Jetzt ist die Zeit der weißen Nächte, touristische Hochsaison in St. Petersburg. Ich habe sie zweimal erlebt. Im Sommer 2005 hielt ich mich längere Zeit in St. Petersburg auf. So hatte ich Zeit für Entdeckungen außerhalb der Metropole, im Leningradskij Oblast. Von einem solchen Ausflug bis nahe an die Grenze zu Karelien am Ladogasee, dem größten See Europas, will ich hier erzählen.
Hinweis zur Aktualität: Den nachfolgenden Erlebnisbericht schrieb ich im August 2005. Ich habe ihn jetzt nur leicht überarbeitet. Wenn ich also den Präsens verwende, dann bezogen auf jene Zeit damals. Einiges wird sich seitdem verändert haben.
Noch mehr Bilder als im Bericht von mir eingefügte gibt es in der Bildergalerie in den Rubriken Priosersk und Ladogasee als Unterkategorien von St. Petersburg.
Es gibt nur wenig touristisches Informationsmaterial zu Priosersk und überhaupt zum Leningrader Bezirk nördlich von St. Petersburg, von Wyborg und Repino am Finnischen Meerbusen vielleicht einmal abgesehen. Im größten Buchhaus der Stadt, im Hause des Buches (Dom Knigi), fand ich an Reiseführern für diese Region nur ein einziges Buch, und zwar im Format kleiner als A5 mit 130 Seiten. Es heißt: "Illostrirovannuij Putevoditel" (Illustrierter Reiseführer; Autor: Juri Scheftschuk, Verlag: Diskus Media, St. Petersburg, www.mapserv.ru) und beinhaltet den ganzen Petersburger Oblast (Ausgabe 2003). Auch mit dem "Lonely Planet Russia & Belarus" (Ausgabe 2003) kommt man kaum weiter. Zwar gibt es dort Einiges zu Karelien, z.B. zu den Inseln Walaam und Kiji (englisch: Kizhi), zur Kola-Halbinsel und Murmansk sowie Wyborg. Aber sonst eben nichts zum nördlichen Teil des Leningradski Oblasts, der für Wochenendausflüge für in St. Petersburg arbeitende Ausländer oder Studierende eine interessante Abwechslung zur Stadt der Künste und Kultur sein könnte.
Für Individualreisende, insbesondere für solche, die kaum russisch sprechen können oder das erste Mal in St. Petersburg sind, ist es nicht so einfach, schnell an konkrete Reiseinformationen zu kommen. Immer wieder richten die deutschen Touristen in den Reisebüros, die auf Ausländer ausgerichtet sind, entsprechende Fragen wie die nach Zug- und Busverbindungen und ob man Fahrkarten in dem Reisebüro kaufen kann. - Reiseführer helfen hier auch nur bedingt weiter. Wenn man Glück hat, bekommt man - wie bei uns in Berlin in der S-Bahn den Straßenfeger - in der Metro ein Heft im Format A6 mit dem Titel "Peterburg na ladoni" angeboten, wie ich damals, das ich mir für die Monate Juli und August 2005 für ein paar Rubel kaufte. Es enthält Fahrpläne und Angaben zur Metro, allen Buslinien im Nahverkehr und den Zügen von den fünf Fern-Bahnhöfen in St. Petersburg zu allen Bahnhöfen im Leningradski Oblast sowie die Öffnungszeiten der Newabrücken.
Aber nun zum Ausflug.
Ein paar Fahrten aus St. Petersburg heraus ins Grüne hatte ich bereits in diesem Sommer 2005 unternommen, nach Repino (am Finnischen Meerbusen) und, als meine Freundin aus Südrussland gerade angereist war, nach Toksowo (an zwei Seen gelegen). Mich zog es wieder hinaus in die Natur. Von dem jetzt entstehenden Wintersportparadies Igora nahe der Bahnstation Kilometer 63 wusste ich damals noch nicht. Ich wollte in die Richtung der vielen Seen und Flüsse, in Richtung Karelien. Im Lonely Planet zu Russland und Belarus liest man über Karelien:
„Weil die Region gut an das Eisenbahnnetz und Luftverkehrsnetz angebunden ist, wird sie allmählich beliebter, insbesondere für alle Typen von Outdoor-Enthusiasten, welchen die relativ preiswerten Kosten für ein Durchqueren dieser Landschaft gefallen; eine Landschaft, die reichlich ausgestattet ist mit offener Tundra, schneebedeckten Bergen, unzähligen Seen und reichlich Kiefern- und Birkenwald.“
und weiter:
„Kein Reisender sollte die Gegend verlassen, ohne mindestens einmal eine der bezaubernden Inseln besucht zu haben. Valaam, Kizhi und die Solovetsky-Inseln formen eine dreigestirnige Konstellation der Ruhe, wunderbaren Architektur und religiösen Geschichte.“
Der Karte nach hatte Priosersk eine schöne Lage. Eine Bekannte aus Pieter war gerade erst dort zu einem Fest gewesen, auf dem die Teilnehmer in Kluften wie im Mittelalter umherliefen, in denen Schlachten in oder um die Burg herum nachgespielt wurden. Priosersk ist älter als St. Petersburg. Das war es wert für einen Wochenendausflug.
A. Anreise aus St. Petersburg
Priosersk befindet sich etwa 120 km von St. Petersburg entfernt. Ich war nach Priosersk also mit meiner russischen Freundin am Samstag, den 6. August 2005 von St. Petersburg aus angereist. An einem früheren Wochenende waren wir bereits auf einem Teil der gleichen Eisenbahnstrecke bis Toksowo und Oselki gefahren. Nach Toksowo fahren Petersburger, um dort zu baden und zu angeln, frische Luft zu atmen. Nach Priosersk auch, aber es ist eben weiter weg.
Am frühen Morgen des 7. August fuhren wir von Priosersk aus mit einem leeren Bus nach Wladimirskaja, um auf die Insel "Konewets" überzusetzen (dazu gleich mehr). Der Bus war von einer Gruppe Touristen bestellt worden, die damit, von der Insel kommend, nach Priosersk fahren wollte. Wir wurden mitgenommen, ohne die Fahrt bezahlen zu müssen. Wir waren aber am Abend vorher auf einen Tipp von einem jungen Mann im Yachthafen hin auf dem Gelände der städtischen Garage gewesen und hatten uns dort erkundigt und etwas mit einer Frau und zwei Männern (vielleicht Busfahrer oder Kfz-Schlosser) unterhalten.
I. Per Bahn
Züge (Elektritschkas) fahren in St. Petersburg vom Finnischen Bahnhof nach Priosersk ab. Wohnt man in der Stadt noch nördlicher, gibt es noch einige Zustiegsmöglichkeiten in diesen Zug. Wir stiegen in Deviatkino zu. Hier endet die rote Metrolinie 2. Der Zug war hier in Deviatkino aber schon so voll, dass wir keinen Sitzplatz bekamen. Das ist für die Sommer-Wochenenden normal, denn viele Großstadtgeschädigte fahren dann ins Grüne, auf die Datscha, zum Garten, um auch das Obst und Gemüse zu ernten und die Sonnenblumenkerne, an den See.
Wir namen den Zug ab Deviatkino um 7.50 Uhr, der ca. gegen 8.00 Uhr mit leichter Verspätung losfuhr. In Priosersk kam er mit ca. 20 Minuten Verspätung an, um 10.40 Uhr. Die Fahrzeit ab Finnischen Bahnhof, wenn planmäßig, beträgt etwa 2,5 Stunden. Der Preis einer einfachen Zugfahrt lag damals bei 84 Rubel.
II. Per Bus
Busse der Touristen-Klasse fahren von der Kreuzung der Metrostation "Graschdanski Prospekt" dreimal täglich wochentags nach Priosersk. An dieser Abfahrtsstelle an der Kreuzung, wo sich auch die Metrostation befindet, kann man sich an einem Wohn- oder Campingwagen auch die Tickets kaufen. Wo noch Zustiegsmöglichkeiten sind und ob man die Tickets auch überall vom Busfahrer kaufen kann, ist mir nicht bekannt. Eine einfache Fahrt (inkl. einem Gepäckstück) kostet 180 Rubel, ein zusätzliches Gepäckstück noch mal 10 Rubel. Die Fahrzeit beträgt etwa 2,5 Stunden.
[Nachtrag, 23.05.2009:
Vom Avtovoksal (Busbahnhof) aus fährt der Bus mit der Liniennummer 859 nach Priosersk los, hält jedenfalls in Sosnowo, Sapernoe und Gromowo.]
B. Infrastruktur in Priosersk
I. Bahnhof in Priosersk
Der Bahnhof befindet sich neben dem Wyoksa-See.
Es gibt draußen einen Kiosk, daneben eine Tafel mit Abfahrtszeiten der Busse, die auf dem Bahnhofsvorplatz abfahren. Aber Abfahrtszeiten zu den Orten Saostrowje und Wladimirowka haben wir nicht gesehen. Diese Dörfer liegen am nächsten zur Insel Konewets. Diese Insel zu besuchen hatte ich vor. Bis zum zentralen Platz des Ortes läuft man vom Bahnhof etwa 5 bis 7 Minuten. Es kamen Leute und boten ihre Taxidienste an. Ein richtiges Taxiauto haben wir auch gesehen.
II. Übernachtung
1. Hotels
a. Hotel "Korela"
... liegt am zentralen Platz des Ortes. Ab 50 EURO aufwärts, spartanische, schmucklose Rezeption. Zimmer haben wir uns nicht angesehen. War uns zu teuer.
b. "Ujum Ljux"
... befindet sich laut Karte des Straßenatlas an der Leningradskaja Uliza, aber weiter hinten im Straßenatlas lt. Verzeichnis an der Uliza Gagarina 19, etwa 15 Fußminuten vom Zentrum entfernt. War laut telefonischer Auskunft ausgebucht an dem Samstag, als wir in Priosersk waren.
c. "Sawodskaja"
Tel.: (813 79) 24789. Das ist die aktuelle Tel.-Nr., die im gerade gekauften Atlas stimmte nicht.
Am weitesten vom Bahnhof und Zentrum entfernt, vom Zentrum etwa 2,5 km, am Ende der Sawodskaja Uliza und Beginn der Ingenieurnaja Uliza. In dem Autoatlas "Liningradskij Oblast" und "St. Petersburg" in der Auflage 2005 werden zwei verschiedene Hotels mit verschiedenen Telefonnummern angegeben: einmal "Gostiniza, Injenernaja Uliza", und zum anderen "Sawodskaja" in der "Sawodskaja Uliza 1", deren Tel.:-Nr. 282 76 aber veraltet ist. Es handelt sich aber jeweils um dasselbe Hotel.
Dieses Hotel, das sich in einem unscheinbaren Haus befindet, das ein normales Wohnhaus sein könnte, gehörte zu dem holzverarbeitenden Werk nebenan. Dieses ist inzwischen insolvent geworden. Ein neuer Investor wird gesucht, sagte die Frau, die gleichzeitig Pförtnerin, Rezeptionistin und wohl auch Stubenmädchen ist. Sie meinte, sicher werden die Preise für ein Zimmer, wenn ein Investor gefunden wurde, bald ansteigen.
Hier fanden wir also ein preiswertes Zimmer. Es war ausgestattet mit drei Betten mit Steppdecke, je einem kleinen Handtuch, einem Tisch und drei Stühlen, einem Waschbecken mit Spiegel, einem Kühlschrank und Einbauschrank, Deckenlampe mit 5 Armen und einem Fenster und kostete 700 Rubel insgesamt. Eine Etage darunter gab es noch ein freies 3-Bett-Zimmer mit TV für 750 Rbl. An sich gibt es auch ein schönes 2-Bett-Zimmer für 800 Rubel, das aber gerade belegt war. Frühstück ist jeweils nicht im Preis mit inbegriffen. Es gibt keine Gemeinschaftsküche und kein Restaurant im Hause. Das nächste Restaurant ist weit. Die Gemeinschaftstoilette befand sich auf (unserer) 2. Etage, eine Dusche mit Toilette auf der ersten Etage. Als ich am Morgen gegen 6 Uhr duschte, dauerte es ca. 5 Minuten, bis warmes Wasser aus der Leitung kam. Die Rezeption befindet sich nicht im Vestibül (nur ein paar altmodische Sitzgelegenheiten sowie Bilder von der Landschaft hier), sondern eine Treppe höher, in der ersten Etage.
In der Nacht wurde die Außentür abgeschlossen und der Schlüssel abgezogen. Deswegen mussten wir am nächsten Morgen die Rezeptionistin aufwecken, als wir gegen 6.00 Uhr das Haus verlassen wollten. Erst mal wussten wir gar nicht, wo wir sie suchen sollen. Wir verloren Zeit und mussten uns sputen, um noch rechtzeitig zum uns beschriebenen Abfahrtsort eines kleinen Busses zu kommen, der die Arbeiter auf dem Garagengelände eben dorthin fuhr - am Sonntagmorgen um 6.15 Uhr.
2. Ferienlager, Lager für Erholung
Es gibt einige hier. Man findet sie im Atlas "Leningradski Oblast". Man muss aber daran denken, dass die dort angegebenen Telefonnummern und Adressen nicht der Adresse der Lager entspricht. So befindet sich das Lager "Jarkoe" nicht in der Stadt Priosersk, schon gar nicht (wie angegeben) in der Krasnoarmejskaja Uliza 7, sondern auf der Insel "Jarko" im See "Wyoksa". Dorthin kommt man mit dem alten Motoschiff (Ich glaube, es hieß "Svetlana") von der Bootsausleihstation und Anlegestelle neben dem Bahnhof. Die Abfahrtszeiten erfragt man dort in der Ausleihstation für Campingartikel. Hier kann man auch Plätze für dieses Lager unter der Nummer (813 79) 236 50 oder 236 57 buchen. Man muss sich bewusst sein, dass hier Jugendliche und Kinder campieren. Die Übernachtung liegt um die 300 Rubel. Dazu noch Kosten für die Bootsüberfahrt. Einige Schlafsäcke und Isomatrazen gibt es auch an der Ausleihstation. Die sahen aber nicht so gut aus, waren teilweise noch nass.
3. Restaurants, Cafes
Am ansprechendsten von den Restaurants und Cafes, die ich gesehen habe, ist das "Kapitan Morgan am "zentralnaja Ploschadj" (gegenüber dem Hotel Korela), in dem es einen Papagei und ein großes Aquarium gibt. Die Küche dort schließt um 22.00 Uhr. Wir waren zwischen halbzehn und zehn da und bekamen dort nichts Warmes mehr und suchten noch einen Platz, an dem man etwas Warmes zu essen bekommt. Am Markt gibt es einen Laden, in dessen Gebäude sich ein Bistro (ohne Fenster) befindet mit angeblich usbekischer Küche. Auf dem Menü stand auch ein [...Next]