Torgowui Dom Knigi www.moscowbooks.ru
Uliza Twerskaja 8
Geöffnet: 10.00 Uhr bis 01.00 Uhr.
Tel. für Käufer: 229-6483, 797-8717
Straßensuche
Es ist sehr voll im Buchhaus, die Gänge sehr eng und die Kunden dick angezogen; und ich mit meinem großen Rucksack und großen Hartschalenkoffer und der prallen Notebooktasche über einer Schulter und unterm Arm kämpfe mich durch zur Kartenabteilung.
Mir helfen zwei angestellte Mädchen beim Suchen, sehr engagiert. Denn diese Straße Tukhatschenskogo (so wird sie englisch geschrieben);steht in vielen Plänen gar nicht drin. Schließlich findet das eine Mädchen die Straße aber doch noch in einem Plan. Die Straße heißt vollständig Marschall-Tuchatschenskogo-Uliza und befindet sich in der Nähe der Marschall Jukow-Uliza. (Den Marschal Jukow kenne ich noch.). Dann hilft mir die eine auch noch herauszufinden, wie ich mit Nahverkehrsmitteln dorthin komme. Metrostation Puschkinskaja, das ist nicht weit auf der Twerskaja, dann bis Tu… Dann den Trolleybus Nr.59. Das nennt man aktiven Buchverkauf. Die Karte, auf der man das sieht, nehme ich mit, ein kleines Heft zum Nahverkehr, wie ich es auch in Pieter kaufte, nur etwas größer. Außerdem kaufe ich eine Karte von Sotschi (Maßstab 1:500.000 und 1:100.000). (Zuschlagen, wenn man die Gelegenheit hat!) Ich bin bei der Vorbereitung auf diese Reise schon auf Kopien aus dieser Karte im Internet gestoßen. Und einen Plan von Pjatigorsk, wo ich während dieser Reise noch hin will, nehme ich auch gleich mit. Kostet zusammen 328 Rubel (10 EUR).
Dann mache ich mich auf den Weg. Klar, ob ich sie finde, ist sehr vage. Dass sie in einem eigenen Haus wohnt, doch wenig wahrscheinlich. Ich könnte auch gleich zu einem Internetcafe und mir meine Zugverbindung heraussuchen. Aber was soll´s: die Zeit, es zu versuchen, habe ich. - So schnell gebe ich nicht auf. Von schiefgegangenen Verabredungen in St. Petersburg kann ich ein Lied singen. Ich möchte russische Menschen auf meiner Reise kennen lernen. Nadja macht einen interessanten Eindruck.
Aber da ist auch noch die Verabredung aus Deutschland, mich in Moskau mit Vlad aus Köln zu treffen. Er wollte mich heute anrufen. Geht aber jetzt nicht. Auch ihm gab ich meine Megafon-Nr. von voriges Jahr.
Einstieg in den Trolleybus. Was mir als Hindernis auffällt, ist die Sperre neben dem Fahrerhaus im Bus. Man muss vorne einsteigen (wie auch in Berliner Bussen). Da ist die Treppe und mein großer Koffer. Ich stelle ihn drinnen ab und kaufe die Karte bei einer jungen Fahrerin. Aber hinter mir drängelt sich eine Person vorbei. Ich habe einen Rucksack auf dem Rücken, dann diese Sperre wie in der Metro! Es braucht eine Zeit, bis diese ungeduldige Person vorbei ist. Das ganze hat nur aufgehalten! Der Fahrpreis ist genauso hoch wie für die Metro: 15 Rubel (Heute liegt der Metropreis bei 25 Rubel.).
An der richtigen Adresse und doch nicht am Ziel - Riesenwohnblock
Ich frage mich durch zur Adresse von Nadja, stehe bald vor einem riesigen Haus. Mit mehreren Eingängen (Eingang=Dochod). So groß wie das in Staraja Derewnja in St. Petersburg, wo ich 2004 wohnte. Natürlich befinden sich keine Namensschilder neben den Klingelknöpfen an der Eingangstür, auch nicht an den Briefkästen im Flur. Es gibt nur Wohnungsnummern. Meine Befürchtungen haben sich bewahrheitet. Die Wohnungssuche scheint aussichtslos.
Ich befinde mich auf der Rückseite des Hauses am ersten Eingang, nachdem ich die Vorderseite (Zugänge über eine große Terasse) inspiziert habe. Über dem Eingang befindet sich nicht ein Fenster des Treppenhauses, sondern das Fenster gehört zu einer Wohnung. Dort schaut ein Mann in meinem Alter heraus, sitzt fast drauf, telefoniert mit dem Handy (Trubka). Ich frage ihn, ob das Tuchatschenskogo 55 ist. Ja. Er fragt, was ich suche. Ich sage es ihm. Er rät mir, um das Haus zu gehen, wo der Eingang zu der Garage ist. Da ist auch eine Wache. Ich solle da mich erkundigen.
Das mache ich. Jedoch kann er nicht helfen. Er würde schon, fragt nach ihrer Telefonnummer und Kwartiernummer. Das ist ja gerade das Problem. Weiß ich nicht. Nein, er hat keine Liste aller Bewohner (mit zugehöriger Wohnungsnummer). Er bewacht nur die Garage, ist also kein Pförtner für die Bewohner.
Der Kaukasier
Ich gehe noch mal zurück, überlegend, ob ich die Wohnungstüren abklappern soll. Aber ich werde schon für diesen Aufgang 1,5 Stunden brauchen. Es dämmert, ist in Kürze dunkel. Der Mann über dem Eingang sieht mich, spricht mich an, kommt gleich heraus zu mir. Er hat wenig Verständnis für meine Leichtsinnigkeit und, wie er meint, Gutgläubigkeit. Ich bin doch in Russland! Wie kann man sich da auf so etwas einlassen! Aber er versucht zu helfen. Aber nicht ganz ohne Selbstzweck. Er sagt, er habe einen Computer und Internetzugang und fragt, ob ich mich mit Computer und Internet auskenne. Ich bejahe. Er bittet mich herein in seine Wohnung. Vorher hat er aber noch ein Mädchen auf der Bank vor dem Eingang gefragt, ob sie Nadja P. kennt. Er fragt mich, ob sie verheiratet ist, Kinder hat. Drinnen bittet er mich ins Wohnzimmer.
Internetzugang mit Telefonleitung und Prepaidkarte
In der Anbauwand steht ein Notebook von Fujitsu-Siemens. Es ist eingeschaltet. Daneben liegt ein Faxmodem. Er bittet mich, mich darüber einzuwählen. Es ist ein window geöffnet, in dem man die Zugangsdaten eingeben muss. Sie sind schon vorgegeben. Ich frage ihn, ob das verdeckte Passwort richtig ist. Er weiß es nicht mehr. Naja, vielleicht hat er schon sonstwie lange probiert, vielleicht schon mehrmals das Passwort, dass er ja wohl vom Provider bekommen haben muss, eingegeben.
Es stellt sich heraus, dass er selbst nicht weiß, wie er sich ins Internet einloggen soll. Vielleicht hat er deswegen gerade am offenen Fenster mit einem Kumpel telefoniert. Er dachte nun, weil ich sagte, ich kenne mich mit Computer und Internet aus, dass ich ihm den Internetanschluss herstelle. Aber das ist eine andere Technik mit diesen Passwörtern auf einer Karte, die man sich auch am Kiosk kaufen kann wie eine Karte zum Aufladen des Guthabens. Prepaidzahlungssysteme bei Handy und Internet, bei denen man auf der gekauften Karte eine Geheimnummer freirubbelt und in das Gerät eintippt, sind in Russland sehr verbreitet.
Ich denke, die Telefon-Leitung war einfach überlastet. Ich hatte ja auch gelesen: "Sanjat" (Besetzt/Beschäftigt) beim Einwahlversuch. Er probierte auch noch eine Servicenummer, die auf der gekauften Karte stand, aber die war wohl besetzt. Er war enttäuscht. Er ist so hilfreich, bittet mich in seine Wohnung und ich kann ihm nicht helfen. Er ist etwas erregt. Aber das liegt offensichtlich im Blut. Bei mir löst das doch einige Bedenken aus, ober er ganz koscher ist. Er verrät mir, er sei in Grossny geboren. Der Bildschirmschoner auf dem Monitor ist ein Bild von einem Kriegsschiff auf See. Er sagt, er sei zur See gefahren. Ich sage, ich auch, um ihn zu beschwichtigen und Gemeinsamkeiten zu betonen. Er heißt Arthur. Nun, ich muss die Sache hier beenden, denke ich und gehe zur Tür und nehme meine Sachen. Sage ihm, ich hätte seine Frage anders verstanden. Er zieht sich was über und geht mit mir, will mir doch helfen. Wir gehen zur Garagenwache. Mit der Idee, auf die Liste der Autobesitzer zu schauen, kommen wir auch nicht weiter. Da kommt ein junger Mann in Armylook-Jacke angelaufen. Ich glaube, Arthur kennt ihn. Er geht nicht weiter. Ich weiß gar nicht, woher die Männer nach und nach kommen. Da kommen nämlich noch zwei. Die beiden letzteren können helfen.
Der eine, der mir seinen Namen aber nicht sagt, kann auch englisch sprechen. Es wird überlegt, ob ich in einem Hotel in der Nähe übernachten sollte, um es morgen wieder zu versuchen, Nadja zu kontaktieren, nämlich über die Telefonnummer von ihrer Arbeit. Sie denken, ich will sie kennenlernen, weil ich was persönlich von ihr erwarte. Ich erläutere, dass es nur um eine Übernachtung geht, um eine Bekanntschaft in einem internationalen Netzwerk von Reiselustigen, die sich gegen seitig helfen und Freundschaften entwickeln. Unter diesen Umständen möchte ich dann doch so schnell wie möglich nach Sotschi weiterreisen.
Dem Mann, der englisch spricht, kann ich die Situation noch einmal besser schildern. Arthur wundert sich etwas, wie flüssig ich englisch sprechen kann, will wissen, was ich dem anderen Mann sage. Die beiden letzten Männer sind jedenfalls keine Freunde von Arthur, mit dem ich mich noch fotografieren lasse. Vermutlich kannten sie ihn bisher nicht, aber haben keinen guten Eindruck oder generell Vorbehalte gegenüber Kaukasiern. Der kräftige verschwindet für 10 Minuten, um im Internet den Zug zu recherchieren. Kommt dann mit einem Ausdruck (er benutzte für die Information die Website: http://train.mza.ru): Da steht alles Notwendige in Russisch drauf: ja, es gibt noch einen Zug nach Sotschi/Adler.
Aber ich muss mich beeilen, um ihn noch zu erreichen. Sie erzählen mir auch was über die Reisepreise. Zwischen Bahnreise und Flug gebe es kaum einen Unterschied. Und Flug dauert nur 3 Stunden, weshalb sie Flug vorziehen würden. Für einen Kupe-Platz muss ich mit 2.000 Rubel rechnen. Doch ein Zug ist komfortabler, ich kann die Nacht über schlafen, etwas vom Lande sehen, kein Übergepäck zahlen und es nicht durchsuchen zu lassen, muss nicht warten an den Flughäfen und komme mit der Bahn ganz zentral in Sotschi an, ohne ein Taxi nehmen zu müssen.
Sie organisieren mir am Straßenrand einen Fahrer, der sagt, dass er den Weg zum Kasaner Bahnhof kennt. Der erste, der auf ihr Zeichen hin stoppte, wusste ihn nämlich nicht. Meine helfenden Freunde wissen, was angemessen ist: 300 Rubel. Ob ich in Euro zahlen will. Ja, okay; 10 EUR ist okay, sagen sie – und finden kurz darauf auch den Fahrer für mich. Arthur will mit mir kommen. Er denkt, ich brauche auf dem Bahnhof noch seine Hilfe. Wie bitte?! Die beiden Männer, die helfen (dabei sind immer noch der Wachmann und der in der Armeejacke) sagen, ich könne Arthur nicht trauen. Ich soll ihn keinesfalls mitnehmen. Es gehört auch etwas Energie dazu, ihn dazu zu bringen, abzulassen. Der englisch Sprechende regelt das mit dem Fahrer, hilft mir beim Einladen.
Ein Foto wollten sie, die mir wirklich halfen, nicht von sich (mit mir) machen lassen. Wozu? Später kann ich mich nicht mehr bedanken. Der englisch Sprechende telefonierte, bevor wir das mit dem Zug machten, mit Alex in Sotschi. Der sagte, er ist bereit für mich ab übermorgen. Der Englisch sprechende hat Alexejs Adresse aufgeschrieben: mit Kwartiernummer und Handynummer.
Rückkehr mit Ankunft am Ziel
Übrigens erfahre ich später doch noch die Kwartiernummer von Nadjas Wohnung. Wochen später komme ich aus Kasan nach Moskau und werde doch noch ihr Gast. Wir mailten uns zwischenzeitlich, trafen uns dann tatsächlich in einer berstend vollen Metrostation. Und anstelle des Trolleybusses mit der Metrosperre nahmen wir einen komfortableren Minibus neuer Bauart, so hoch, dass man ihm stehen konnte (Fahrkarte 15 Rubel, wie Metro). So gab es keine Probleme mit dem Gepäck beim Einsteigen.
Ihr Hauseingang befindet sich übrigens in dem Riesenwohnblock am anderen Ende des Hauses in der achten Etage. Da hätte ich mich lange durchfragen müssen. Gegenüber dem Haus gibt es einen westlichen Supermarkt, Billa (Österreich). Da kauften wir uns unsere Hähnchenbrust zum Abendbrot. Die Zweiraumwohnung teilt sie sich mit einer Freundin; sie zahlen umgerechnet zirka 700 € dafür Miete + 50 € Nebenkosten. Ich würde sagen, das ist etwa doppelt so teuer wie Neubauwohnungen in Berlin.
Unterhaltsame Fahrt im Schwarztaxi
Mein Fahrer hat einen hellen Audi 80. Den kaufte er in Deutschland. Dort arbeitete er in Bonn im Konsulat. Zwei Jahre lang. Er brachte diesen Audi 80 mit nach Moskau. Seitdem war er noch ein paar Mal in Deutschland mit seiner Frau. Er war in Frankfurt am Main, auch Marburg und anderswo. Das, was er an Deutsch gelernt hatte, hat er inzwischen wieder vergessen. Als ich am Kasaner Bahnhof mein Gepäck draußen hatte, gab ich ihm den versprochenen Zehner. Er freute sich sichtlich und wünschte mir eine gute Reise.
Im Kasaner Bahnhof
Ich kam ins Bahnhofsgebäude rein und wusste zunächst nicht, wieviel Zeit mir noch verblieb, sah auch keine Karten-Verkaufsschalter. Wann der Zug nach Sotschi abfuhr, sah ich bald an einem Fahrplan. Dann weiter: wo ist die Verkaufshalle? Ich fragte. Ein junger Mann, der noch Zeit hatte, ging voraus und brachte mich hin. Jetzt erinnerte ich mich wieder. Voriges Jahr war ich hier mit Nelli, die ich in Ufa mit ihrer Cousine am Denkmal von Salauat Julajew kennen gelernt hatte. Am nächsten Tage haben wir uns am Zug wieder getroffen und sind dann in einem Abteil nach Moskau und von dort nach ein paar Stunden nach Pieter zusammen gereist. Da waren wir auch den weiten Weg durch diesen Bahnhof gelaufen, um unser Gepäck zur Aufbewahrung zu bringen.
Dann am Schalter: Zug Nr. 12 nach Adler. Kupe eine Fahrkarte kostet 3.165 Rubel. Oh mein Gott. Die hatte ich gerade noch, um dieses Ticket sogleich zu kaufen. Es war noch etwas Zeit. Also zurück zur Geldwechselstube und noch 30 Euro getauscht mit schlechtem Kurs. Aber vorher noch die Szene an der Bistrobar mit dem Salat: Ich glaube, die Verkäuferin dort hatte mich betrogen, hatte Betrugsabsicht. Sie verdeckte mir die Sicht zur Waage, nahm wieder Salat aus dem Becher und tat ihn zu der Schüssel in der Auslage, obwohl in dem für mich bestimmten Becher noch ein anderer Salat war. Das vollzog sich dreimal, weil sie nicht kapierte, dass ich nur noch 100 Rubel hatte. Dafür bekam ich nur sehr wenig Salat (2 Sorten, eine mit Tintenfischarmen).
Dann noch was zu trinken. Eine Flasche Fanta für 30 Rubel (etwa 95 Cent). Und ab zum Zug. Noch knapp 10 Minuten habe ich bis zur Abfahrt. Wagen 15, Abteil 8. - Mit meinem Rucksack zog ich durch den engen Gang, zog die blaue Gardine an den Fenstern mit.
Meine Mitfahrer im Abteil
In meinem Abteil für 4 Personen sind zwei dicke Frauen mit einem Jungen. Ins Gespräch kommt man hier zwangsläufig, weil man sich arrangieren muss in der Enge. Ich überließ der einen Frau auf ihre Frage hin, auf welcher Seite oben ich schlafen möchte, die Wahl. Man muss auch Geduld haben, den anderen Zeit geben, dass sie ihre Sachen organisieren können. Denn die großen Teile kommen unter die untere Sitzbank. Da kam mein Rucksack hin. Über dem Türeingang ist noch ein größeres Fach. Dorthin kam mein großer Koffer. Um 22.35 Uhr war planmäßige Abfahrt.
Ich war sehr froh, den Zug erreicht zu haben. Unterhielt mich etwas mit den Frauen. Sie sind beide Omas des Jungen und fahren nach Chosta für 10 Tage. Chosta befindet sich zwischen Sotschi und Adler. Dort gibt es einen einzigartigen Naturpark. Der Betrieb, in dem die eine Oma arbeitet, übernimmt 85 Prozent, sie zahlt noch 15 Prozent des Urlaubs. Sie nennt mir den Preis: Hotel mit Essen inklusive, 3 Plätze ... Strand in der Nähe, aber kein Blick vom Zimmer auf den Strand.
Ich esse meinen Salat und lese nur noch wenig und knipse die kleine Leselampe so gegen Halbzwölf aus. Schlafe wie ein Murmeltier. Die Einfahrt in der größeren Stadt Woronesh habe ich gar nicht mitbekommen. Unsere Strecke führt zeitweise nahe an der ukrainischen Grenze entlang.
Zusammenfassung zu meinem Zug Moskau - Sotschi
Zug Nr. 12 von Moskau, Kasaner Bahnhof, nach Sotschi/Adler, Abf. 22.35, Ankunft in Sotschi: am übernächsten Tage um 6.49 Uhr, Aufenthalt in Sotschi bis zur Weiterfahrt nach Adler: 10 Minuten. Fährt bis zum 28.10. täglich. Preis für Kupe: um die 3.100 Rubel.
Montag, 2. Oktober
Verpflegung während der Bahnreise - Russische Küche erfahrbar
Mensch, ich habe kaum etwas zu essen dabei, dachte ich, als ich die drei in meinem Abteil am Abend essen sah. Aber das ist doch kein Problem: Dort, wo der Zug hält, kommen die Leute und verkaufen Essen und Getränke. Brötchen mit Marmelade sah ich nicht an einem Bahnhof im Orte namens "Liski". Ich wählte Kartoffeln mit 2 Buletten, auf einer Assiette mit Klarfolie überdeckt. Und 2 Salate dazu in Plastikdosen, für 100 Rubel. Von einem Mütterchen nahm ich einen kleinen Laib Brot für 10 Rubel. Man bekommt auch Honiggläser, Fisch, Piroggen sowieso, Süßigkeiten wie Waffeln und Schokolade.
Das Verkaufsszenario spielt sich immer wieder ab, von Bahnhof zu Bahnhof.
Naja, Bahnhof ist manchmal zu viel gesagt. Die Russen sprechen selbst von Haltestelle, Ostanowka. Ich kaufe später noch einen Kefir, mit Haut überzogen, für 15 Rubel und eine Teigtasche mit Erdbeerfüllung für 20 Rubel, dann bei einem weiteren Halt eine Tüte gerösteter Erdnüsse für 10 Rubel und – teuer, wie meine Frauen sagen – für 50 Rubel eine Halbliterdose mit Himbeeren. Die esse ich dann mit einem Löffel. Naja, das kann man als Westler schon tun, ohne das es Leid tut. Die Leute brauchen das und man hat selbst die Wahl, ob man es zu teuer findet. Meine Begleiterinnen meinen, 30 Rubel wären für die Himbeeren angemessen.
Der Zug hat im 8. Wagon auch ein Speiserestaurant. Ich war da nicht drin. Wenn der Zug auf einem Bahnhof steht, stehen die Dejurnajas an einer der beiden Türen ihres Wagens, die andere Tür ist verriegelt. Fremde Leute kommen ohne Kontrolle nicht rein. So auch beim Speisewagen. Es sei denn, sie erkennen, dass die Person mitfährt.
Die Frauen, so um die 50 bis 55 spielen mit dem Jungen, streicheln ihm über den Kopf mit sehr kurz geschorenem Haar. Ich habe eine gute Verbindung zu ihm. Ich kann mich schwerlich seinem Wunsche entziehen, mit ihm zu spielen. Einmal habe ich noch eine Ausrede. Der Platz auf dem Tisch reicht nicht, denn da steht noch Essen. Aber nach dem Essen spielen wir eine Art Mensch-ärgere-Dich-nicht!, ohne dass rausgeschmissen wird, danach ein Spiel mit Steinen und Punkten, Domino.
Ich habe dann auch begonnen, meinen Reisebericht zu tippen und die finanziellen Ausgaben zu dokumentieren.
In der Nacht hatten wir in Rostow am Don gehalten. Einige Kilometer lang vor Rostow fuhren wir durch langweilige Steppenlandschaft. Dann war aber plötzlich ein Fluss auf der linken Seite aufgetaucht. Das muss der Don sein, dachte. Und plötzlich waren auf einem Haufen viele Schiffe, als hätten sich die Kapitäne verabredet sich hier zu treffen.
Der Bahnhof in Rostow hat eine Fußgängerbrücke über die Bahnsteige, so etwa, wie ich sie schon in Samara gesehen hatte. Und Lebensmittelkioske auf dem Bahnsteig. Zum ersten Mal sah ich auch, wie sich hier Paare küsten und umarmten. Mir ist in Erinnerung, dass hier in Rostow die Scammer-Szene besonders aktiv ist. Leute, die den Kontakt über das Internet zu westlichen Männern suchen, nicht selten mit falschen Fotos, sie umgarnen und dann Geld brauchen, etwa, damit das mit dem Treffen klappt.
In der nächsten Nacht schlafe ich nicht gut. Es ist warm in unserem Abteil. Deshalb schläft der Junge auch nur schwer ein. Die eine Oma meinte, er schläft nicht ein wegen des Lichts meiner Lampe. Denn ich schrieb noch ins Laptop. Ich hörte damit sofort auf. Ich dachte, auf keinen Fall verschlafen, sonst bin ich auf einmal in Chosta oder Adler. Deswegen habe ich meinen Handywecker gestellt. Wir standen zeitweise auch lange. Einmal bin ich aufgestanden. Die Toilette war aber abgeschlossen.
Bereits um 4.35 Uhr klopfte die Prowodniza laut an unsere Tür. Ich schreckte aus einem intensiven Traum und rief deshalb: "Ja!" Das weckte die Frauen, die etwas stöhnten. So früh hätte uns die Schaffnerin nicht wecken müssen. Mehr als 2 Stunden vor der planmäßigen Ankunft! Was soll das?
Dienstag, 3. Oktober
Kurz bevor mein Handywecker zum ersten Mal klingelt, beginne ich mit dem Zusammenpacken, als eine der Frauen auch schon aufgestanden war für die Morgentoilette. Die Frauen sprachen sich übrigens mit ihren Vatersnamen an. Und in der "Sie-Form"! Der Zug steht dann in der letzten Stunde auch noch mal lange. Da war es noch dunkel.
In der Morgendämmerung fuhren wir mit etwas Verspätung in Sotschi ein. Ich stieg als Vierter aus und Aleksej stand gleich da in Höhe meines Wagons, mit einem Schild "Joerg". Er hat mich gleich erkannt. Nahm mir meinen Koffer ab. Ich sah ein tolles Bahnhofsgebäude.
Die Treppen herunter auf die Straße, gingen wir kreuz und quer, dann durch die noch schlafende Einkaufsmeile, die ziemlich eng ist. Er nannte mir markante Punkte zur Orientierung. Ja, es ist nur 10 Minuten oder nicht einmal bis zu seiner Wohnung.