Dafür oder dagegen?
Zunächst sollte einigermaßen Übereinkunft darüber bestehen, was ein Boykott bedeutet.
Definition in der Wikipedia Deutschland:
Ein Boykott ist ein organisiertes wirtschaftliches, soziales oder politisches Zwangs- oder Druckmittel, durch das eine Person, eine Personengruppe, ein Unternehmen oder ein Staat vom regelmäßigen Geschäftsverkehr ausgeschlossen wird. Heute steht der Boykott allgemein für eine Verrufserklärung oder Ächtung durch Ausdruck einer kollektiven Verweigerungshaltung.
Wenn ich keine Shell-Tankstelle als Autofahrer ansteuere, weil ich die Marke Shell wegen (so von Gegnern in Kampagnen dargestellt:) mangelndem Verantwortungsbewusstsein seiner Aktionäre oder Manager gegenüber unserer Erde, unserer Natur ablehne (bekannter Boykottfall aus dem Jahre 1995 wegen geplanter Versenkung des Öltanks "Brent Spar" westlich von Irland), dann ist das meine persönliche freie Entscheidung innerhalb eines Marktes, an dem ich mich als Konsument beteilige und in dem ich Kaufalternativen habe.
Von Boykott kann man aus so einer individuellen Sicht aber nicht sprechen. Denn es fehlt hier der organisatorische Aspekt, solange man nicht den Zusammenhang zur Berichterstattung über den Auslöser der Vemeidung von Shell-Tanksäulen spricht. Ein Druck gegen ein boykottiertes Unternehmen wird erst durch abgestimmtes Verhalten mehrerer, möglichst großer Gruppen erzielt. Eine Verweigerungshaltung, die man als kollektiv bezeichnen kann, verlangt nach einer Gleichschaltung. Und die passiert durch den Einsatz von Medien und Massenkommunikationsmitteln.
So, und da werde ich schon mal misstrauisch. Boykotts benötigen Propaganda!
Aktuelles Beispiel: http://www.change.org/de
Ich bekomme regelmäßig per newsletter Aufrufe, mich zu engagieren an verschiedensten Aktionen. Kundgebungen, Stimmen sammeln, die Politiker, Parlamentarier beeindrucken und beeinflussen sollen, bestimmte Gesetze zu besprechen und erlassen oder zu unterlassen, Geldsammlungen, um kranken Menschen eine Operation zu ermöglichen oder den Aufbau von Projekten zu ermöglichen. Mit all diesen Motivationen sind menschliche Bedürfnisse oder Schicksale verbunden, individuelle oder für breite Bevölkerungsschichten. - Hier kann jeder seine Petition starten.
Es gibt viel Unrecht und Leid auf dieser Welt. Aktuelle Beispiele:
- Köln: Erhalten Sie den Klub "Gebäude 9"!
- Bachhaus Weimaer anstatt "Unesco-Weltkulturerbe-Parkplatz"!
- Gegen die Absetzung von "Wetten dass ...?"!
- Heidelberger Puppentheater retten!
- Eishockey-Bundesliga-Standort Dresden (zweithöchste Spielklasse) erhalten!
Manchmal setze ich mich für andere Menschen ein, gebe meine Stimme für Aktionen, die ich für gut oder richtig halte. Aber es gibt viel zu viel von Ungerechtigkeiten und Finanznöte, wegen denen Kulturprojekte sterben. Ich muss die meisten aus meinem Bewusstsein drängen, an mich abprallen lassen, um mein Leben selbstbestimmt organisieren zu können. Wieviele Petitionen verkraften Sie?
Jeder von uns muss sich vor Vereinnahmung durch andere mit ihren Projekten und Weltanschauungen, denen sie folgen, schützen. Wir erleben das täglich,wenn wir S-Bahn fahren, wenn Bettler und Musikanten um Spenden bitten.
Und jetzt kommen wir auf die große Politik zu sprechen.
Wenn sich Touristiker, die sich auf ein oder wenige bestimmte Länder spezialisiert haben, in ihrem Touristikgeschäft Boykottaufrufen anschließen würden, dann sind politische, weltanschauliche Motive wichtiger als wirtschaftliche. Unter diesen Voraussetzungen müsste das Geschäft unter bestimmten politischen Situationen eingestellt werden. Man baut nicht so schnell die Vertriebswege ab und auf. Ein Unternehmer sucht Kontinuität in seinem Geschäft und versucht sich unabhängig von politischen Entscheidungen zu halten. Man hat bestimmte Erfahrungen in einem Land gesammelt, Kompetenzen und Kontakte, die man ausnutzen möchte.
Ginge es danach, dass wir nur in Länder reisen, die politisch unbedenklich sind, würden wir auf unser Grundrecht auf Reisefreiheit verzichten (müssen). Und das, obwohl es verschiedene Motive gibt, in bestimmte Länder zu reisen: Die Landschaften, das besondere Klima, die Verbesserung der eigenen Gesundheit (bestimmte Kurorte, die auf bestimmte Krankheiten spezialisiert sind), persönliche Einladungen von Kollegen und Besuchern in Deutschland, Dienstreisen, Kunstprojekte, Bildung und wissenschaftlicher Austausch, Sportwettbewerbe.
Als ich als Student meine Reise nach Nordamerika zu den Semester-Sommerferien vorbereitete im Semester davor, waren meine wichtigsten Motive die großartigen Landschaften, Diapräsentationen, Dokumentarfilme, Berichte von Studenten, Abenteuerfilme die ich Jahre zuvor gesehen hatte, als es für mich keine Reisefreiheit gegeben hatte (z.B. Daniel Boone, Jäger und Trapper in den Appalachen), Jack London-Filme, Western. Ich suchte das Abenteuer, die Freiheit. Nebenbei versprach die Reise eine Verbesserung meiner Englischkenntnisse.
Meine Wahl traf ich nicht nach politischen Erwägungen. Ich wollte aber auch einen Studenten in Kalifornien besuchen, der in Köln internationale Beziehungen studiert hatte (dort hatte ich ihn kennengelernt).
Die Welt wäre sehr viel ärmer, wenn man all die verschiedenen Reisemotive hinter (fremden) politischen Anschauungen zurückstellen müsste. Eben dies verlangen aber Politiker von den Bürgern ihres Landes oder Bürgern der Europäischen Union. Und auch Journalisten. Ständig hört man davon in den Medien. - Jeder mag für sich selbst entscheiden, welche Länder er meidet, aus welchen Gründen auch immer. Unsere Verfassung schützt das Grundrecht auf Weltanschauungsfreiheit und Meinungsfreiheit. Ich finde es anmaßend und respektlos gegenüber anderen Landsleuten, wenn mir Politiker, Verwaltungsbeamte mit sicherem Einkommen, Journalisten, Geheimdienste vorschreiben wollen, wohin ich nicht zu reisen habe, damit gegen ein Land entsprechender Druck aufgebaut werden kann, ich also zu einem Teilchen einer politischen Druckmasse gestempelt werde.
Bei Boykottmaßnahmen, bei Aussperrungen (im weiteren Sinne ist die Visumpflicht auch eine Aussperrung [von Ausländern] mit Erlaubnisvorbehalt) gibt es immer auch Leidtragende im eigenen Land, in dem ein Boykott gegen ein anderes Land installiert wird. Bei den strengen Visumregeln Russlands sind das russische Touristikunternehmen, Museen, Geschäfte in Stadtzentren) beschränkt man auch die Möglichkeiten der landeseigenen Wirtschaft. Das kommt anderen Unternehmen zu Gute. Es bleibt nicht nur bei politischen Auswirkungen. Und wir wissen ja, dass Deutschland als Bananenrepublik stark lobbybeeinflusst ist. Bei den Sanktionen, die Politiker gegen Russland in Stellung bringen, wird es Kollateralschäden für deutsche Unternehmen geben. Ein Teil von deren Investitionen geht den Bach runter. Für diese erzwungenen Opfer müssten sie möglicherweise entschädigt werden. Ich bezweifle, dass viele Politiker die Folgen ihrer Sanktionsideen oder fremdinitiierte Ideen (gerade aus USA), an denen Deutschland sich beteiligen soll, abschätzen können.
In den touristischen Fachmagazinen werden die Auswirkungen der Wirtschaftskrise in bestimmten Ländern diskutiert. Von der Nichtbereisbarkeit Ägyptens profitierten Spanien und Türkei. Von der Krise in Griechenland und auf Zypern profitierte ebenfalls Spanien. Es gibt Konkurrenzen unter den Ländern um Touristen. Konkurrenz der Länder aber nicht nur im Touristiksektor. Auch in anderen Wirtschaftsbranchen.
Man müsste sich diejenigen genauer ansehen, die Propaganda für Boykotts machen. Zur Inspektion deutscher Parlamentarier empfehle ich www.abgeordnetenwatch.de, um zu verstehen, was sie dazu verleitet. Dass jemand öffentlich bekannt ist, ist für mich kein Argument, Vertrauen in Sachverstand und Rechtstreue (Beachtung der Verfassungsprinzipien) jener Person zu haben. Lügen und Halbwahrheiten gehören zum politischen Geschäft, und zum Mediengeschäft.
Ich halte mich für von Tageszeitungen oder ZDF verhältnismäßig wenig manipulierbar (Wer kann sich den Einflussnahmen der Medien schon entziehen. Die wirken auch auf den Familien- und Freundeskreis ein, direkt oder indirekt über deren Kollegen.).
Viele Berichte und Beiträge über Russland sind inhaltsarm, stark persönlich gefärbt, schlecht recherchiert oder geprüft und einseitig. Journalisten verstehen häufig von der Materie, zu der sie was zu schreiben haben, nichts. Man hat das bei den Winterspielen z.B. im Bereich Sport gemerkt. Siehe hierzu die Glosse des Psychologen Georg M. Sieber auf karriere-jura.de zu Sotschi (Link siehe unten).
Also wenn wir jetzt danach gehen würden, wie böse, menschenverachtend die Herrscher in bestimmten Ländern agieren (Assad, Lukaschenko, Nasarbajew usw), dann kommen einige beliebte Reiseländer nicht so gut weg. Nehmen wir China. Wie konnte man nur die Olympischen Sommerspiele 2008 nach Peking vergeben? Wo es viele Todesstrafen in China gibt, wo viele Menschen an Umweltverschmutzung sterben (auch wegen hoher Korruption)? Trotz Annektion des Tibets. Trotz Einschränkung der Rechte auf Meinungsfreiheit und Pressefreiheit?
In die Türkei zu reisen, kann ja auch nicht politisch korrekt sein. Erdogan ist kein Freund der Demokratie, sondern zeigt despotische Züge (brutales Vorgehen gegen Demonstranten in Istanbul im Winter 2013-2014, Internetblockade gegen Youtube und Twitter im Frühjahr 2014), wie Lukaschenko, oder nicht? Auch Israel als Reiseland dürfte Tabu sein.
Die Gründe dafür, warum einige Reiseländer bei einem Vergleich nach political correctness nicht gut wegkommen, werden in den Medien nicht so ausführlich behandelt. Viele Menschen suchen die Schuld immer beim anderen. Viele zeigen mit dem Finger auf andere und hinterfragen nicht, wie ihr eigenes Tun auf Mitmenschen wirken, verbieten Gegenfragen. Entziehen sich Vergleichen. Argumentieren intransparent, schief.
So passiert das auch auf Ebene der Nationen. Es wird auf Russland mit dem Finger gezeigt und dabei vermisse ich häufig eine Darstellung, die die Interessen Russlands mit berücksichtigt. Nur wenige mahnten das bei uns an, z.B. der Vorsitzende des deutsch-russischen Forums, Matthias Platzeck (Brandenburgs Ministerpräsident von Juni 2002 bis August 2013). Auch in den USA gab es nur wenige, die das vermochten, z.B. in Interview-Sendungen von LarryKing in RT.
Aber ein Land besteht aus mehr aus nur die aktuellen politischen und wirtschaftlichen Herrscher. Wegen denen reisen die meisten Touristen ja nicht in das Land.
So, jetzt haben wir Weißrussland, "Europas letzter Diktator" Lukaschenko, ein begeisterter Eishockeyspieler.
Mag ja sein, dass der die Weltmeisterschaft jetzt im Mai für seine politischen Zwecke benutzen will, benutzt hat (Ich habe das nicht verfolgt.). Über Putin war das ja permanent zu lesen und hören: "Putins Spiele". Putin hat im Wald bei Krasnaja Poljana gestanden und gesagt, hier müssen die Olympischen Spiele stattfinden.
Aber seien wir ehrlich. Wenn München die Olympischen Spiele zugesprochen bekommen hätte: Würden dann nicht auch die deutschen Politiker dieses Großereignis für ihre Profilierung auszunutzen versuchen? Bayerns, Münchens Politiker? Für mehr Medienpräsenz. Wachsender medialer Einfluss, Magnetwirkung für die regionale Wirtschaft. Erfolge im eigenen Lebenslauf ...
So etwas lässt sich nicht vermeiden. Die Würfel fallen mit der Vergabe einer Olympiade oder Weltmeisterschaft. Und da hat man bei Katar als Ausrichter der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 auch falsch gewürfelt. Hat Blatter ja selbst inzwischen zugegeben.
Da muss man fragen, wie das Entscheidungsgremium sich zusammensetzt. Stichwort Korruption bei der FIFA. Wer der Ansicht war, die Winterspiele hätten von Deutschland boykottiert werden müssen, und dazu etwa das Argument Ausbeutung der zentralasiatischen Bauarbeiter heranzieht, der muss dann auch für ein Boykott der Fußball-WM in Katar sein. Und auch gegen die Fußball-WM in Brasilien.
Im Prinzip können wir die dritte Welt dann vergessen. Richten wir die Weltmeisterschaften nur nur noch in der ersten Welt, der westlichen Welt aus!
Und wie steht man dann zum Thema Wirtschaftsförderung für Dritte-Welt-Länder oder in Schwellenländer, in Afrika, z.B. die Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika? Lehnt man die ab?
Menschenrechtsverletzungen als Boykottmotiv?
Schauen wir auf die USA:
Krieg gegen Vietnam. Der Krieg gegen Irak war mit Lügen gerechtfertigt worden, geäußert aus dem Munde eines Präsidenten George Bush. Dabei ging es um politischen Einfluss und wirtschaftliche Interessen. Weiter: (ohne offizielle Kriegserklärung:) Tötungen mit Drohnen in Afghanistan, Pakistan, Jemen - geduldet von der deutschen Regierung, denn sie geht dagegen nicht vor, wo diese Drohnenangriffe vom US-Stützpunkt in Rammstein aus gesteuert werden.. Dabei wurden häufig weitere als die gejagten Terroristen getötet, auch Frauen und Kinder, und auch deutsche Staatsbürger. Vielleicht auch bald in weiteren Ländern, ohne rechtsstaatliche Verurteilung, möglich dank technisch-militärischer Führerschaft und außerhalb des Rechtssystems agierender Geheimdienste; illegale Gefangenenlager in Guantanamo und in verschiedenen Ländern, darunter Ex-Jugoslawien und sogar Polen, mit Freiheitsberaubungen ohne Richterbeschluss und Folter (Beispiel Drowning), Menschenentführungen /-verschleppungen in solche Lager (Fall Murat Kurnaz ist nur ein Beispiel), Todesstrafen in zahlreichen US-Bundesstaaten. Diskrimierungen und grobe Benachteiligungen von schwarzen amerikanischen Bürgern, schlampige Arbeit von Staatsanwälten und Polizisten mit Anstiftungen zu Falschaussagen, damit unschuldige Bürger als Mörder verurteilt werden können (aktuelles Beispiel: Freilassung von Jonathan Fleming nach 25 Jahren Haft).
Überwachung von Millionen unschuldigen Personen (Verstoß gegen Unschuldsvermutung), Wegnahme von Notebooks, deren Durchsuchung und Kopie von deren Festplatten bei Einreise in die USA, selbst gegenüber eigenen Staatsbürgern). Das Anzapfen von Leitungen in anderen Ländern, sicherlich auch in Deutschland, ist nicht nur eine Sachbeschädigung. Einmischung in andere Länder: Bürgerkrieg in Georgien, aktuell Einmischung auch in die Entwicklungen in der Urkaine, und zwar auch ohne Absprache mit der EU. Diebstahl der Flora- und Faunaschätze aus südamerikanischen Ländern zur wirtschaftlichen Ausbeutung.
Moralisch steht die USA nicht besser da als wie man Russland in der ersten Welt hinzustellen versucht. Nicht nur in Russland wird die Meinungsfreiheit unterdrückt. Auch in den USA, in der Whistleblower strafrechtlich streng verfolgt werden, auch in Großbritannien, in der Türkei, durch undemokratische Entscheidungen. Und auch in Deutschland. Kritisch denkende Journalisten werden aus den öffentlich-rechtlichen Medien entfernt.
Moralische Ansprüche an die Ausrichter von sportlichen oder wissenschaftlichen Großveranstaltungen stellen?
Natürlich versprechen Bewerber um Sportgroßereignisse vieles, was sie dann nicht einhalten (können). Z.B. war für die Winterspiele ein zunächst häufig zitiertes Ziel die ersten klimaneutralen Spiele auszurichten. Da hatte sich die deutsche DENA wichtig gemacht und wollte deutsches Know How nach Russland bringen, und deutschen Unternehmen zu Aufträgen in Südrussland verhelfen. Kurz vor den Spielen war davon so gut wie nichts mehr zu hören. Stattdessen gab es Stromabschaltungen für die lokale Bevölkerung. Das ist eben Werbung. Die verspricht mehr als das Produkt tatsächlich bietet. Nicht eingehaltene Werbeversprechen gibt es überall, ob in der 3. oder 1. Welt. Bei unseren Regierungsparteien brauchen wir nicht lange nachzudenken, um in der neuesten Gesetzgebung gebrochene Wahlversprechen zu entdecken.
Die Vergabe von großen Sportveranstaltungen an verschiedene Länder auf verschiedenen Kontinenten erfolgt, weil man Vielfalt möchte, weil es sich um Weltmeisterschaften handelt, bei der verschiedene Länder mal den Heimvorteil haben sollen, weil man Vielfalt möchte; aufgrund von Plänen der Bewerber und Beziehungen und Sympathien und gekauften Stimmen. Natürlich kann nach der Vergabe die internationale Großveranstaltung vom Gastgeber zu eigenen Propaganda ausnutzt werden. Das lässt sich von den anderen Ländern kaum verhindern. Wenn man die großen Sportereignisse, Weltmeisterschaften, Olympiade, politisieren möchte, kann man sie konsequenterweise gleich sein lassen, in einer globalen Welt, auf der nicht alle Länder miteinander befreundet sind. Dann verzichten wir auf Chancen, dass sich Menschen verschiedener Nationalitäten austauschen, anfreunden. Dann schotten wir uns ab! Es gibt die Commonwealth-Spiele. Wir können ja auch noch Transatlantische Spiele ausrichten, an denen Sportler aus der EU sich mit Sportlern aus den USA und Kanda messen. - Das ist doch absurd!
Mag also Lukaschenko die Eishockey-Weltmeisterschaft auch zur Selbstdarstellung benutzen. Fakt ist: Es sind viele Sportler dort, die um Medaillen kämpfen wollen; und Sportfans, die wollen die Sportler kämpfen sehen, ihre Helden anfeuern, persönliche Freundschaften schließen, sich die Stadt Minsk ansehen, vielleicht auch Ausflüge in die Umgebung.
Das sind anerkennenswerte Reisemotive. Diese befürworte ich. Ein Entschluss zur Reise nach Belarus darf von anderen, die ein Boykott befürworten, nicht als eine Kundgebung pro Lukaschenko schlechtgemacht werden. Das wäre Manipulation. Und Manipulation ist eine Verletzung des Rechts auf Meinungsfreiheit hintenrum. Dahinter steht Täuschung. Man schaue sich daher die Boykottaufrufer an! Man schaue sich die Journalisten an, die solche Aufrufe machen, verbreiten.
Ein Boykottaufruf kann auch wirtschaftliche Gründe haben:
Wikipedia (Fortsetzung der Definition oben):
Der wirtschaftliche Boykott dient insbesondere der Ausschaltung von Konkurrenz; der soziale Boykott als Druckmittel von Interessensgruppen (etwa im Arbeitskampf); der politische Boykott ist ein staatliches Sanktionsmittel gegenüber anderen Staaten.
Halten wir fest: Propaganda funktioniert häufig erst durch Einstreuen von Lügen und Halbwahrheiten. Siehe den oben verlinkten Fall Brent Spar. Greenpeace hat keine faire Kampagne geführt. Wissenschaftler haben die Pläne, die Ölplattform zu versenken, gerechtfertigt gesehen.
Und wie die Wahrheit in den deutschen Medien verbogen wird beim Thema Krim, erklärt in diesem Video (März 2014) der österreichische Wahlbeobachter Ewald Stadler. Er beklagt eine unsagbare Propaganda gegen Russland:
https://www.youtube.com/watch?v=ft5fYfuWgAk&feature=youtu.be
Lassen Sie sich nicht von Politikern missbrauchen und von Journalisten irreführen! Reisen Sie! Reisen bildet!
Aber reisen Sie nicht auf Kosten anderer (in Länder, in denen man als Geisel genommen wird)!
Aus Sicherheitsaspekten ist Belarus kein unsicheres Land für Touristen. Das trifft auf einige Teile der Ukraine heute leider zu. Die Krim ist jetzt tabu. Von einer Reise nach Lemberg muss man aber momentan nicht abraten. Vor Reisen nach Donezk in der Ostukraine würde ich schon abraten.
Unser Auswärtiges Amt sollte sich wirklich nur darauf beschränken, vor Reisen in Länder (oder genauer: in bestimmte Regionen von Ländern) abzuraten, die unsicher sind, nicht, die politisch zu etwas gezwungen werden sollen. Reisen in solche Länder sollten nur solchen Menschen vorbehalten bleiben, die entsprechend versichert und finanziell abgesichert sind, um die Rettungsaktionen für sie bezahlen zu können. Oder Kriegsberichterstatter, die ihr Leben freiwillig riskieren, indem sie in gefährliche Länder reisen. Wie die Fotografin Anja Niedringhaus, die am letzten Samstag erschossen worden ist.
Reisewarnungen des Auswärtigen Amts stellen Eingriffe in den ausgeübten Gewerbebetrieb von Reiseunternehmen dar. Sie führen zu hohen Verlusten bei TUI und Thomas Cook, wenn vor Reisen nach Ägypten gewarnt wird, Eintriffe in das Grundrecht auf Berufsausübung. In Fällen der Lebens- und Gesundheitsgefährdung vieler Touristen mögen diese Eingriffe gerechtfertigt sein. Nicht aber bei Empfehlungen (Verboten schon gar nicht), nicht in Länder zu reisen, die andere Länder bedrohen (wie im Falle der Krim für ganz Russland als Reiseland(ohne Krim).
Für die etwa 6.200 deutschen Unternehmen, die in Russland engagiert sind, entsteht durch Sanktionen, die die deutsche Regierung gegenüber Russland androht und (auch auf Druck der USA?) mitträgt, erheblicher Schaden. Die haben investiert und werden in die Pflicht genommen, ihnen diese Opfer aufgebürdet. Aber wir Bürger, wo es um unsere privaten Reisepläne gibt, müssen uns nicht vorschreiben lassen, wohin wir reisen.
Politische Boykotts sind also sehr problematisch, zumal wenn sie nicht parlamentarisch legitimiert sind. Boykotts dürfen keine Mittel in den Händen von Regierungen sein. Das Prinzip der parlamentarischen Demokratie verlangt in unserem Staat, dass nur der Bundestag darüber entscheiden darf. Denn der entsprechende Gesetzesbeschluss muss standhalten einer verfassungsrechtlichen Überprüfung auf Grundrechtsverletzungen durch das Bundesverfassungsgericht. Mir scheint aber der Einfluss der USA auf die deutschen Politiker der Regierungsparteien, sich an Wirtschaftssanktionen gegen Russland zu beteiligen, größer, mächtiger zu sein als unsere deutsche Verfassung. Was wird Deutschland mehr schaden? Dem Druck der USA nachzugeben und sich an Sanktionen gegen Russland zu beteiligen - oder der Verfassung treu zu bleiben und an die wirtschaftlichen Folgen von Sanktionen für Deutschland zu bedenken und im Bundestag zu diskutieren und darüber dort abzustimmen? Gauck sagte doch gerade: Ein Freund (in seinem Fall die Türkei) muss auch Kritik vom Freund verkraften können. Also muss die USA auch verkraften, dass Deutschland nicht zugunsten der USA eigene Interessen preisgibt. Eine Verschlechterung der Beziehungen zwischen Deutschland bzw. der EU und Russland liegt klar im Interesse der USA. Mit Ethik als Motiv für Sanktionen gegen Russland brauchen mir die Politiker - und übrigens auch die meisten Journalisten, die Sanktionen fordern, nicht zu kommen, siehe oben.
Übrigens: Auf der ITB im März (vor einem Monat) in der Halle 2.1. (mit Russland, Ukraine und USA) war nach meinem Empfinden eine Zurückhaltung zu spüren. Manche Russlandreise-Interessenten äußerten, dass sie ihre Reise von dieses auf das Jahr 2015 verschieben wollen. Man muss hier auch sehen, dass man leicht als politisch inkorrekt abgestempelt wird von Kollegen, Vereinskameraden, Verbandsmitgliedern,, Familienmitgliedern, wenn man in diesem Jahr nach Russland reist. Hier ist ein Druck von den Medien erzeugt worden. Von Medien, die häufig nicht in der Lage sind, die Gemengelage der verschiedenen Kräfte, Parteien, Strömungen in der Ukraine zu beschreiben. Es ist zur Zeit nicht opportun, Gruppenreisen, Incentive-Reisen nach Russland anzubieten. Der Rechtfertigungsaufwand lohnt nicht. Wer es versucht, riskiert Imageschaden.
Meine Meinung ist klar: Sie reisen trotzdem nach Russland, oder als Eishockeyfan nach Belarus, wenn Sie abgewogen haben, was für Sie persönlich wichtiger ist. Der Sport. Die Gastfreundschaft. Der preiswerte Urlaub (Anreise ohne Flug). Oder die Wahrung Ihrer wichtigsten persönlichen Beziehungen (So wie für die deutsche Regierung die Beziehungen zu den USA als höherwertig bewertet werden als die gegenüber Russland, siehe als Beispiel Lesetipp 3).
Von Touristikkollegen aus der Ukraine heißt es, dass es in diesem Jahr gute Preise geben wird, die Hotels für westeuropäische Besucher Abschläge machen werden. - Klar: Die Sicherheitssituation in der Ukraine ist nicht diejenige, die sich Touristen wünschen, außer manche Abenteurer, die was für Randale übrig haben.
Anmerkung: zuletzt durchgesehen und leicht ergänzt: 18.07.2014
Lesetipp
1) Krim-Krise, das Who-is-who der deutschen Russland-Investoren, FAZ, Beitrag von Henrike Roßbach vom 24.03.2014
2) Meinungskluft um die Ukraine, Telepolis, Beitrag von Malte Daniljuk, vom 25.04.2014
3) Deutschland verhindert, dass Edward Snowden in NSA-Affaäre aussagt, Guardian vom 01.05.2014, engl.