
Das Russsische Visumzentrum ist eine Reaktion auf kommerzielle Visumerteilungszentren in Russland für deutsche Konsulate
a) Viele russische Bürger haben bisher einen riesigen Weg bis ins deutsche Konsulat zurückzulegen, sogar zweimal, Antrag und Abholung. Diesen Wegen konnten sich bisher viele auch nicht entziehen, weil sie persönlich im Konsulat erscheinen mussten. Konsulatsmitarbeiter wollten sich einen unmittelbaren persönlichen Eindruck von Antragstellern verschaffen und sie interviewen; Belastungsproben für deren wahre Motivation für die Reise. Dadurch sind ihnen hohe Kosten entstanden und sie mussten auch noch Urlaub nehmen für diese Besuche des Konsulats. Mit der Einführung der Antragszentren in Russland werden die Wege für viele Russen sehr viel kürzer und damit günstiger, weil solche Zentren neben den Städten Nischni Nowgorod, Jekaterinburg und Kaliningrad, an denen sich Generalkonsulate befinden, auch in Städten eröffnet werden, an denen sich keine deutschen Generalkonsulate befinden. Dazu gehören laut der Ausschreibung Deutschlands:
- Rostow am Don
- Krasnodar
- Kasan
- Saratow (in Nachbarstadt Engels gibt es ein Honorarkonsulat).
Deutschland liebäugelt auch noch mit der Einrichtung von Antragszentren in Uljanowsk (Wolgagebiet), Irkutsk (Baikalregion) und Wladiwostok (ferner Osten).
Deutschland hat durch die Eröffnung der Visazentren eine riesige Entlastung. In der Auschreibung für die Konzessionserteilung werden Zahlen aus den Regionen genannt. Im Jahre 2010 sind an Visaanträgen in den Städten bearbeitet worden:
Moskau: 232.846 Anträge für Schengenvisa
Jakaterinburg: 33.721 Anträge
Nowosibirsk: 39.342 Anträge.
Demgegenüber sind im Zeitraum Januar bis August 2011 laut deutscher Botschaft in Moskau die Antragszahlen um 11 Prozent angewachsen.
Viele der russischen Antragsteller haben daher finanziell und zeitlich einen Vorteil durch die Einführung der Antragszentren in den Regionen. die Service-Gebühr der Visumantragsannahmestelle darf höchstens 30 Euro betragen. Welcher Betrag es tatsächlich wird, werden wir noch sehen. In Deutschland sind es mit der Einführung 25 Euro. Praktisch wird diese Obergrenze aber durch hohe Gebühren bei der Terminsverschaffung umgangen. Es gibt Wucherpreise bei den Telefonaten (siehe oben).
Es spricht also vieles dafür, dass Deutschland seine Visaantragszentren eingeführt hat, um sein Abkommen mit Russland einzuhalten. Danach sind nämlich Visumanträge binnen 10 Tagen zu bearbeiten (Artikel 7). Da die Konsulate überlastet sind und keine Konsulate mehr eröffnet werden sollten, hat man sich ausgedacht, sich mithilfe privatwirtschaftlich betriebener Antragsstellen, die man nicht bezahlt, zu entlasten. Man gibt ihnen eine Konzession und setzt eine Preisobergrenze für den Preis pro Visumbearbeitung (oder meinetwegen: Visumbearbeitungs-"Vorbereitung").
Und nun zu Deutschland:
b) Für Deutsche stellt sich die Situation anders dar. Die Visumzentren wurden in genau den Städten eröffnet, an denen sich schon die russischen Generalkonsulate befinden. Daher entfallen im Wesentlichen kürzere Wege und damit finanzielle und zeitliche Einsparungen ähnlich der für viele Russen. Nur für solche deutschen Antragssteller, die in der Stadt oder in der Nähe wohnen und erst am Nachmittag erscheinen können, gibt es Verbesserungen. Denn um einen Antrag im Konsulat abgeben zu können, musste man bis um 12.00 Uhr dort sein und eingelassen werden. Aber die meisten deutschen Touristen (die keine Spätaussiedler sind) lassen sich Ihre Visa von Spezialisten beschaffen, dadurch haben sie keinen Vorteil, denn diese Visumzentren machen das, was diese Spezialisten auch machen. Sie tun dies aber auf Weisung der Konsulate, während die Russlandreisebüros frei als Boten ihrer Kunden arbeiten.
3. Pflicht zur Terminsvereinbarung
Für Russen besteht eine Pflicht, sich einen Termin zu beschaffen. Das geht nur bei dem Unternehmen Teleperformance Russia und bezahlen muss man mit Kreditkarte. Viele Russen verfügen nicht über eine Kreditkarte, so dass sie spezielle Unternehmen einschalten müssen.
Für deutsche gibt es die Möglichkeit, einen Termin im Visumzentrum zu vereinbaren. Das geht auch ohne Anruf über die Website der Visahandling Service GmbH. Man kann auch ohne vereinbarten Termin kommen und den Antrag abgeben. Bezahlen kann man auch anders als mit Kreditkarte. Hier haben russische Visumantragsteller einen erheblichen Nachteil gegenüber deutschen.
4. Abnahme biometrischer Merkmale
Vielleicht haben Sie es aus den Medien mitbekommen in den letzten Tagen?! Europa fürchtet sich vor Russlands Mafia (, die man auch unter Staatsbediensteten vermutet, für die Russland Visafreiheit wünscht) und Wirtschaftsspione und verlangt von Russland erst einmal Reisepässe mit biometrischen Merkmalen, bevor ernsthaft über Visaerleichterungen geredet wird. Aber hier geht Deutschland sogar in die Offensive und verlangt ab Januar 2012 von russischen Antragstellern Fingerabdrücke! - Nachteil für russsische Antragsteller gegenüber deutschen.
[Nachtrag 19.10.2018: 3 Jahre später nur lässt Bundeskanzlerin Merkel Hundertausende Migranten aus Afrika und den Nahen Osten unkontrolliert ins Land einströmen. Was für eine Entwicklung. Das Argument mit der Angst vor der Mafia ist damit hinfällig. Schutz vor Kriminellen und sogar Terroristen zieht jetzt nicht mehr als Argument, wo die Grenzpolizei angewiesen wurde, die Migranten nicht aufzuhalten und die Grenze nicht (mehr) zu schützen. Dennoch änderte die deutsche Regierung nicht ihre Visumpolitik gegenüber Russland. Vergewaltigungen, Morde und Körperverletzungen insbesondere durch Messer sind inzwischen Alltag geworden Merkels Politik hat die Schutzbedürfnisse der deutschen Bevölkerung eklatant missachtet und es wird offenbar, dass es andere Motive gibt, Russen die Einreise zu erschweren. Selbst dem Nicht-EU-Mitglied Ukraine, dem Armenhaus Europas, wurden inzwischen Möglichkeiten geschaffen, erleichtert nach Deutschland zu kommen. Dabei ist hier das Problem von Mafia und Bandentum viel gravierender. - Als hätte es nicht unter Joschka Fischer als Außenminister den Visumskandal in Kiew gegeben.]
5. Hat es eine rechtmäßig durchgeführte Ausschreibung gegeben?
Fraglich ist, ob es eine Ausschreibung für die russische Visumzentrale gegeben hat, wo diese staatliche Aufgaben ein Unternehmen in einer für es geschaffenen Monopolstellung ausführt (Das ist eine erste These, der wir weiter unten noch weiter auf den Grund gehen). Das dürfte zu verneinen sein, da ja gerade zielgerichtet die Visahandling Service GmbH gegründet worden ist, um die russischen Konsulate zu entlasten.
Auf der Website der deutschen Vertretungen in Russland in der rechten Seitenleiste dagegen wird das Thema Ausschreibung in einer Bekanntmachung vom 27.11.2012 angesprochen. Danach sei eine Ausschreibung nach EG-Vergaberechtsnormen zum Erlangen der staatlichen Konzession zum Führen der Visageschäfte nicht erforderlich gewesen, d.h. ein offenes Vergabeverfahren sei nicht notwendig gewesen.
Quelle: http://www.germania.diplo.de/contentblob/3751330/Daten/2891883/bekanntmachungvergabe.pdf
Die Normen, die die Pflicht zur Einhaltung des Ausschreibungsverfahrens ausschließen, sind in jener Bekanntmachung leider nicht erwähnt. Die Prüfung der Rechtmäßigkeit würde erleichtert sein, wenn man diese gleich genannt hätte. Soweit möchte ich heute nicht gehen, diese Prüfung durchzuführen, aber meinen Gedankengang darlegen, warum ich, meiner Intuition folgend, diese Neuerungen (Beteiligung privatwirtschaftlich organisierter Unternehmen am Visumerteilungsverfahren) durch beide Seiten, Russland und Deutschland, für rechtlich zweifelhaft halte.
Eine rechtliche Erklärung des deutschen Konsulats bzw. Auswärtigen Amtes fehlt also. Es liegt lediglich eine Rechtsbehauptung vor: Eine Ausschreibung sei nicht notwendig gewesen.
Wie gesagt: Es fehlt die Lobby dafür, die deutsche Regierung hier zu kontrollieren. Diese Leute halten sich selbst nicht an Recht und widersprechen ihren eigenen Argumenten.
5.2. Innenperspektive
Rechtsfragen zu den Änderungen im Hinblick auf die Visaerleichterungsabkommen
5.2.1. Verfassungsrechtliche Bedenken
Was die Aufgabenzuständigkeit innerhalb Deutschlands betrifft, heißt es in Artikel 73 Grundgesetz:
"Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über Nr. 1 die auswärtigen Angelegenheiten ..."
Die Einrichtung des Antragszentrums unterliegt möglicherweise der Bundesgesetzgebung. Dann müsste die Einrichtung des Antragszentrums in Moskau vom Deutschen Bundestag beschlossen worden sein.
Man erinnere sich. Wegen der Korruptionsskandale an deutschen Konsulaten in Kiew und Moskau ist ein Bundestags-Untersuchungsausschuss eingerichtet worden. Änderungen im Visumerteilungsverfahren sind eine Materie, die der Entscheidung des Bundestags unterliegt. Und die Frage ist, welche Bundestagsentscheidung liegt der Übertragung von Aufgaben bei der Visumerteilung an ein Antragszentrum (bzw. die verschiedenen Antragszentren) zugrunde?
Fehlt eine solche Entscheidung, könnte die Einrichtung des Antragszentrums verfassungsrechtswidrig sein. Parallel dürfte gelten, dass die Einrichtung der russischen Visumzentrale trotz Billigung des russischen Präsidenten verfassungsrechtswidrig sein könnte, wenn die Duma über die Privatisierung dieser hoheitlichen Aufgaben der Visumerteilung nicht entschieden hat.
Wie gesagt: Deutsche können eine Prüfung der Einhaltung der russischen Verfassung wohl kaum anstoßen und Russen nicht eine Prüfung der Verfassungsmäßigkeit in Deutschland.
Ich betone noch einmal:
Das waren keine Ergebnisse einer juristisch-akademischen Prüfung. Es sollten einige Rechtsprobleme gezeigt werden. Zur Prüfung müsste man nach den erwähnten Vereinbarungen zwischen der [...Next]
Related Links:
- Ab Januar 2013 elektronische Visumbearbeitung des russischen Konsulats!
- Russisches Visum, Teil 1 - Übersicht über Arten des Visums
- Visumerleichterungsabkommen EU - Russland
- http://europa.eu/rapid/press-release_IP-05-1263_de.htm
- Antwort der Deutschen Bundesregierung am 14.08.2012 auf kleine Anfrage zur Überlastung deutscher Konsulate bei Visumerteilung
- Verordnung EG Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft (Visakodex)
- Stellungnahmen der deutschen Parteien zu Visumerleichterungen (insbesondere auch im Hinblick auf Russland)