
Agenturvertrag zwischen deutschem und russischem / ukrainischem Reisebüro
3.2. Beispiele für weitere einseitige Klauseln oder Verhaltensweisen
3.2.1. Der Partner will, dass ich als ausländischer Partner allein die Bankgebühren für Überweisungen tragen soll. Ich hatte sogar einen Vertrag, in dem es hieß, dass das Geld, welches ich von deutschen Kunden auf Leistungen vom Partner erhalte, gleich ihm gehört. Wenn ich aber schon das Geld für meine ausländischen Partner einziehe, dann trage ich doch nicht auch noch die Überweisungskosten. Diese sind tatsächlich Spesen.
Ansonsten aber ist es fair, wenn jede Seite die Gebühren der eigenen Bank selbst trägt. Jede Seite sollte zur Kostenminimierung verpflichtet sein, jede in ihrem Organisationskreis. Dann muss sich der Partner eben eine Bank aussuchen, die ihm nicht für aus dem Ausland überwiesenes Geld hohe Gebühren in Rechnung stellt.
3.2.2. Der russische/ukrainische Partner möchte, dass das Geld auf seine Reisedienstleistungen sofort nach Zusendung seiner Rechnung fällig wird und möglichst binnen drei Tagen auf seinem Konto erscheint.
Das russische Reisebüro weiß nicht, wie die Rechnung aussehen muss, damit sie ohne Nachteile vom Finanzamt des deutschen Partners anerkannt wird. Hier muss ich ebenfalls darauf hinwirken, wie eine Rechnung auszusehen hat. Ohne eine ordnungsgemäße Rechnung möchte ich ein Zurückbehaltungsrecht ausüben, anderenfalls könnte ich aufgrund von Forderungen des Finanzamts Vermögensschäden erleiden, deren Ursache in eben der falschen Rechnung begründet liegen.
Selbst wenn ich sofort nach dem Erhalten der (richtigen) Rechnung das Geld überweisen würde, wäre es sehr optimistisch, anzunehmen, dass das Geld binnen drei Tagen schon auf dem Konto des Partners ankommt. Es mag solche Zahlungsmittel geben, bei denen drei Tage in der Regel reichen. Kreditkarten (erfahrungsgemäß binnen 24 Stunden). Aber sind nur diese zwischen meinem Partner und mir vereinbart? Und man muss auch Ausnahmen mit einkalkulieren. Außerdem ist es aber eine zu hohe Anforderung, von mir zu erwarten, es wäre das Wichtigste, sofort die Geldüberweisung anzustoßen und ich wäre auch immer gleich für meinen Partner verfügbar und es gäbe keine wichtigeren Geschäfte in meinem Geschäftsalltag.
3.2.3. Der Vorschlag, für die Bezahlung einen Treuhandservice einzusetzen, wird rundweg abgelehnt.
3.3. Weitere Klauseln, die man zu eigenen Gunsten versuchen kann zu ändern
Gerichtsstand
Bei der Erstellung meines Vertragstextes in Zusammenarbeit mit einer deutschen Rechtsanwältin, die sich auf russisches Recht spezialisiert hat, hat sie mir empfohlen, dass Rechtsstreite vor einem Schiedsgericht ausgetragen werden sollten, aus mehreren Gründen. Und so steht in meinem Vertrag ein Schiedsgericht in Moskau drin. Der (potentielle) Vertragspartner hat in seinem Vertrag vielleicht ein Gericht an seinem Sitz, und auch kein Schiedsgericht.
Zum Gerichtsstand empfahl mir mein russischer Freund und Kollege in Moskau, nicht den Gerichtsstand des potentiellen Partners zu akzeptieren. Begründung: Vermeidung des Risikos, dass der Richter vor Ort von meinem Partner bestochen werden könnte, dass er zu seinen Gunsten entscheidet.
Aber wie bringe ich das dem Partner bei? Ich hatte diese Begründung einmal in Verhandlungen angeführt. Der potentielle Partner war beleidigt. Nein, das russische Gerichtssystem arbeitet sehr gut. Es gibt nur diese arg negative Berichterstattung von Journalisten im Westen. Er hat bereits Verträge mit mehreren ausländischen Reisebüros (unausgesprochen, ob diese seinen Vertragstext so akzeptiert haben; vermutlich jedenfalls die Gerichtsstandsklausel). - Bekanntes Argument: nebulöser Verweis auf andere Autoritäten (, die entsprechende Bedenken nicht haben). Darin schwingt der Vorwurf mit, ich misstraue seiner Rechtschaffenheit (und natürlich auch der Rechtschaffenheit der russischen Gerichtsbarkeit, der er als Jurist beruflich sehr nahe steht).
Hier droht nun die Verhandlung um den Vertrag politisch zu werden. Gefährlich!
Nach dieser Reaktion der Empörung, die sehr schnell erfolgte, wurde auf meinen anderen Vorschläge und Bedenken kaum eingegangen. Vielleicht, um eine Entschuldigung abzuwarten.
Das Gericht jenes Partners war zudem kein Schiedsgericht. Insoweit war er dann bereit, zunächst ein Schiedsgericht im Falle des Streits entscheiden zu lassen, aber an seinem Firmensitz.
4. Weitere Reibungsstellen
4.1. Qualitätskontrolle
Als Reisevermittler möchte ich den Kunden eine hohe Qualität der verkauften Leistungen bieten. Daher habe ich ein Interesse daran, Einfluss darauf ausüben zu können, dass mein Partner Qualität abliefert. Deswegen brauche ich auch Sanktionen, Vertragsstrafen. Der Partner mag diese nicht. Um so weniger kann er daran ein Interesse haben, als er selbst auf fremde Leistungsträger angewiesen ist.
Wenn ich also die Gestaltung des Produkts den Partnern allein überlasse, begebe ich mich der Möglichkeit, meinen Kunden Qualität zu garantieren. Ein Partner, der mir kein Mitspracherecht bei der Gestaltung des Produkts bzw. der Qualitätssicherung einräumt, sondern nur einfach auf Masse verkaufen will, ist kein guter Partner für mich.
Wann merkt man das im Verhandlungsprozess? Je früher man das merkt, desto besser. Qualitätsorientierung fängt für den Reisevermittler bei der Auswahl seiner DMCs an. Und die dauert in der Regel lange. Man kann natürlich auch Glück haben. Jedenfalls nimmt sie viel Zeit in Anspruch. Messebesuche, Verhandlungen um den Agenturvertrag, Einschaltung eines Rechtsanwalts/einer Kanzlei, Übersetzungsarbeit, Teilnahme an Reisen des Partners, Promotionsreisen (auch: PEP-Reisen).
Da, wo der Leistungsträger quasi ein Monopol hat, kann ich keinen Einfluss auf die Qualität ausüben. Hier gilt einfach:
Friss oder stirb!
Und hier liegt ein Grund dafür, dass osteuropäische Beförderungsunternehmen, die Buslinien nach Deutschland unterhalten, meistens nur von russischen Reisebüros in Deutschland angeboten werden, aber nur wenig von deutschen (Deutsche, die hier aufgewachsen sind, mit deutscher Muttersprache; nicht vom Status her, der im Reisepass steht.). Deren Klientel besteht überwiegend aus Spätaussiedlern oder Staatsbürgern der osteuropäischen Lander. Diese Personengruppen fragen nach den Bustickets, haben häufig viel Gepäck, deren Beförderung im Flugzeug teuer wäre. Und diese Reisebüros nehmen die nachteiligen Verträge in Kauf. Und aufgrund dieser Monopolsituation fehlt ein ausreichender Druck auf die Beförderer, die Qualität der Busbeförderungen zu verbessern. Man bemüht sich von seiten der osteuropäischen Busbeförderer gar nicht mehr ernsthaft, auch deutsche Kunden zu gewinnen, sie also den Fluggesellschaften abspenstig zu machen. Ein deutsches Reisebüro kann sich anhören: "Wir haben schon hunderte Reiseagenturen. Sie sind der Erste, der nörgelt. Für Sie ändern wir nicht unseren Agenturvertrag."
4.2. Interkulturelle Unterschiede
Die interkulturellen Unterschiede. Ein Kapitel für sich. Es gibt in Berlin zahlreiche Berater(innen, meistens Frauen), die dazu Ihre Dienstleistungen, Vorträge und Business-Lunchs anbieten. Es ist wichtig, sich mit Usancen und Traditionen und Eigenheiten in Russland, der Ukraine oder in Litauen vertraut zu machen. Ich habe viele Erfahrungen mit interkulturellen Aspekten gesammelt. Doch immer noch kann ich mich mit einigen Eigenarten nicht anfreunden. Man muss ja nicht alles akzeptieren. Nehmen wir das Beispiel Brautraub in Kirgisien. Da werden Mädchen geraubt und am gleichen Tag verheiratet und ihnen damit ihre eigenen Pläne (z.B. Studium) von heute auf morgen genommen. Ich kann natürlich sagen: Solche Männer, die das befürworten, möchte ich nicht als Vertragspartner für Kirgisien haben. Dann muss man das Kirgisien-Geschäft eben anderen deutschen Reisebüros überlassen.
Tendenziell lässt sich sagen, dass interkulturelle Unterschiede zu jungen studierten Russen, die schon öfter oder länger mal in Westeuropa oder in den USA waren, geringer sind, weil diese sich während ihrer Reisen/Auslandsaufenthalte die westlichen Werte zu einem gewissen Grad zu eigen machen und dementsprechend auch ihr Leben in Russland so einrichten wollen. Darunter sind auch jene, die an russischen Universitäten die Korruption ertragen mussten und die Vetterwirtschaft ablehnen und frustriert sind von der Inkompetenz vieler Universitäts-Dozenten und Ausbilder.
Es ist gut, wenn man soviel Intuition hat, zu spüren, woran es liegt, dass ein Partner mit einer Antwort zögert, weshalb er auf bestimmte Vorschläge nicht eingehen will. Wenn man erahnen kann, wo die Ursachen im Stocken des Verhandlungsprozesses in den abweichenden kulturellen Vorstellungen liegen. Darüber dann zu sprechen ist freilich schwierig. Das wird vielen dann zu persönlich. Die Gefahr, zu verletzten, ist ziemlich hoch. Mit der Äußerung von Mutmaßungen soll man sich zurückhalten, erst recht mit Rückbezügen auf Geschichtsereignisse, als Argumente.
4.3. Kommunikationsdefizite
Es kam in den Punkten zuvor schon an verschiedenen Stellen zum Vorschein - Kommunikationsmängel. Dazu fand ich in der Wochenzeitung "Russland heute" vom 4. April 2012 auf Seite 5 einen passenden Hinweis im Artikel "Frau sucht Wirtschaft ohne Politik". Da wird beschrieben, was Irina Chakamada jetzt macht. Früher Opositionspolitikerin, heute Kommunikationstrainerin für Manager. Sie meint:
"80 Prozent des Erfolgs macht die Kommunikation aus, und gerade bei den Verhandlungen scheitern viele russische Unternehmer. Sie sind einfach nur unfähig zu kommunizieren."
Dazu meint der Artikelschreiber Wladimir Ruwinski, sie müsse es wohl wissen, denn sie sei promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin, die 1997 Chefin des Staatskomitees zur Förderung kleiner Unternehmen wurde. Sie meint, Frauen hätten in Vertragsverhandlungen Vorteile, u.a. deswegen, weil sie sich schneller in ihr Gegenüber versetzen können.
Das ist es ja, was ich in diesem Artikel bemängele: Defizite des russischen Verhandlungspartners, sich in seinen deutschen Partner hineinzuversetzen, Rücksichtslosigkeit. Das Spiel mit Macht, Warten, nicht antworten in angemessener Zeit, weil er glaubt, die Zeit spiele für ihm in die Hände.
Arroganz und Unflexibilität im Denken beobachte ich tendenziell bei älteren Geschäftsführern und eher von solchen aus Moskau und St. Petersburg als von solchen in der Region.
Wenn Sie schneller voran kommen wollen in Verhandlungen, dann schauen Sie, wo sie schon keinen Einblick in die Interna haben, dass Sie mit einer Frau verhandeln bzw. mit jüngeren Managern!
5. Vertragspartner-Informationen aus dem Register einholen
Wie stabil ist das Partnerunternehmen? Bevor ich Geld in die Hand nehme und auch Reisen plane, kann ich mir Auskünfte aus dem Reiseveranstalter-Register holen. Dazu sollte man wissen, was das ist, welchen Zweck es erfüllt, in welcher Weise es aktualisiert wird und so weiter.
Hierzu habe ich einen Artikel geschrieben, in dem ich das betreffende Gesetz, dass dies regelt, teilweise übersetzt habe.
Den Extrakt dieser Erfahrungen gebe ich in einem extra Posting als Checkliste wider.
Literaturtipps:
Jörg Soller (Herausgeber) - Erfolgsfaktor Kooperation im Tourismus. Wettbewerbsvorteile durch effektives Stakeholdermanagmenet. Erich Schmidt Verlag 2012
Verwandte Links:
- Nur Bares ist Wahres
- Russian Tourism Roadshow in Berlin - Suche nach Partnerschaften
- Haftung des russischen Reiseveranstalters für späte Zahlung an Leistungsträger bei Kursschwankungen
- Haftung für Verletzung von Informationspflichten bei Vertragsanbahnung und Ersatz von immateriellen Schäden (russisches Zivilrecht)
- http://reestr.russiatourism.ru/
- Tonner und Schulz: Die Haftung des Reisebüros, Besprechung der BGH-Entscheidung vom 25.04.2006 zur Pauschalreiserichtlinie
- Ator - Russischer Reiseveranstalter-Verband