzügen fahren auch Bahnpolizisten mit. Ich bin mal welchen aufgefallen. Die haben dann gründlich meinen Reisepass kontrolliert und wollten von mir Geld. Ich konnte ihren Drohungen widerstehen. Es war ihnen zu aufwändig, Ihre Drohungen zu realisieren. Sie haben geblufft.
Die Abteilklassen
Es gibt Wagons mit einfachem Niveau. Die Fahrkarte hierfür heißt "Platzkartnui". In jenen Wagons gibt es keine separaten Abteile. Hier bekommt man am meisten von den Zugreisebräuchen der Russen mit. Also auch das Geschnarche und die abstoßenden Gerüche von ungesunden Instant-Brühsuppen, die mit Heißwasser vom Boiler angereichert werden.

Außerdem gibt es Kupé der zweiten und der ersten Klasse, mit Abteilen; in der zweiten Klasse gibt es vier Liegen, in der ersten Klasse zwei Liegen. Stauraum für Gepäck befindet sich unter den unteren Liegen in einem Kasten sowie über der Tür in einem großen tiefen Regal. Zu jeder Liege gibt es eine kleine Lampe an der Außenwand, am Kopfende. Zwischen den unteren Liegen befindet sich der klappbare Tisch. Den dürfen auch die Passagiere mitbenutzen, die auf den oberen Liegen schlafen. D.h. sie dürfen dazu dann auch auf der unteren Liege sitzen, tagsüber, so lange nicht geschlafen wird. Beliebter sind die unteren Liegen. Natürlich ist die Rede von der zweiten Klasse.
Im Gang
Wenn man die Stufen in den Wagon hinein überwunden hat (kann bei einem großen schweren Koffer Probleme machen), kommt man in den schmalen Gang. Gleich hier befindet sich eine Toilette, dann die ersten beiden Kabinen sind das Wäschelager und das "Dienstzimmer" der Diensthabenden. Hier, am Anfang des Ganges befindet sich ein Trinkwasserkessel (Samowar). Im Gang zwischen den Fenstern befinden sich Informationstafeln, u.a. mit dem Fahrplan für diesen Zug und die Reisebedingungen der RJD. Oben haben die Fenster ein Schiebefenster. Manche lassen sich öffnen, so dass man sich mal den Wind um die Ohren wehen lassen kann und bessere Fotografien machen kann, vor allem, wenn der Zug eine Kurve fährt. Aber Vorsicht mit den Masten an der Strecke, die vielleicht näher als eine Armlänge entfernt stehen!
Transsib
Wenn wir von Fernzügen sprechen, müssen wir selbstverständlich auch die Transsibirische Eisenbahn (kurz: Transsib) erwähnen. Hier gibt es ein paar Besonderheiten. Manche Züge fahren bis Wladiwostok, andere bis in die mongolische Hauptstadt Ulan Bator (hierfür gibt es noch keine e-Tickets) oder bis Chinas Hauptstadt Peking. Dann befindet sich in den einzelnen Wagons möglicherweise auch mongolisches oder/und chinesisches Personal. Und dieses sorgt dann auch für landestypische Verpflegung der Gäste ihres Wagens. Und daneben gibt es noch einen Speisewagen.
An manchen Bahnhöfen werden Kohlen für den Heißwasserkessel nachgeladen, damit die Gäste jederzeit Tee oder Instant-Kaffee trinken können.
Es gibt eigentlich noch viel zu erzählen. Es gibt Bücher über die Transsib-Strecke, z.B. vom Trescher-Verlag. Es gibt auch Dokumentarfilme über die Transsib und sogar einen Action-Thriller: The Transsiberian (u.a. mit Ben Kingsley). Kein Film für Weicheier.
Und hier gibt es den Hinweis von mir für das Mitfahren mit der Transsib-Lokomotive und zuschauen am Computer.
Die klassische Transsib-Reise mit Vollverpflegung und Vollprogramm kann man bei Ost Impuls für 2016 buchen, zum Start der ITB, ab 08.03.2016, sowohl in östlicher als auch westlicher Richtung.
Die schnellsten Züge Russlands
ICE-Züge aus deutscher Produktion fuhren zuerst zwischen St. Petersburg und Moskau (seit 17. Dezember 2009) unter dem Namen Sapsan (der Wanderfalke) sowie etwas später auch zwischen Moskau und Nijnij Nowgorod (seit Sommer 2010). Diese Züge fahren bis zu 250 Kilometer pro Stunde schnell. Sapsan-Züge, die von St. Petersburg bis Nijni Nowgorod fahren, halten in Moskau nicht am Leningrader Bahnhof, sondern am Kursker Bahnhof, denn ersterer ist ein Kopfbahnhof (oder auch: Sackbahnhof).
Falls Sie mitfahren und hören mal etwas knallen: Es könnten Steine gewesen sein, die Dorfbewohner gegen den Zug schleudern. Denn die Dorfbewohner hassen den Zug, weil es an Sicherungseinrichtungen für sie fehlt. Das verbreitete Auf-den-Gleisen-Laufen ist inzwischen zu gefährlich geworden. Die Dorfbewohner mussten sich das abgewöhnen.
Sehr schnell ist auch der in Italien hergestellte Allegro unterwegs, seit 12. Dezember 2010. Putin war mit auf der Jungfernfahrt von Wyborg aus. Da der Zug die Grenze überquert, gehört er unter die nächste Überschrift.
[Ergänzung 22.11.2013
Fahrkarten für den Allegro und auch den Zug "Leo Tolstoi" vermittle ich als Partner-Agent für die Finnische Bahn.]
Wo wir gerade bei deutschen Zügen sind: Bald werden Züge aus Siemens-Produktion auf der Strecke zwischen Adler und Krasnaja Poljana fahren, allerdings nicht als Hochgeschwindigkeitszüge. Diese Züge haben den Namen Lostotschka (Schwalbe), erreichen immerhin eine Geschwindigkeit von bis zu 160 Stundenkilometer. Sie sollen dann auch auf Strecken in Zentralrussland eingesetzt werden.
Internationale Züge
Zug Allegro zwischen Helsinki und St. Petersburg, Fahrzeit: 3,5 Stunden; sowie "Leo Tolstoi zwischen Moskau und Helsinki.
[Ergänzung: Dazu Einzelheiten im Artikel Bahnfahrkarten für Finnland, insbesondere nach Russland.]
"Trans-Osteuropa-Express"
Seit Mitte Dezember 2007 fährt (wieder, nach langer Pause zuvor) ein Kurswagen zwischen dem Belorussischen Bahnhof in Moskau und Paris, durch Berlin. Das ist eine Strecke von 2.972 Kilometern, die durch sechs Länder geht. Hier gibt es auch gehobenen Service: das Mittag- und Abendessen wird den Gästen auf ihr Abteil gebracht.
In Berlin steht der Zug mehrere Stunden, so dass die Gäste sich Sehenswürdigkeiten ansehen können. Die russische Bahn hat auf einem Flugblatt, das sie zur ITB 2007 verteilte, angegeben, dass der Zug auf dem Wege nach Moskau 7 Stunden Aufenthalt hat und auf dem Wege nach Paris sogar 12 Stunden.
Doppelstockzüge
Ergänzung, 11.03.2015
Seit Januar 2014 fahren in Russland Doppelstockzüge. Die Jungfernfahrt war auf der Strecke Moskau - Sotschi. Dabei wurde sogar ein neuer Streckenrekord aufgestellt, mit der Fahrzeit. Dieser Doppelstockzug ist behindertengerecht ausgerüstet. Es gibt spezielle Abteile für Rollstuhlfahrer. Es gibt auch 1. Klasse-Abteile, die mit Waschmöglichkeiten ausgestattet sind. Man braucht also dann nicht für die Gemeinschaftstoilette im Gang anzustehen.
Seit Anfang März 2015 fahren Doppelstockzüge auch zwischen Moskau und St. Petersburg, die Züge Nr. 5 und 6. Sie fahren jeweils um 22.50 Uhr ab, sowohl von Moskau als auch von St. Petersburg. Ankunft in Moskau um 22.47 Uhr, Ankunft in St. Petersburg um 22.44 Uhr.
Allseits gute Fahrt!
Verwandte Links:
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