Im September 2010 besuchte ich mit einer russsischen Freundin die Allunionsausstellung in Moskau. Hier war ich schon einmal als Schüler (10. Klasse-Abschlussreise). Wir bestaunten insbesondere eine Salutstation mit angekoppelter Sojus-Modul und eine Kopie des ersten künstlichen Erdtrabanten "Sputnik". In Moskau sagt man kurz "WDNCh" zu dem Ausstellungsgelände, eine Abkürzung für "выставка достижений народного хозяйства", Ausstellung der Errungenschaften der Volkswirtschaft.
Der Park hat eine großflächige Ausdehnung. Er befindet sich nördlich vom Zentrum, nicht weit vom Moskauer Fernsehturm, einer weiteren Sehenswürdigkeit. Man erreicht das Ausstellungsgelände mit der orangen Metrolinie, Metrostation WDNH. Kommt man aus der Metrostation heraus, sieht man auch bald das Kosmonautendenkmal mit der Rakete und ihrem silbernen Schweif und in etwa der gleichen Richtung den Moskauer Fernsehturm. Das sind Sehenswürdigkeiten, die man nacheinander an einem Tage besuchen könnte.
Wir bewegen uns auf den Platz zu, der für zahlreiche Busse Parkfläche bietet, auf ein riesiges Tor hin. Hier habe ich es fotografiert.
Wenn wir durch das Tor hindurch gehen, sehen wir rechts ein großes Riesenrad. Es war bei meinem Besuch im September 2012 an einem Wochentag vormittags nicht in Betrieb, da kaum Besucher vorhanden waren; und die Sitze waren noch vom letzten Regen nass.
Die Hauptachse, auf der die Besucher mitten durch den Park entlangflanieren, ist ein Boulevard, der am großen Tor beginnt. Auf beiden Seiten des Boulevards befinden sich Pavillons. Jede Sowjetrepublik präsentierte sich in einem Pavillon. Es gab 15 Sowjetrepubliken in der Sowjetunion. Nicht alle dieser Gebäude werden noch zu jenen Repräsentationszwecken benutzt. Heute gibt es weniger Mitglieder der Nachfolgeorganisation GUS, Gemeinschaft Unabhängiger Staaten.
Was ist aus den Pavillons der ehemaligen Mitglieder geworden?
Nun, einen sahen wir uns an, der ziemlich verwaist war. Es gab dort eine Bilderausstellung. Ein Sicherheitsmann saß drinnen an einem Tisch und langweilte sich. Kaum Besucher. Wochentags, am Vormittag. Hier erzählte mir meine Begleiterin eine Geschichte aus ihrer Jugend, als sie mit einem Sportteam hier war. Hier gab es Dinge zu kaufen, die sonst in ganz Russland rar waren. Dazu gehörten bestimmte Sportgeräte und Bananen.
Die GUS-Mitglieder präsentieren sich auch heute noch. Manche mehr, andere weniger. Hier wird nicht nur gezeigt, sondern auch verkauft. Mir gefiel der Pavillon von Karelien, vom Haupteingang aus gesehen, ziemlich weit vorn rechts. Eine große Auswahl von Wandteppichen, Wohnungstextilien (schwere farbenprächtige Gardinen), Stickereien, Möbel, Gemälde von einheimischen Künstlern, Tücher und Schaals, Kissenbezüge. Nicht billig, traditionell. Schwere Stoffe, Samt.
Wer nicht viel zu bieten hat, verkauft Flugtickets ... Der Pavillion von Kirgistan hat kaum was zu bieten. Drinnen hat man das Gefühl, in einem Bahnhofssaal zu sein. Es gibt ein Reisebüro bzw. einen Schalter für Flugtickets. Die Jurte davor war geschlossen.
Etwa im Scheitelpunkt des Boulevards befindet sich ein vergoldeter Brunnen mit Fontäne. Im Brunnen (am Brunnenrand) befinden sich 15 Figuren. Jede verkörpert eine Sowjetrepublik. Das ist der Brunnen der Völkerfreundschaft.
Es gibt am Boulevard noch einen zweiten Brunnen. Es heißt die Steinerne Blume". Ich traf hier Figuren wieder, die ich in meiner Kindheit in den Märchenfilmen bei Professor Flimmerich gesehen habe (Kindersendung im Samstagnachmittag, an der ein Kinderfilm gezeigt wurde, oft russische Filme). Hier begegnete uns ein älterer Mann auf Rollerbladern und MP3-Player mit Lautsprecher, den er in der Hand hielt. Das war skurril. Er fuhr Schleifen wie ein Eiskunstläufer. Man kann sich die hier irgendwo ausleihen. Man kann sich aber auch mit einer Rikscha fahren lassen oder in einen Minitrain einsteigen; was ich aber albern finde. Zum Entdecken des Geländes geht man hier lieber selbst, wenn man kann, finde ich.
Schon mal unter einer Rakete gestanden? Hier kann man das tun. Eine hängt an einem Kranarm. Daneben befindet sich ein ausrangiertes Passagierflugzeug Jak 42, bemalt mit Motiven zum Thema Zweiter Weltkrieg (Großer Vaterländischer Krieg). (In meiner Kindheit hatte ich ein Modellflugzeug Jak 40 zum Zusammenkleben, aus Plaste.) Es ist auch ein Jagdbomber TU-2 darauf zu sehen. (Auch von dem hatte ich ein duneklgrünes Plastemodel) Ob man noch die Raumfahrtobjekte sehen kann, die früher in einem riesigen Pavillion zu sehen waren, Sojus und Salut-Station, weiß ich nicht. In jenem Gebäude war ich beim letzten Besuch nicht drin. - Aber ich habe jetzt noch mal mein Album herausgekramt. Auf den Schwarz-Weißbildern habe ich auch die Rakete, die damals aber nicht senkrecht hing, sondern auf einem Träger lag. Und es wurden damals mindestens zwei Flugzeuge ausgestellt, vielleicht auch mehr.
Der Park wirkte auf uns etwas verlassen, so als ob die Saison gelaufen ist. Deswegen und wegen dem nicht so berauschendem Wetter hatten wir nicht so die ganz große Lust, uns auch den Garten abseits des Boulevards anzusehen. Wer Appetit auf Schaschlyk hat - hier gibt es ein paar Grillstände. Oder man kehrt in ein Restaurant ein. Ich musste mal die kleinen Ringe probieren, die, wenn sie aus der Friteuse kommen, mit Puderzucker bestreut werden, Pyschki. Von den Krümeln fütterten wir die Spatzen an unserem Bistrotisch, draußen vor dem Stand.
Es gibt ein Delfinarum auf dem Gelände, im achten Pavillion.
Es gibt natürlich Ausstellungen. Z.B. die "Orthodox Exhibitions" zum Thema Religion und Kirche, 3x im Jahr: April, September und Dezember (www.exponica.ru)
Für wen geeignet:
Es ist nicht mehr das, was es einmal war, es hat nicht mehr den Stellenwert wie in den 80ern. Mit dem Ausbruch der baltischen Länder ist die Idee dieser Ausstellung, denke ich, auch beschädigt worden, und überhaupt mit dem Ende des Sozialismus in Russland als Gesellschaftsform. Die Pavillions sind heute eher Basare. Aber die Ausstellung hat für die Darstellung der Geschichte der Union der russischen Sowjetrepubliken ihre nationale Bedeutung. Aber die wirtschaftlichen Errungenschaften Russlands der heutigen Zeit schaut man sich besser woanders an. WDNH ist heute mehr ein Freizeitpark als eine Staatspräsentation und Präsentation eines Gesellschaftsmodels.
Prima, um eine fremde Person kennen zu lernen, sich was von früher erzählen zu lassen oder mit einer Freundin am Tage auszugehen. Toll auch für Familien mit Kindern. Oder man kann hier auch ein Fahrrad testen oder Rollschuhlaufen.
Der Eintritt ist frei.
Update 09.07.2013: Seit Ende Juni 2013 ist der Ausgang der Metrostration WDNH zum Ausstellungsgelände (die Nordseite) wegen Renovierungsarbeiten gesperrt, voraussichtlich für ein Jahr (bis 1. Juni 2014). Unter anderem müssen die in den 50er Jahren installierten Rolltreppen ausgetauscht werden, desweiteren auch Kabel, die Ventilationsanlage. (Sekundärquelle, die sich in ihrer Meldung vom 24.06.2013 auf www.inmsk.ru bezieht: http://en.travel.mos.ru/what/welcome/news/text7499.html)
Aktualisierung 17.08.2015
Seit Anfang August 2015 gibt es auf dem Gelände der WDNCh ein Schwimmbad und feinen Sandstrand, mit Volleyballfeldern, erfahre ich heute aus Twitter.
[Aktualisierung 06.04.2018
Seit Dezember 2016 wird das flache Gelände zwischen den Gebäuden im Winter zur größten Eislauffläche in Russland gestaltet.]
Link
Website der Allunionsausstellung: http://vvcentre.ru/ - informiert über Ausstellungen und Veranstaltungen auf dem Gelände (auch ein wenig auf englisch).
Geschichte der Ausstellung, mit vielen alten Bildern: http://savok.name/130-vdnh.html
Bilder zur Ausstellung: https://www.ost-impuls.de/pages/gallery.html?gallery=Moskau/Allrussische-Unionsausstellung-WDNH/