
Das Russsische Visumzentrum ist eine Reaktion auf kommerzielle Visumerteilungszentren in Russland für deutsche Konsulate
a) Russen haben keine europarechtlichen Grundrechte, denn Russland ist kein EU-Mitglied. Es gibt aber das europäische Gericht für Menschenrechte, das auch Verstöße in Russland gegen Menschenrechte ahnden und Russland bestrafen kann, da Russland die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) unterzeichnet hat. Das ist aber kein Gericht der europäischen Union, sondern seine Zuständigkeit geht über das Gebiet der EU hinaus. Zu den Menschenrechten zählen aber nicht Rechte, in ein Land der eigenen Wahl einreisen zu dürfen. Aber zu greifen wäre das Problem vielleicht doch schon mit dem Recht auf Gleichbehandlung (als Grundrecht in der deutschen Verfassung in Artikel 3 Grundgesetz verankert).
Aber jetzt wird das Abkommen zur Erleichterung der Erlangung von Visa interessant. Damit könnten ja russischen Bürgern Rechte oder grundrechtsähnliche Rechte gegenseitig eingeräumt worden sein. (Haben Sie sich das Abkommen schon mal angesehen?). Ist das vorstellbar? Was wäre die Konsequenz?
Dann hätte das Abkommen unmittelbare Wirkungen derart, dass Deutsche gegen Russland allgemein Anspruch auf Einreise nach Russland haben und Russen Anspruch auf Einreise in die EU.
Das Abkommen besteht aber nur zwischen Völkerrechtssubjekten. Und es enthält keine Sanktionen im Falle der Nichteinhaltung des Abkommens. Es ist damit nur eine Goodwill-Erklärung (oder/und ein Vorvertrag).
Also können russische Bürger keine rechtlichen Schritte dagegen unternehmen, dass Deutschland für sie eine Pflicht eingeführt hat, sich für die Visumbeantragung einen Termin (telefonisch von der Firma Teleperformance Russia, bei einer Gebühr von derzeit 230 Rubel für die erste Minute [= etwa 5,75 € = Wucherpreis], danach 115 Rubel für jede weitere Minute) zu holen und sich dazu in einem bestimmten Gebäude einzufinden, in dem sich mit ihrem Antrag eine privatwirtschaftlich betriebene Firma beschäftigt, deren Dienst sie bezahlen müssen. Solche Antragsteller benötigen zur Bezahlung der Terminsvereinbarung eine Kreditkarte. Die Kreditkarte ist eine weitere Barriere, den Besuch von Russen in Deutschland zu erschweren. Und so haben Deutsche, fürchte ich, keine rechtliche Handhabe gegenüber Russland, wenn Russland sich zur Visumantragsbearbeitung der privatwirtschaftlich geführten Visumzentrale in Gestalt der Visahandling Service GmbH bedient.
Ein Staats- und Völkerrechtler sollte dies einmal gutachterlich untersuchen, ob man tatsächlich keine rechtliche Handhabe hat. Aber es erscheint in einer bipolaren/multipolaren Welt mit souveränen Ländern logisch, dass Deutsche keine Ansprüche gegen den russischen Staat haben, wenn es um die Organisation der Kontrolle der Einreise von Ausländern geht.
b) Wie sieht es auf der anderen Seite aus?
Hier gibt es ein Gesetz "Über den Rechtsstatus ausländischer Bürger in der Russischen Föderation", das russische Ausländergesetz. Darin könnten, spekulieren wir zunächst, bevor wir dort hineinsehen, die Abkommen mit Deutschland (siehe oben) und mit der Europäischen Gemeinschaft eingeflossen sein (per Ratifizierung über Gesetz), so dass eben Rechte auf Visaerteilung hieraus abgeleitet werden könnten.
Gibt das Gesetz so etwas her?
Nein.
Artikel 5 des russischen Ausländergesetzes regelt den zeitweiligen Aufenthalt von Ausländern, Artikel 6 den zeitweiligen Wohnsitz und Artikel 7 den ständigen Wohnsitz von Ausländern. Beim Visum handelt es sich um ein Recht auf zeitweiligen Aufenthalt. Das Recht besteht auf Grundlage eines Visums, dass die zuständige Innenbehörde nach Ermessen ausstellt. Es besteht hier aber kein Anspruch auf Ausstellung des Visums.
Mich würde interessieren, ob es in Russland schon mal Gerichtsverfahren gegeben hat, in denen Ausländer auf Ausstellung eines russischen Visums geklagt haben mit der Behauptung, die russische zuständige Behörde hätte ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt (Ermessensfehlgebrauch oder Ermessensnichtgebrauch).
- Das recherchiere ich jetzt nicht.
Interessenvertreter gesucht
Das Ganze wird wohl kaum ein Reisebüro weiter ernsthaft interessieren, wenn der Inhaber nicht ausgerechnet der Linken angehört, die der Bundesregierung Anfragen gestellt hat, wie die Visumersteilung in Russland denn konkret aussieht. Völkerrechtler und Ausländerrechtler mögen das interessant finden und den Fragen nachgehen. Für mich ist an dem Fall interessant, wie Russland hier agiert und es ist ein Beispiel für Winkel, in die die parlamentarische Demokratie kaum (Ich muss mich korrigieren, nachdem ich jetzt noch die oben erwähnten Anfragen der Linken aus diesem Jahr gefunden habe) hinein leuchtet.
Wer könnte die Interessen von Ausländern wahrnehmen, deren Anträge auf Visumerteilung abgelehnt wurden und diese Änderungen gerichtlich überprüfen lassen? Das müsste ein Subjekt sein, das im Hinblick auf den bilateralen Vertrag, der mit Russland geschlossen worden ist, antragsbefugt ist, (jedenfalls wenn es keine gesetzliche Umsetzung dieses Vertrags in deutsches Recht gegeben hat).
Und die Frage ist weiter, welches Verfahren eine solche Überprüfung erlaubt? Da es hier um einen Vertrag zwischen der Europäischen Union und Russland geht, geht es um Völkerrecht bzw. Europarecht. Demzufolge müsste vielleicht der Europäische Gerichtshof prüfen, vorausgesetzt es gibt ein Verfahren, diese Frage prüfen zu lassen. Aus dem Abkommen sind wohl keine individuellen Rechte der europäischen Bürger vergleichbar mit Rechten bei EU-Richtlinien mit individueller unmittelbarer Grundrechtsbetroffenheit ableitbar. Problematisch ist auch, dass man als betroffener deutscher Tourist nicht die Rechtsakte in Russland zur Änderung des Visumerteilungsverfahren mit Installation der Visumzentrale und Erhebung einer zweiten Visumgebühr (, durch das Visumzentrum für seine Tätigkeit direkt gegenüber dem Visumantragsteller) wird anfechten können. Und umgekehrt genauso.
Da bzw. soweit es hier aber um die Auslagerung hoheitlicher Aufgaben auf ein privatwirtschaftlich organisiertes Subjekt geht, könnte die Regierung bzw. das Außenministerium seine Befugnisse überschritten haben damit, dass es diese Maßnahmen ohne ohne staatliche Kompetenz dazu ausgearbeitet und verwirklicht hat. Es könnte sein, dass diese Privatisierung eines Beschlusses des Deutschen Bundestags bedurft hätte. Insofern, wenn das zuträfe, ließe sich die Einführung der (für Deutschland handelnden) Antragszentrale in Moskau vielleicht vor dem Bundesverfassungsgericht im Rahmen einer Organklage überprüfen. Das Bundesverfassungsgericht könnte im Rahmen von Artikel 93 Abs. 1 Nr 1 Grundgesetz entscheiden.
Nach Artikel 93 Abs. 1 Nr. 1 GG entscheidet das Bundesverfassungsgericht "über die Auslegung dieses Grundgesetzes aus Anlass von Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten eines obersten Bundesorgans über den Umfang oder anderer Beteiligter, die durch dieses Grundgesetz oder in der Geschäftsordnung eines oberseten Bundesorgans mit eigenen Rechten ausgestattet sind."
Dass aber eine Partei oder ein Bundesland ihre/seine Rechte dadurch beeinträchtigt sieht, dass Deutschland die Visabeschaffung für Russen teurer macht, ist unwahrscheinlich. Die Parteien, die jetzt nicht an der Regierung beteiligt sind, haben ganz andere Probleme.
Ich sehe momentan kein Subjekt, das sich hier dafür einsetzen würde, den Verstoß gegen das Visaerleichterungsabkommen aufzugreifen. Den russischen Touristen und den deutschen Touristen fehlt hier die Lobby. Ich denke, das Problem der Verteuerung der Visa ist zu klein, betrifft zuwenige, als dass touristische Verbände hiergegen protestieren würden, quasi im Interesse der Russlandreisebüros und Russlandveranstalter, deren Reisen um 25,00 Euro teurer werden.
[Nachtrag 19.5.2013: Es hat inzwischen doch eine Protestnote gegeben, von der Vereinigung von Reiseveranstaltern in Kaliningrad.]
Bevor ich auf die Innenperspektive zu sprechen komme, möchte ich aber darauf hinweisen, dass es doch Unterschiede zwischen deutscher und russischer Visumzentrale gibt:
Exkurs
Unterschiede der deutschen und der russischen Visumzentrale
1. Größenverhältnisse
a) Russland hat in Deutschland schon seit längerem sechs Konsulate bei einer Bevölkerung von etwa 81 Millionen Einwohnern: in
- Berlin,
- Leipzig,
- Bonn,
- Hamburg,
- Frankfurt am Main,
- München.
Darüber hinaus hat Russland in Deutschland Honorarkonsulate in Düsseldorf, Stuttgart, Nürnberg. An diesen werden keine Touristenvisa ausgestellt.
b) Deutschland hat bisher in Russland fünf Generalkonsulate, die das Visumgeschäft betreiben: in
- Moskau,
- St. Petersburg,
- Jekaterinburg,
- Nowosibirsk und
- Kaliningrad (seit April 2007)
... bei einer Bevölkerung in Russland von etwa 141 Millionen Einwohnern und einer viel größeren Fläche. Die Generalkonsulate in Jekaterinburg, Nowosibirsk und Kaliningrad existieren noch nicht lange. Lange Zeit gab es nur zwei Generalkonsulate. Das dritte wurde dann Nowosibirsk.
Darüber hinaus gibt es deutsche Honorarkonsulate in Omsk, Engels, Krasnodar.
2. [...Next] Related Links:
- Ab Januar 2013 elektronische Visumbearbeitung des russischen Konsulats!
- Russisches Visum, Teil 1 - Übersicht über Arten des Visums
- Visumerleichterungsabkommen EU - Russland
- http://europa.eu/rapid/press-release_IP-05-1263_de.htm
- Antwort der Deutschen Bundesregierung am 14.08.2012 auf kleine Anfrage zur Überlastung deutscher Konsulate bei Visumerteilung
- Verordnung EG Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft (Visakodex)
- Stellungnahmen der deutschen Parteien zu Visumerleichterungen (insbesondere auch im Hinblick auf Russland)
- Ab Januar 2013 elektronische Visumbearbeitung des russischen Konsulats!
- Russisches Visum, Teil 1 - Übersicht über Arten des Visums
- Visumerleichterungsabkommen EU - Russland
- http://europa.eu/rapid/press-release_IP-05-1263_de.htm
- Antwort der Deutschen Bundesregierung am 14.08.2012 auf kleine Anfrage zur Überlastung deutscher Konsulate bei Visumerteilung
- Verordnung EG Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft (Visakodex)
- Stellungnahmen der deutschen Parteien zu Visumerleichterungen (insbesondere auch im Hinblick auf Russland)