Vorhin hörte ich einen dreiviertelstündigen sehr interessanten und aufwändig gemachten Beitrag im Deutschlandradio über das Exempel, das an Chodorkowski statuiert wird: Die Beamtenschaft zeigt an ihm, wer Herr im Hause Russland ist. Zweitüberschrift:
Von der Mühsal, Chodorkowski zu verteidigen
Hier gibt es eine Info des Radiosenders und das Manuskript:
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/dasfeature/986970/
Ich hoffe, die Sendung wird noch online gestellt, denn ich habe sie nicht mitgeschnitten. Die Sendung liegt als mp3-Datei vor, auch als pdf und txt-Datei. In der Sendung kommen Chodorkowskis Eltern zu Wort und eine Rechtsanwältin, die ihn verteidigt.
Es gibt mehrere Verteidiger Chodorkowskis. Einer erzählte in Berlin im Winter 2006 zu Gast bei der Heinrich-Böll-Stiftung am Hackeschen Markt von dem ungerechten Verfahren gegen Chodorkowski, den von der Staatsanwaltschaft zahlreich begangenen Verletzungen der Verfahrensrechte, die nach der russischen Prozessordnung gelten (sollen), Robert Amsterdam. Ich war damals dabei und habe einiges Material zum Yukos-Skandal zusammen getragen.
Viele andere Oligarchen werden von der russischen Staatsmacht unbehelligt gelassen, ist mein Eindruck. Konsequentes Bekämpfen der White-Collar-Kriminalität in Russland ist für mich nicht erkennbar. Chodorkowski hat sich für Demokratie im Lande eingesetzt, hat eine Menschenrechtsorganisation gegründet, bei Moskau das Korallowo-Lyzeum in der Wohnumgebung von Neureichen gegründet, an dem Schüler aus ärmlichen Verhältnissen hervorragende Lernbedingungen vorfinden, auch Schüler von der Schule in Beslan, an der während der Geiselnahme von 1.200 Schülern im September 2004 331 Menschen ums Leben kamen. Diese Schule feiert gerade ihr 15-jähriges Bestehen. Er wollte mehr solcher Einrichtungen gründen. Ich habe jetzt nicht den Überblick über seine vielen Einsätze für mehr Menschlichkeit. In Südrussland am Schwarzen Meer kenne ich eine ganz besondere Schule - ja mehr als das: ein kleines Paradies für Kinder und Jugendliche -, die ein weißhaarigen Duma-Abgeordneter aufgebaut hat, mit Spendenhilfen, um die er sich stets sehr bemühen musste. Es ist Professor Michail Petrowitsch Schetinin. Ich sollte darüber noch schreiben.
Es gibt so krasse Gegensätze zwischen kalten, skrupellosen und klugen warmherzigen Menschen... Ein Kommentator, der am 12. Mai zu einer der Verhandlungen gegangen war, schrieb im Juni auf einen Artikel des Tagesspiegel "Chodorkowski - Testfall für die russische Justiz": "PS Aus der Ferne ist Putin soo nett - hier lebensgefährlich."
Jens Siegert hat den zweiten Prozess gegen Chodorkowksi und Lebedjew in Moskau auch miterlebt und darüber im Blog der Heinrich-Böll-Stiftung geschrieben.