Heute feiert die südrussische Stadt Woronesch ihren 425. Geburtstag. Vor einem Jahr war ich in der Stadt zu Besuch. Heute ist ein guter Tag, Euch die Stadt vorzustellen. Mit den Sehenswürdigkeiten und Ausflugsmöglichkeiten von hier aus bin ich noch nicht fertig. Auf sie gehe ich im zweiten Teil ein.
1. Lage
Woronesch liegt 486 Kilometer südwestlich von Moskau im Don-Becken in der Zentralzone der osteuropäischen Ebene am Fluss Woronesch, der etwa 10 Kilometer weiter in den Don mündet. Einerseits beginnt im Gebiet um Woronesch Steppenland, andererseits liegt die Stadt an der Grenze der Waldsteppe. Das Gebiet Woronesch, das eine Fläche von 52,2 Tausend Quadratkilometer einnimmt (etwa die Hälfte der DDR) grenzt an diese Verwaltungsgebiete an: Belgorod, Kursk, Lipezk, Tambow, Saratow, Wolgograd, Rostow und im Süden auch die Ukraine (Gebiet Lugansk). Über die Woronesch und den Don besteht eine schiffbare Verbindung zum Asowschen Meer und dem Schwarzen Meer.
Durch das Wasser des Flusses Woronesch, der gestaut wird, ist die Stadt zweigeteilt. Man spricht vom linken (westliche Seite) und rechten Ufer (östliche Seite). Es gibt drei Autobrücken und eine Eisenbahnbrücke über den Fluss Woronesch.
Die Brücken heißen wie folgt:
- a) Die nördliche Brücke,
- b) die Tschernawski-Brücke, die über eine langgezogene Insel führt (vergleichbar mit Budapest),
- c) Wogresowski-Brücke.
3. Klima
Das Klima ist für russische Verhältnisse mild. Die Wachstumsperiode dauert etwa 190 Tage. Die Durchschnittsjahrestemperatur liegt bei +5°C, die durchschnittliche Niederschlagsmenge zwischen 435 und 560 mm pro Quadratmeter.
4. Geschichte
Zum ersten Mal erwähnt wurde der Ort 1177, doch nach herrschender Meinung wurde die Stadt 1585-86 gegründet. Wissenschaftler sagen, die Stadt ist schon 1.100 Jahre alt und schließen dies aus den Annalen. Der Streit, wann der Beginn der Stadt war, hält immer noch an. Auf der Website der Uni (siehe unten) ist Woronesch 2 Jahre älter als nach der offiziellen Chronik, nach der der Stadtgeburtstag bestimmt wird. 1585 ist der Ort erstmals schriftlich dokumentiert. Dabei ging es um Krieger und Mönche, die hier die Angriffe der Mongolen und Tataren abwehrten und die südliche russische Grenze sicherten.
Die Stadt blühte am Ende des 17. Jahrhunderts auf, als sie Zar Peter I. dafür gewinnen konnte, dass hier am Fluss seine Flotte gebaut wurde (1695 oder 1696).
Woronesch nennt sich die Stadt der Kriegshelden. Das rührt vom 2. Weltkrieg her. Da war Woronesch 213 Tage lang (Juni 1942 bis Januar 1943) von der deutschen Wehrmacht besetzt gewesen. In einem Werbeprospekt der Stadt zur Grünen Woche heißt es hierzu, die Stadt wurde in den Kriegsjahren "Schmied des Sieges". "Die besten Flugzeuge Stürmer "IL-2" und die legendäre "Katjuscha" sind Ergebnisse der schlaflosen Nächte der Waffenmeister der Stadt."
Ich finde, man lebt hier viel in der Vergangenheit, bei all den Kriegsdenkmälern. Wer sich für Krieg interessiert: Nicht weit von Woronesch gibt es in Jemantscha eine Kriegsgräberstätte. In der Wochenzeitung Focus gab es in der Ausgabe 37/2008 ab Seite 88 eine Reportage "Armee der Toten" über die Exhumierung zehntausender Wehrmachtssoldaten, unbeachtet von der deutschen Öffentlichkeit. Diese Überreste wurden (oder vielleicht immer noch werden) zu einem Wehrmachtsfriedhof Besedino bei Kursk gebracht. Im Artikel wird die Arbeit der Männer beschrieben, die die Knochen ausbuddeln und sortieren. Das Geld für diese Aktion zahlt der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. In jenem Artikel gibt es auch ein Bild von dem Soldatenfriedhof bei Woronesch.
Hier sind Karten der Wehrmacht, die sie von Woronesch und Umgebung gezeichnet hat, und von anderen russischen Städten. Zur Verteidigung des Landes gegen die deutsche Wehrmacht sind hier die Flugzeuge Stürmer IL 2 gebaut worden und die berühmten Raketenwerfer "Katjuscha".
Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Stadt zu einem großen industriellen Zentrum Russlands (siehe unten). Hier wurde das Überschall-Passagierflugzeug TU-144 gebaut und der wieder verwendbare Raumgleiter Buran entwickelt, der aber praktisch nicht zum Einsatz kam.
Die Stadt hat heute 890.000 Einwohner (2010, Rosstat). Manchmal wird sie als Millionenstadt bezeichnet, vor allem weil es für Millionenstädte in Russland extra Gelder vom Russischen Staat zur Erhaltung und zum Aufbau der Infrastruktur gibt.
Deutsche Partner"stadt" ist der Landkreis Westermarsch.
5. Feiertage
26. Juni - Tag der Jugend
17. September - Stadtgeburtstag (1586)
6. Wirtschaftliche Bedeutung
Eine starke Position hatte die Stadt nach dem zweiten Weltkrieg in der Schwerindustrie und der Luftfahrtindustrie. Aus der Stadt kamen und kommen Flugzeuge, Lokomotiven, Bagger und Kranautos. Woronescher Spezialisten waren auch an der Entwicklung des Raumgleiters Buran beteiligt. Das Überschall-Passagierflugzeug TU-144 ist hier gebaut worden.
Im Woronescher Flugzeugwerk (WASO) wurde die IL 86 gebaut. Diese Maschine war ganz neu, als ich damit 1984 von Berlin nach Moskau flog, damals auch die größte russische Passagiermaschine. Der Nachfolger dieser Maschine ist die IL-96, die hier auch gebaut wird. Ebenfalls in Woronesch gebaut wird heute die AN-148. Am 28. Juli 2009 startete dieses neue Passagier-Verkehrsflugzeug zu einem ersten Präsentationsflug (Aktualisierung 06.12.14: Quelle: Blog Krusenstern.ch, Seite am 6.12.14 nicht mehr verfügbar; Blog steht zum Verkauf.) Ab Dezember 2009 begann die Auslieferung dieses Modells an die Airline Rossiya, die seit Ende 2010 drei Maschinen dieses Typs least. Da aber russische Airlines heute viele Maschinen von Airbus Industries kaufen oder den Airbus leasen, ist es schwieriger als noch in den 90ern, die Flugzeuge zu verkaufen. Man widmet sich in den letzten Jahren verstärkt der Entwicklung von kleinen Flugzeugen für Geschäftsleute. Außer in Woronesch auch noch in Chabarowsk (am Amur), wo seit 2008 die Suchoi Superjet-100 (SSJ) entwickelt und gebaut wird (in Kooperation mit Boeing und europäischen Unternehmen).
In Woronesch gab und gibt es Werke, in denen Turbinen und Fenster aus Plastik für Flugzeuge hergestellt wurden/werden und Reifen aus Gummi; außerdem Werkzeugmaschinen. Wichtige Branchen sind die Baustoffgewinnung, Chemie, Ausrüstung für Erdöl- und Erdgasleitungen.
Die Region Woronesch ist auch landwirtschaftlich sehr wichtig. 80 Prozent der Böden bestehen aus Schwarzerde. Aus dem Getreide von hier werden in einem Werk in Woronesch auch Makkaroni hergestellt. Außer Getreide wird viel Mais angebaut, Zuckerrüben für Zucker und Sonnenblumen für Pflanzenöl.
Viele der Spezialisten werden an der Staatlichen Universität in Woronesch ausgebildet.
7. Infrastruktur
7.1. Telefon
Vorwahl für Woronesch
+7-4732
Mehr Infos in dem verlinkten Artikel über Festnetztelefonie in Russland.
7.2. Flughafen
In der Nähe von Woronesch, an der Straße nach Moskau, etwa 20 km von Woronesch entfernt, gibt es einen Flughafen. Von hier aus gibt es eine Flugverbindung nach München; desweiteren auch in die Türkei. Man ist an einem Ausbau des Flugstreckennetzes interessiert. Dann müssten die Einwohner nicht mehr so oft nach Moskau fahren, um nach Westeuropa oder in den Süden zu fliegen. Die Woronescher Airline des Flughafens heißt Poljot. Das heißt "Flug".
Im August 2010 schrieb die Stadtzeitung Moe, dass im folgenden Jahr Flüge in die Türkei und nach Italien möglich sein sollen. Voriges Jahr sind die langwierigen Arbeiten an der Start- und Landebahn beendet worden, die laut MOE 750 Millionen Rubel verschlangen (ca. 19 Mio. EUR). Weitere 350 Millionen Rubel waren Ende 2010 für weitere Baumaßnahmen an den Rollwegen und Vorfeldern vorgesehen. Der Direktor der Airline, Anatoli Karpow (der Ex-Schachweltmeister?) gab der Zeitung damals einen Ausblick: Ende 2010 sollten neu gekaufte Flugzeuge des Typs 148 eintreffen, mit denen ab Anfang 2011 neue Flugrouten aufgenommen werden sollten in die arabischen Staaten, Ägypten, Tunesien und Spanien (also vor allem Urlaubsflieger).
Lesetipp: "Woronescher Flughafen wird bis zum Stadtgeburtstag umgestaltet", Artikel der Zeitung MOE vom 13.09.2011 über die Rekonstruktion des Flughafens (russisch).
Aktualisierung 27.07.2016
Aeroflot teilte auf ihrer Facebook-Seite am 24.07.16 und heute in Twitter mit, dass es seit Juli 2x am Tag Flüge zwischen Moskau und Woronesch gibt.
7.3. Hotels
Die Auswahl bei Hotels ist etwas unbefriedigend. Preiswerte Hotels mit guter Qualität sind schwer auszumachen.
Es gibt ein 5-Sterne-Hotel und ein paar 4-Sterne-Hotels.
Etwas besser ist die Situation bei Restaurants.
7.4. Universität
Die Stadt sieht sich gern als eine Stadt der Lehre und Studenten. Es gibt über 50 staatliche und private Hochschulen mit internationalem Standard, heißt es auf der Website der Burdenko-Medizin-Akademie. Da studieren auch Afrikaner und Türken, wie man auf Bildern sehen kann.
Die größte Uni in der Stadt ist die Woronescher Staatliche Universität. Die erste Vorlesung fand am 12. November 1918 statt. Zu den Partner-Unis, siehe hier, gehört auch die Humboldt-Universität zu Berlin. Die Beziehungen zu den 7 deutschen Partner-Hochschulen wurden [22.02.2013: korrigiert:] zur Zeit der Erstellung dieses Artikels unter dieser Domain dargestellt: http://www.vsu.ru/german/depts/research/partners/germany.html hier in deutscher Sprache. Es gibt gute Informationen über die Uni in deutscher Sprache auf der Uni-Website. Sie lädt Studenten aus aller Welt zu sich ein, ob ein Abschluss angestrebt wird oder auch nicht. Russisch lernen kann man hier auch.
Es gibt die romano-deutsche Philologie-Fakultät.
7.5. Sport
Woronesch hat ein Fußballstadion. Hier spielte im Oktober 2010 die russische Nationalmannschaft gegen Belgien. Das Spiel wurde 0:2 verloren. Woronesch wird kein Spielort während der Fußball-WM 2018 sein.
7.6. Schach
Im Juni findet regelmäßig ein internationales Schachturnier statt, mit mehreren Gruppen, je nach Spielstärke und ein extra Blitzturnier. Eigentlich sind es mehrere Turniere, die sich insgesamt über zwei Wochen erstrecken. Ausrichter des Schachfestivals ist der städtische Schachklub, mit Unterstützung der Stadt.
8. Anreise und Abreise aus Deutschland - Reiseberatung
8.1. Flug
Zwischen München und Woronesch besteht eine direkte Flugverbindung.
Aktualisierung 27.07.2016. Seit Ende Juli 2016 fliegt Aeroflot 2x täglich zwischen Moskau und Woronesch.
8.2. Bus
Im Sommer fahren Eurolines-Busse eine Linie aus Deutschland nach Woronesch und retour, täglich. Laut Fahrplan der Deutschen Touring mit Gültigkeit bis zum 31.10.2010 von Anfang Juni bis zum 15. September. In Berlin fuhr der Bus um 17.30 Uhr ab und sollte laut Plan in Woronesch um 5.30 Uhr des übernächsten Tages ankommen. Abfahrt in Woronesch nach Braunschweig um 19.00 Uhr, Ankunft in Berlin am übernachten Morgen um 7.00 Uhr, um 9.00 Uhr in Magdeburg und in Braunschweig ZOB gegen 10 Uhr. Von dort aus in weitere Städte, dann mit Umstieg in einen anderen Bus.
Ich ließ mir das am Schalter des Zentralen Omnibusbahnhofs (ZOB) in Berlin für den 09.09.2010 bestätigen. Preis für eine Fahrt: 100,- €, für Hin- und Rückfahrt 190,- €. Das Busunternehmen heißt KVN.
Nicht vergessen: Der Bus fährt durch Weißrussland (Belarus). Man benötigt ein Transitvisum.
Mit dieser mehrsprachigen Suchmaschine, die die Anzahl der freien Plätze anzeigt, finden Sie internationale Busverbindungen (auch Bahnverbindungen) und können Fahrkarten sofort (mit Kreditkarte) kaufen.
[...Next]