Es gab nur 3 Vorträge (zwischen den Networkings mit Büfett, mittendrin die keynote:
1) Robert Davinson von Affiliate Window: Understandig Evolution In Travel Through Data
2) Tao Tao (Co-Gründer und COC von GetYourGuide Deutschland GmbH): Travel Trends 2016
3) Jacqueline Koeppen, Direktorin Sales & Business Development von advanced STORE GmbH): ad4mat (Firmenpräsentation).
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Die Räumlichkeiten der Kalkscheune waren bezogen auf die Teilnehmer genau richtig. Das Essen (mit dem Frühstück ging es ja auch los) war originell, lecker, gesund und reichlich, die Versorgung tadellos und ich habe was Interessantes von der Veranstaltung mitgenommen:
ad4mat bietet die Möglichkeiten, in die Website passend zum Thema Reisen Produktangebote zu integrieren. Man kann sogar zielgenau für bestimmte Reisen geeignete Produktgruppen zusammenstellen. Jaqueline Koeppen von Advanced Store GmbH (Berlin) stellte ad4mat in dem dritten Vortrag vor. - Ich werde mir das später mal ansehen und es testen.
Kurz nach Elf begrüßte Martin Rieß von Zanox (zuständig für die DACH-Länder +Liechtenstein) alle Gäste und seine Kollegen, die sich mal kurz auf der "Bühne" zeigten.
Robert Davinson vom britischen Unternehmen Affiliate Window, einem Unternehmen der Zanox-Gruppe, zeigte Auswertungen der Buchungen im Touristik-Bereich im Affiliate-Netzwerk. Ich baue hier ein paar Schnappschüsse von seinen Zahlen ein. Daraus ergeben sich Trends.
Nach dem Vortrag von Jacqueline Koppen fand am Nachmittag auch ein Speeddating statt. Dafür ist aber nicht groß geworben worden und es nahmen nicht viele daran teil. Für mich war das uninteressant. Die Merchants hatten im Saal unten (mit dem Büfett und der Bar) ja ihre Stände und die hatte ich dann schon besucht.
Einer der Aussteller war Hauptstadtkoffer. Die Koffer sah ich mir näher an. Man sollte schon kennen, was man empfielt. Interessant ist der Koffer mit einer durchsichtigen unteren Hälfte. Man kann durch Einlegen einer dekorativen Pappe (, oder welches Material benutzt man sonst?) in die untere Kofferschale individuell gestalten, also gut als Werbeträger für das eigene Business nutzen. Das ist ein Mehrwert.
Nun zum Hauptteil, der Keynote.
Tao Tao ist einer der Gründer von GetYourGuide. Gegründet wurde in Zürich, Schweiz.
Das Startup hatte sich in Deutschland um Investoren bemüht, aber keinen Erfolg dabei. Dann in China - mit Erfolg. Im April erwarb GetYourGuide das Berliner Startup Gidsy. 2012 war ich bei Gidsy am Vorabend der ITB zur Netoworking-Veranstaltung für Reiseblogger und Nerds in Kreuzberg. Von GetYourGuides nahm ich bisher noch nicht Notiz. Kollegen aus St. Petersburg, die ich am nächsten Tag auf der Reisemesse traf, auch noch nicht. Jetzt ist das Unternehmen aber schon führend bei der Vermittlung von Reiseführern, Exkursionen und diversen Aktivitäten und macht Reisebüros und Reiseveranstaltern einen wichtigen Teil des Geschäfts streitig.
Taos Vortrag war eine Kombination zwischen Firmenpräsentation und Überblick über aktuelle Trends mit Bezügen zur Touristikbranche.
Er gliederte seinen mit Beamer unterstützten Vortrag unter der Überschrift "Wettbewerbsfähig bleiben im Tourismus" in 4 Themenbereiche.
- Brand (Marke),
- Selbst aufbauen, Partnerschaft und einkaufen?
- Plattformen
- Wie sieht die China-Strategie aus?
Hier nun die von ihm genannten Trends aus der Sicht von GetYourGuide bzw. seinen verallgemeinerten Berufserfahrungen:
Markenbildung
1) Kundenvertrauen und Erwartungen an den Dienstleistungsstandard: Online-Reisebüros (OTAs) können das erreichen mit verständlichen Beschreibungen, Bildern und Kundenbewertungen.
Als Beispiel für Bewertungen nennt er Booking.com. Das bekannte Hotelportal stellt bei Anfragen zu Hotels neben starken Hotelmarken Profile von Hotels, die von Hotelgästen bessere Bewertungen für ein weniger bekanntes Hotel abgegeben haben als für das gezeigte Hotel mit einer starken Marke, im Beispiel: Hotel Zoo Berlin gegen Kempinski Hotel Bristol Berlin.
Meta-Suchmaschinen stören das Geschäft der OTAs, indem sie zeigen, wie der Verbraucher Geld sparen kann. Die Kommunikation der Reisebüros mit den Kunden einschließlich Reiseberatung erfährt durch die Konkurrenz der Preisvergleicher eine Abwertung der Beratungs- und Rechercheleistungen, die sich ja auch im Preis widerspiegeln müssen - sagte so nicht Tao Tao, sondern meine ich. Wenn Otto Normalverbraucher den Bestpreis, den er von Meta-Searchern angezeigt bekommt, als Maßstab für seine Preisauskünfte des Reisebüros an der Straße nimmt, könnte das Online-Reisebüro der Verlierer sein. Der Kunde sucht kostenlose Beratung von Experten im Reisebüro und holt sich seine Reise oder die Teile der Reise unter Nutzung der Beratungsleistungen der Reisebüros dann aber über Metasuchmaschinen.
Ich habe selbst diese Erfahrungen des Parasitentums gemacht.
Vor diesem Hintergrund stellt sich schon seit Jahren die Frage, ob es für Online-Reisebüros noch lohnt, auf ihren Websites Hotels mit selbst geschriebenen Erläuterungen individuell vorzustellen und Preise zu deren Zimmern zu zeigen, zumal in Zeiten des Yieldmanagements, in denen die Hotels Preise nicht mehr für eine komplette Saison festlegen und ihre Zimmer in verschiedenen Verkaufskanälen zu unterschiedlichen Preisen verkaufen (die auch mit abhängen vom Preis der Verkaufskanäle). Solche Hotelbeschreibungen sind Inhalte, die spezielle Technologiefirmen bieten (Giata), die dann über iFrame in die Website eingebunden werden. Das Reisebüro kann die Lizenz dafür erwerben. Es kostet natürlich und denselben Content haben viele andere Reisebüros.
Man braucht sich also nicht wundern, wenn man auf Online-Reisebüros kommt und dort Seiten mit Hotelbeschreibungen sieht, die keine aktuellen Preise zeigen.
Die großen Touristikportale sind nicht deshalb erfolgreich, weil sie die besten Touristiker beschäftigt haben oder die innovativsten Manager, sondern wegen des Kapitals von Investmentgesellschaften, welches Geschäfte mit Big Data erlaubt und Marketing in den Massenmedien (siehe mein Beispiel Govolo im Konzern Advances). Die Verbraucher nutzen diese Portale, weil sie ihnen aufgedrängt werden und ihnen das Denken und Recherchieren abnehmen - und fallen reihenweise auf im Massen-Geschäft angelegte Betrugsmaschen rein. Über eininge habe ich in diesem Blog ja schon berichtet, siehe Rubriken Reiserecht, Bewertungen+Tests und andere.
Zurück zu Tao Taos Vortrag, der Big Data mit keinem Satz erwähnte:
Zur Markenbildung muss man sich strategische Überlegungen machen, meint er (womit er recht hat), und zwar:
• Wie relevant/wichtig ist für Sie, eine Marke zu haben?
• Es könnte auch davon abhängen, ob Sie im b2b oder b2c-Geschäft sind.
• Wie soll man das Investment in den Markennamen ausbalancieren mit Investitionen in die Produkte und deren Wert?
• Wann und in welchen Abständen sollte man Investitionen in die Markenbildung tätigen?
Ein Kriterium für solche Fragen ist, ob man vertikal (über Spezialisierung) verkauft oder horizontal (über Addition verschiedener Produktgruppen, im Tourismus z.B. zu sehen beim us-amerikanischen OTA Expedia.
Getyourguide ist im vertikalen Bereich über die Spezialisierung auf Exkursionen und Fremdenführer. Weitere sind traditionell (gewesen) Fluggesellschaften und Hotelbuchungsplattformen wie z.B. Booking.com. Für diese Bereiche einer Reise gibt es unterschiedliche durchschnittliche Buchungszeiten: Flüge werden im Durchschnitt 20 bis 30 Tage vorher gebucht, Hotels 10 bis 20 Tage vorherund Aktivitäten vor Ort (über GetyourGuide) nur ein bis vier Tage vorher.
Reisebüros verkaufen horizontal und sehen sich der Konkurrenz der Spezialisten mit Hochtechnologie sowie auch jetzt schon Meta-Searchern für ganze Reisen ausgesetzt. Es wird schwieriger für Reisebüros, sich gegen die Automatisierungstechnologie kapitalträchtiger Investmentgesellschaften (siehe zu ihnen mein Erfahrungsbericht und Recherchen zu Advances aus Frankreich mit dem OTA Govolo) zu behaupten, zumal Technologieunternehmen im vertikalen Bereich leicht(er) Kooperationen eingehen könnten (so Tao Tao), z.B. bieten die Fluggesellschaften zum Flug gleich Mietwagen und Hotels an. Z.B. Air Berlin mit seinen Premium-Partnern:
- Ergo direkt (Versicherungen)
- Hertz und Sixt (Autovermietung)
- HRS (Hotelzimmer)
Kooperationen laufen mit gemeinsamen Bonussystemen, siehe meinen Artikel "Fluggesellschaften und Bonussysteme". Dort nenne ich auch russische Bonussysteme. Kooperationen werden aber auch gerade über Affiliate-Systeme wie eben Zanox leicht geknüpft. Horizontale Geschäfte dagegen sind mehr auf das "built & buy" angewiesen, meint Tao Tao, ohne das aber eingehender zu erklären. So sage ich es: Das ist viel kleinteiliger, schwerer standardisierbar. Man kann nicht so gut skalieren. Je weiter weg vom Massentourismus eine Reise ist, desto höher der personelle Aufwand (pro Reisenden) zu ihrer Organisierung.
Was können Reisebüros tun?
2) Emotional berühren ...
, so dass die Kunden wie selbstverständlich wiederbuchen und dann sagen können: "Ich habe immer über xy gebucht ..."
3) Kunden bestechen (englisch: bribing customers): loyalty programs, also Aktionen für die Kunden
Darauf ging Tao Tao aber kaum weiter ein. Sein Vortrag hatte hier ein Ungleichgewicht im Verhältnis zum Punkt 1).
Bestellungen über Chatsysteme bzw. Apps
Hier sind verschiedene Plattformen möglich:
• Buchungen an Dekstops und mit Notebooks
• Buchungen mit Mobilfunk (Smartphone, Tablet-PC)
• Messaging-Systeme
• APL
Auch darauf ging der Vortragende nicht näher ein.
Für unterschiedliche Stadien einer Reise, nämlich ...
- träumen
- planen
- buchen
- erleben
- teilen/berichten
gibt es unterschiedliche Plattformen.
Stellt sich die Frage, ob man über verschiedene Plattform-Strategien verfügt, ob man alle Plattformen bearbeiten will und welche man als Schwerpunkt ansieht. Er gab das nur zur Anregung, erzählte aber nicht, wie das bei GetYourGuide läuft. Und klar dürfte hier auch sein, dass es um Big Business geht, in der Größenordnung, in der sich Unister bewegt, welches auf dieser Veranstaltung mit einem Stand für Fluege.de und Ab-in-den-Urlaub vertreten war.
Meta-Suchmaschinen-Plattformen wandeln sich zu Online-Reisebüros
Das ist nichts Neues mehr, meine ich. Den Prozess kann man schon seit Jahren beobachten:
Die Flugsuchportale haben zur Steigerung ihrer Provisionen Reiseversicherungen integriert, siehe oben Beispiel Air Berlin. Tripadvisor, ein auf Sammlung von Kundenbewertungen über Hotels spezialisiertes Portal fing an sich in Richtung eines Hotelsuch- und Buchungsportal zu erweitern. Hinzu kamen dann auch Bewertungen ganzer Reisen von Veranstaltern und so wird man bald auch ganze Reisen über Tripadvisor buchen können. (sagte nicht Tao Tao, sondern meine ich).
Tao Tao bringt das Beispiel Qunar, die größte chinesische Metasuchmaschine. Bei ihr sind 10.000 Hotels in China registriert.
Dagegen Ctrip, die größte chinesische OTA - integriert jetzt Inhalte von weiteren Leistungsträgern, um Reisekunden größere Vielfalt zu bieten. Und kürzlich übernahm sie Qunar. (Ctrip können offenbar heute auch schon deutsche Kunden benutzen.)
Und nun bereitet Qunar den Start einer Airline Shenhui für 2017 vor.
Anderes Beispiel: Im November 2015 wurde berichtet: Die internationale Hotelgruppe Marriott ist die erste führende Hotelgruppe, die über den chinesischen Konzern Alibaba einen eigenen Verkaufskanal laufen lässt: über das Portal Alitrip, das zur Alibaba-Gruppe gehört.
- Alles Reisefelder fließen zusammen und die Klassifizierungen lösen sich auf. Das ist der Trend.
Die Welt wird unübersichtlicher.
Große, vertikal agierende Unternehmen, die weltweit erfolgreich sein wollen, müssen sich fragen, wie sie chinesische Reisende erreichen wollen, sagt Tao Tao. Über Partnerschaften, Handelsplattformen, zukaufen, sich kaufen zu lassen?
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Das sind hier von Tao Tao aber Fragestellungen, die sich eher an Reisekonzerne richten oder Startups, die zur Umsetzung ihrer Ideen Investoren brauchen, nicht an mittelständische Reiseveranstalter und Reisebüros. Der Vortrag war daher eher für die auf dem Expert Day vertretene Unister-Gruppe gedacht, die hier mit ihren Marken Flüge.de und Ab in den Urlaub vertreten war.
Der Vortrag beschränkte sich auf Technologie und Merchers & Aquisitions. Doch Trends sind auch in anderen Reisegebieten auszumachen.
Auf dem ITB-Messegelände gab es dazu eine Reihe von Vorträgen. In mehreren Vorträgen wurde die europäische Flüchtlingskrise thematisiert.
Die Präsentationsdateien zu den Vorträgen sind übrigens auf der ITB-Seite in einem Downloadbereich abrufbar (Nachtrag, 13.12.2022: inzwischen nicht mehr.).