Ein paar Fahrten aus St. Petersburg heraus ins Grüne hatte ich bereits in diesem Sommer 2005 unternommen, nach Repino (am Finnischen Meerbusen) und, als meine Freundin aus Südrussland gerade angereist war, nach Toksowo (an zwei Seen gelegen). Mich zog es wieder hinaus in die Natur. Von dem jetzt entstehenden Wintersportparadies Igora nahe der Bahnstation Kilometer 63 wusste ich damals noch nicht. Ich wollte in die Richtung der vielen Seen und Flüsse, in Richtung Karelien. Im Lonely Planet zu Russland und Belarus liest man über Karelien:
„Weil die Region gut an das Eisenbahnnetz und Luftverkehrsnetz angebunden ist, wird sie allmählich beliebter, insbesondere für alle Typen von Outdoor-Enthusiasten, welchen die relativ preiswerten Kosten für ein Durchqueren dieser Landschaft gefallen; eine Landschaft, die reichlich ausgestattet ist mit offener Tundra, schneebedeckten Bergen, unzähligen Seen und reichlich Kiefern- und Birkenwald.“
und weiter:
„Kein Reisender sollte die Gegend verlassen, ohne mindestens einmal eine der bezaubernden Inseln besucht zu haben. Valaam, Kizhi und die Solovetsky-Inseln formen eine dreigestirnige Konstellation der Ruhe, wunderbaren Architektur und religiösen Geschichte.“
Der Karte nach hatte Priosersk eine schöne Lage. Eine Bekannte aus Pieter war gerade erst dort zu einem Fest gewesen, auf dem die Teilnehmer in Kluften wie im Mittelalter umherliefen, in denen Schlachten in oder um die Burg herum nachgespielt wurden. Priosersk ist älter als St. Petersburg. Das war es wert für einen Wochenendausflug.
A. Anreise aus St. Petersburg
Priosersk befindet sich etwa 120 km von St. Petersburg entfernt. Ich war nach Priosersk also mit meiner russischen Freundin am Samstag, den 6. August 2005 von St. Petersburg aus angereist. An einem früheren Wochenende waren wir bereits auf einem Teil der gleichen Eisenbahnstrecke bis Toksowo und Oselki gefahren. Nach Toksowo fahren Petersburger, um dort zu baden und zu angeln, frische Luft zu atmen. Nach Priosersk auch, aber es ist eben weiter weg.
Am frühen Morgen des 7. August fuhren wir von Priosersk aus mit einem leeren Bus nach Wladimirskaja, um auf die Insel "Konewets" überzusetzen (dazu gleich mehr). Der Bus war von einer Gruppe Touristen bestellt worden, die damit, von der Insel kommend, nach Priosersk fahren wollte. Wir wurden mitgenommen, ohne die Fahrt bezahlen zu müssen. Wir waren aber am Abend vorher auf einen Tipp von einem jungen Mann im Yachthafen hin auf dem Gelände der städtischen Garage gewesen und hatten uns dort erkundigt und etwas mit einer Frau und zwei Männern (vielleicht Busfahrer oder Kfz-Schlosser) unterhalten.
I. Per Bahn
Züge (Elektritschkas) fahren in St. Petersburg vom Finnischen Bahnhof nach Priosersk ab. Wohnt man in der Stadt noch nördlicher, gibt es noch einige Zustiegsmöglichkeiten in diesen Zug. Wir stiegen in Deviatkino zu. Hier endet die rote Metrolinie 2. Der Zug war hier in Deviatkino aber schon so voll, dass wir keinen Sitzplatz bekamen. Das ist für die Sommer-Wochenenden normal, denn viele Großstadtgeschädigte fahren dann ins Grüne, auf die Datscha, zum Garten, um auch das Obst und Gemüse zu ernten und die Sonnenblumenkerne, an den See.
Wir namen den Zug ab Deviatkino um 7.50 Uhr, der ca. gegen 8.00 Uhr mit leichter Verspätung losfuhr. In Priosersk kam er mit ca. 20 Minuten Verspätung an, um 10.40 Uhr. Die Fahrzeit ab Finnischen Bahnhof, wenn planmäßig, beträgt etwa 2,5 Stunden. Der Preis einer einfachen Zugfahrt lag damals bei 84 Rubel.
II. Per Bus
Busse der Touristen-Klasse fahren von der Kreuzung der Metrostation "Graschdanski Prospekt" dreimal täglich wochentags nach Priosersk. An dieser Abfahrtsstelle an der Kreuzung, wo sich auch die Metrostation befindet, kann man sich an einem Wohn- oder Campingwagen auch die Tickets kaufen. Wo noch Zustiegsmöglichkeiten sind und ob man die Tickets auch überall vom Busfahrer kaufen kann, ist mir nicht bekannt. Eine einfache Fahrt (inkl. einem Gepäckstück) kostet 180 Rubel, ein zusätzliches Gepäckstück noch mal 10 Rubel. Die Fahrzeit beträgt etwa 2,5 Stunden.
[Nachtrag, 23.05.2009:
Vom Avtovoksal (Busbahnhof) aus fährt der Bus mit der Liniennummer 859 nach Priosersk los, hält jedenfalls in Sosnowo, Sapernoe und Gromowo.]
B. Infrastruktur in Priosersk
I. Bahnhof in Priosersk
Der Bahnhof befindet sich neben dem Wyoksa-See.
Es gibt draußen einen Kiosk, daneben eine Tafel mit Abfahrtszeiten der Busse, die auf dem Bahnhofsvorplatz abfahren. Aber Abfahrtszeiten zu den Orten Saostrowje und Wladimirowka haben wir nicht gesehen. Diese Dörfer liegen am nächsten zur Insel Konewets. Diese Insel zu besuchen hatte ich vor. Bis zum zentralen Platz des Ortes läuft man vom Bahnhof etwa 5 bis 7 Minuten. Es kamen Leute und boten ihre Taxidienste an. Ein richtiges Taxiauto haben wir auch gesehen.
II. Übernachtung
1. Hotels
a. Hotel "Korela"
... liegt am zentralen Platz des Ortes. Ab 50 EURO aufwärts, spartanische, schmucklose Rezeption. Zimmer haben wir uns nicht angesehen. War uns zu teuer.
b. "Ujum Ljux"
... befindet sich laut Karte des Straßenatlas an der Leningradskaja Uliza, aber weiter hinten im Straßenatlas lt. Verzeichnis an der Uliza Gagarina 19, etwa 15 Fußminuten vom Zentrum entfernt. War laut telefonischer Auskunft ausgebucht an dem Samstag, als wir in Priosersk waren.
c. "Sawodskaja"
Tel.: (813 79) 24789. Das ist die aktuelle Tel.-Nr., die im gerade gekauften Atlas stimmte nicht.
Am weitesten vom Bahnhof und Zentrum entfernt, vom Zentrum etwa 2,5 km, am Ende der Sawodskaja Uliza und Beginn der Ingenieurnaja Uliza. In dem Autoatlas "Liningradskij Oblast" und "St. Petersburg" in der Auflage 2005 werden zwei verschiedene Hotels mit verschiedenen Telefonnummern angegeben: einmal "Gostiniza, Injenernaja Uliza", und zum anderen "Sawodskaja" in der "Sawodskaja Uliza 1", deren Tel.:-Nr. 282 76 aber veraltet ist. Es handelt sich aber jeweils um dasselbe Hotel.
Dieses Hotel, das sich in einem unscheinbaren Haus befindet, das ein normales Wohnhaus sein könnte, gehörte zu dem holzverarbeitenden Werk nebenan. Dieses ist inzwischen insolvent geworden. Ein neuer Investor wird gesucht, sagte die Frau, die gleichzeitig Pförtnerin, Rezeptionistin und wohl auch Stubenmädchen ist. Sie meinte, sicher werden die Preise für ein Zimmer, wenn ein Investor gefunden wurde, bald ansteigen.
Hier fanden wir also ein preiswertes Zimmer. Es war ausgestattet mit drei Betten mit Steppdecke, je einem kleinen Handtuch, einem Tisch und drei Stühlen, einem Waschbecken mit Spiegel, einem Kühlschrank und Einbauschrank, Deckenlampe mit 5 Armen und einem Fenster und kostete 700 Rubel insgesamt. Eine Etage darunter gab es noch ein freies 3-Bett-Zimmer mit TV für 750 Rbl. An sich gibt es auch ein schönes 2-Bett-Zimmer für 800 Rubel, das aber gerade belegt war. Frühstück ist jeweils nicht im Preis mit inbegriffen. Es gibt keine Gemeinschaftsküche und kein Restaurant im Hause. Das nächste Restaurant ist weit. Die Gemeinschaftstoilette befand sich auf (unserer) 2. Etage, eine Dusche mit Toilette auf der ersten Etage. Als ich am Morgen gegen 6 Uhr duschte, dauerte es ca. 5 Minuten, bis warmes Wasser aus der Leitung kam. Die Rezeption befindet sich nicht im Vestibül (nur ein paar altmodische Sitzgelegenheiten sowie Bilder von der Landschaft hier), sondern eine Treppe höher, in der ersten Etage.
In der Nacht wurde die Außentür abgeschlossen und der Schlüssel abgezogen. Deswegen mussten wir am nächsten Morgen die Rezeptionistin aufwecken, als wir gegen 6.00 Uhr das Haus verlassen wollten. Erst mal wussten wir gar nicht, wo wir sie suchen sollen. Wir verloren Zeit und mussten uns sputen, um noch rechtzeitig zum uns beschriebenen Abfahrtsort eines kleinen Busses zu kommen, der die Arbeiter auf dem Garagengelände eben dorthin fuhr - am Sonntagmorgen um 6.15 Uhr.
2. Ferienlager, Lager für Erholung
Es gibt einige hier. Man findet sie im Atlas "Leningradski Oblast". Man muss aber daran denken, dass die dort angegebenen Telefonnummern und Adressen nicht der Adresse der Lager entspricht. So befindet sich das Lager "Jarkoe" nicht in der Stadt Priosersk, schon gar nicht (wie angegeben) in der Krasnoarmejskaja Uliza 7, sondern auf der Insel "Jarko" im See "Wyoksa". Dorthin kommt man mit dem alten Motoschiff (Ich glaube, es hieß "Svetlana") von der Bootsausleihstation und Anlegestelle neben dem Bahnhof. Die Abfahrtszeiten erfragt man dort in der Ausleihstation für Campingartikel. Hier kann man auch Plätze für dieses Lager unter der Nummer (813 79) 236 50 oder 236 57 buchen. Man muss sich bewusst sein, dass hier Jugendliche und Kinder campieren. Die Übernachtung liegt um die 300 Rubel. Dazu noch Kosten für die Bootsüberfahrt. Einige Schlafsäcke und Isomatrazen gibt es auch an der Ausleihstation. Die sahen aber nicht so gut aus, waren teilweise noch nass.
3. Restaurants, Cafes
Am ansprechendsten von den Restaurants und Cafes, die ich gesehen habe, ist das "Kapitan Morgan am "zentralnaja Ploschadj" (gegenüber dem Hotel Korela), in dem es einen Papagei und ein großes Aquarium gibt. Die Küche dort schließt um 22.00 Uhr. Wir waren zwischen halbzehn und zehn da und bekamen dort nichts Warmes mehr und suchten noch einen Platz, an dem man etwas Warmes zu essen bekommt. Am Markt gibt es einen Laden, in dessen Gebäude sich ein Bistro (ohne Fenster) befindet mit angeblich usbekischer Küche. Auf dem Menü stand auch einusbekisches Gericht, aber mehr usbekische Gerichte auch nicht. Ich probierte die usbekische Suppe, eine Brühe mit Kartoffelstücken und ein bischen Möhren und Kräuter und einem Stück Knochen mit fetten Fleisch, eher Fett als Fleisch. Na gut, ein echtes Stück Fleisch war auch dabei. Die Paella, die meine Freundin bestellte, schmeckte auch nicht. Restaurants der Hotels habe ich nicht besucht. Dafür war es auch schon zu spät.
4. Allgemeines zum Ort, Reiseinfos
Die Frau, die im Festungsmuseum die Führung für die spanischen Besucher führte, sagte, es gäbe in letzter Zeit einen Aufwärtstrend betreffend Anzahl der Touristen, die die Stadt besuchen. Der Fluss und der See Wyoksa und die Lage am Ladogasee machen den Ort interessant. Von hier aus kann man mit dem Boot bis nach Valaam fahren. Die einfache Fahrt dauert 3 Stunden, kostet pro Person 700 Rubel (entspricht 20 Euro). Das Schiff fährt morgens gegen 8.00 Uhr vom Hafen los. Dann hat man auf der Insel vier Stunden Zeit, wenn man noch am gleichen Tage zurückfahren möchte. Übrigens ist, wenn man zu Fuß unterwegs ist, nun das Hotel Sawodskaja das am günstigsten gelegene. Denn bis zum Wyoksafluss geht man am Werk vorbei, dann über eine Fußgänger-Pontom-Brücke und ist in ca. 15 Minuten dort.
Das Reisebüro Alta Ltd. kann eventuell bei der Beschaffung einer Unterkunft im Ort oder geeigneter Transfers (vielleicht weiter nach Walaam) helfen.
www.alta.pl.ru, Tel.: (813 79) 247-94, 33-037, Mobilfunk: +7 (921) 740 09 09 (der Mann spricht kein englisch), Krasnoarmejskaja Uliza 8/1, im Zentrum, geöffnet 10 - 18 Uhr
III. Postamt
Die Post am zentralen Platz hat am Wochenende geschlossen. Wenn man telefonieren muss und es nicht mit dem Handy kann, versucht man es in einem der Hotels.
C. Sehenswürdigkeiten
I. Festung "Korela" mit Museum
Leningradskoje Schossee 3
Tel.: (813 79)238 30
Wir gingen einen Pfad entlang, auf der linken Seite die aus Feldsteinen bestehende Mauer der Burg, auf der rechten Seite das Wasser des Flusses Wyoksa. Auf der anderen, nördlichen, Seite des Flusses befindet sich ein Park eines Sanatoriums, das von Norden und Westen mit einer Mauer und Toren versperrt ist. Dort entspannten sich einige ältere Menschen auf weißgetünchten Bänken am Ufer. Unser Pfad verlief sich im Unkraut. Vorher hatten wir ein Schild missachtet, dass es verbietet, hier weiter zu gehen, wegen Einsturzgefahr der Mauer. Nun ließen es die Steine zu, dass wir hier in der Ecke auf die Mauer hochkletterten, die oben grasbewachsen ist. Dann standen wir auf der Mauer, die nunmehr eher einem Wall entspricht. Ich war etwas enttäuscht, dass es hier nicht viel zu sehen gab außer dem runden Turm, das Wahrzeichen des Ortes und dem Haus, das ein Museum beherbergt. Es gibt noch zwei andere Gebäude und ein paar Blumenbeete.
Am richtigen Zugang zum Museum gibt es ein Zelt, an dem man den zwei jugendlichen Mädchen die Benutzung für die gegenüberliegenden Mobiltoiletten zahlt bzw. Souvenire kaufen kann, die es auch im Museum gibt. Ich frage mich nun, ob hier auch der Eintritt auf das Gelände zu zahlen ist, um das wir zufällig herum gekommen sind. Aber ich kann mich nicht erinnern, davon etwas gelesen zu haben. Es standen nur die Eintrittspreise für Individuen und Reisegruppen zum Museum auf dem Burggelände.
Es gab gerade eine kleine Führung für eine Gruppe spanischer Touristen. Das Museum ist klein, besteht aus zwei Räumen.
Der Eintritt in das Museum kostet...
für Russen: 10 Rubel,
für Ausländer: 50 Rubel
Im Museum gibt es Exponate aus der Zeit, als die Festung errichtet worden war und während der Eroberungskämpfe. Aber auch Exponate und Fotos aus der Verteidigung gegen Hitlerdeutschland sowie Kunsthandwerkliches wie Landschaftsbilder, auch auf Scheiben von Baumstämmen.
II. Park Otdycha (Park der Erholung), Ostrow Kamenisti
Von hier aus, der waldbewachsenen und am Wasserrand teilweise felsigen Insel, hat man einen schönen Blick auf den See Wyoksa. Vor allem aber ist auf der Westseite der Badestrand empfehlenswert. Sauberes Wasser, vorgelagerte Miniaturinseln, Sand. Ein ruhiger Ort. Aber auch hier gibt es wieder wilde Müllplätze, ein allgemeines Problem in und um St. Petersburg (wenn nicht überhaupt für bewohnte Gebiete in Russland).
III. Idyllisches Plätzchen an der Wyoksa
An der kleinen Fußgängerbrücke über die Wyoksa, von der Uliza Tschapajewa aus, östlich der Museumsinsel "Korela", wo die Wyoksa ein kleines Stück von Süden nach Norden fließt, ist es schön. Ein hübsches Fleckchen, ein beliebter Angelplatz, vom Boot aus, dass im Wasser verankert wurde (, denn die Strömung ist stark), von der Brücke aus oder vom Ufer aus. Es gibt große Felssteine, auf denen man sich sonnen kann. Oder man liest hier seinen Ferienroman. Auch hier sah ich Leute baden.
IV. Insel Konewets
1. Anreise aus Priosersk
Der Karte nach liegt die Insel geschätzte 30 Kilometer von Priosersk entfernt. Für eine Überfahrt mit dem Schiff muss man zu dem der Insel nächstgelegenen Dorf Wladimirskaja fahren. Da regelmäßige Busse nicht fahren, braucht macht etwas Glück, dass vom örtlichen PTK in Priosersk, der Garage für die Busse und LKW (auch Polizeiwagen sah ich dort stehen), ein Bus dorthin fährt, um eine Gruppe von Touristen nach Wladimirskaja hinzubringen oder von dort abzuholen. Oder man muss sich ein Taxi suchen. Oder man versucht zu trampen. Autofahrer, die anhalten, nehmen aber oft nur jemanden gegen Geld mit.
Fazit: Wenn man wenig Geld ausgeben will und auch nur wenig Zeit einplant, kann es sein, dass man es nicht auf die Insel (und noch am gleichen Tage zurück) schafft.
Denn auch für die Überfahrt mit einem Schiff braucht man etwas Glück als Individualreisender. Vorausgesetzt, das Wetter lässt die Überfahrt zu, so fahren doch nur ein paar Schiffe. Für den Touristen, der nicht zu einer Reisegruppe gehört, die mit Hilfe des Touristenbüros der Klosterbrüder anreist, sondern individuell, kann das eine mehrstündige Wartezeit an der Bootsanlegestelle bedeuten.
Das Schiff, das die Touristengruppe brachte und auf die unser Busfahrer nun wartete, war ein ausrangiertes Patrouille-Boot. Dort, wo früher ein Maschinengewehr installiert gewesen sein mag, gab es nun zwei Bänke, ohne Schutz vor Wind und Regen. Der Kapitän und sein Maat trugen Militäranzug.
Auf der Rücktour kamen wir mit einem alten Handelsklipper mit, dessen Planken schon sehr morsch waren. Es gab eine Menge Schrott und alte Kisten an Bord. Unglaublich, wieviele Touristen hier von Bord stiegen, als wir am Strand in der Hoffnung warteten, dass dieses Schiff und mit ans Festland nehmen werde, denn dasjenige, an dem uns erklärt worden ist, dass man vielleicht um 13 Uhr aufbrechen werde, fuhr doch nicht. Ich glaube, die Besatzung hatte ihren Rausch vom letzten Abend noch nicht ausgeschlafen. Wir hatten nämlich am Morgen bei unserer Ankunft zwei Männer auf dem Boot schlafen sehen.
Meine Freundin und ich waren nun auf diesem Schiff die einzigen Passagiere und genossen die Fahrt unter einem Himmel mit zu Rippen geformten Wolken, Wolken wie kleine Wellen.
2. Die Insel
Die Insel hat eine ungefähre Ausdehnung über 5 bis 6 km in etwa nord-südlicher Richtung und 2 bis 3 km in etwa ost-westlicher Richtung und ist überwiegend bewaldet. Das Kloster befindet sich im Südwesten. Der höchste Punkt ist 28 Meter hoch. An jener Stelle findet man auch einen Hof, der mir bewohnt zu sein schien. Ringsherum Wiesen und unterhalb des Hügels eine Weide. Geht man von hier noch ein Stückchen weiter in den Wald Richtung Norden, kommt man auf einen märchenhaften Pfad, der mich an die Wege im von mir geliebten Elbsandsteingebirge erinnert. Folgt man ihm, geht es überWurzeln "bergab" zu einer Kapelle im Wald, die auf einen großen Findling gebaut wurde.
Es gibt noch einige Kapellen verstreut auf der Insel. Geht man jedenfalls von hier aus noch weiter in Richtung auf das vom Kloster entfernteste Ende, kann man das auf einem Weg tun, der oberhalb des einige Meter hohen, kiefernbewachsenen Ufers entlang verläuft. Rechterhand der Wald ist aber recht undurchdringlich, dicht, feucht. Ich hatte vor, dieses Ende der Insel zu erreichen. Doch da wir an dem leeren Häuschen auf dem Fels unser Picknick gehalten hatten, mussten wir dann doch umkehren, denn gegen 13 Uhr sollte eventuell ein Schiff wieder zum Festland fahren, das wir nehmen wollten, um am Abend wieder in Petersburg zu sein. Wir hatten doch Sorgen, kein Boot mehr zu bekommen und auf der Insel (ohne angemeldet zu sein) übernachten zu müssen. Ich musste am Montag aber wieder zur Arbeit ins Reisebüro.
3. Männerkloster
Es war Sonntag und so konnte ich am späten Vormittag den festlichen Gottesdienst beobachten. In der Kirche befindet sich auch ein Souvenirgeschäft, in dem man von den Mönchen gefertigte Gürtel, Holzkämme, Postkarten, Bücher, Ketten und Anhänger und CDs u.a. kaufen kann.
Das Kloster ist 1393 von Arsenij Konewski gegründet worden.
Ich hatte gehört, Frauen werden nur mit Kopftuch und Kleid in das Kloster gelassen. Aber es gab auf dem Hof des Klosters eine Touristengruppe, in der sich auch zwei Frauen ohne Kopfbedeckung befanden.
Die Gebäude des Klosters sind ziemlich heruntergekommen. An einigen auf der Hofseite standen Baugerüste. [Nachtrag 25.07.2010: Jetzt erfahre ich, dass gerade zu jener Zeit im August eine Gruppe von deutschen Jugendlichen mit zwei Ausbildern aus Gera auf der Insel ein paar Tage lang bei der Renovierung des Klosters half, und zwar im Rahmen des EU-Projekts "Wiederaufbau des Klosters Konewets".]
Neben dem Kloster gibt es so etwas wie eine kleine Bauernwirtschaft. Traktoren und Pflüge für die Traktoren habe ich auch gesehen. Zu dem Haus, in dem Gäste des Klosters schlafen und essen, sind wir nicht gekommen. Es befindet sich nach einem Hinweis eines Klosterbruders, der an der Anlegestelle Kaffee, Tee und belegte Brote verkaufte, nicht weit rechterhand von der Anlegestelle. Übernachtungen sollten im Reisebüro der Klosterbrüder gebucht werden: St. Petersburg, Sagorodskaja Uliza 7, Tel.: (812) 311 71 94
Wenn man für ein paar Tage ungestört sein will, aber nicht ganz fernab jeglicher Zivilisation, kann man sich ja auf diese Insel zurückziehen. Die Mönche backen hier ihr Brot selbst. Man muss nicht fürchten, verhungern zu müssen oder von wilden Tieren angefallen zu werden.
[Ergänzung, 05.08.2019: Mitte Juli 2019 kam Präsident Wladimir Putin mit dem Präsidenten von Belarus Alexander Lukaschenko zu Besuch, direkt von der Insel Walaam, auf dem Weg weiter nach St. Petersburg. 2016 hatte er angeordnet, dass das Kloster auf Konewets Mittel zur Rekonstruktion erhält. Jetzt dürften die Bedingungen für Touristen sich gegenüber 2005, als ich die Insel besuchte, deutlich verbessert haben.
Quelle: Visiting Konevets Island, 17.07.2019, http://en.kremlin.ru/events/president/news/61011]
Wenn man Glück hat, braucht man als Individualreisender nichts für die Überfahrt mit dem Schiff zu bezahlen. Allerdings war ich auch mit einer jungen Russin unterwegs, die die Kommunikation mit den Kapitänen übernahm. Es sind verschiedene Boote unterwegs. Es gibt aber keinen Linienverkehr zwischen Wladimirskaja und Konewets. Jeder Kapitän scheint hier selbst zu entscheiden, wann er wohin fährt auf dem größten See Europas.
Wieder festen Boden unter den Füßen, kamen wir erst mal nur zu Fuß weiter. Wir hatten noch ein paar Stunden Zeit und eine Landkarte. Und so wanderten wir los, schauten uns die paar Häuser in Wladimirowka an und kamen bald auf eine Schotterpiste.
Wir hatten nur Angst, es könnte bald ein Gewitter geben, denn am Himmel quollen Schleierwolken auf; ein schwach lilagrau blendender Schleier. In einem anderen Dorf, ein paar Stunden später, hielt doch ein Ehepaar im Lada an und nahm uns mit zum nächsten Bahnhof in einem Dorf, von wo aus wir am frühen Abend wieder nach Pieter zurückfuhren, mit dem vorletzten Zug aus Priosersk.
Ob wir es zum letzten Zug zu Fuß rechtzeitig geschafft hätten ... wahrscheinlich nicht.
16.08.2005.
***
Dieser Ausflug ist ein Beispiel für einen glücklichen Ausgang eines spontanen Ausflugs. Für unseren Wagemut sind wir mit einigen interessanten Entdeckungen belohnt worden.