Bevor ich die Serie zu Hotelbuchungsportalen mit Preisvergleichs-Metasuche mit der Besprechung von zwei weiteren Hotelbuchungsplattformen, nämlich Hotel.de und HRS, fortsetze, möchte ich noch mal daran erinnern, dass ich im ersten Teil dieser Serie auf die Informationen über Hotels eingegangen war, die von Hotelbesuchern gesammelt werden. Zum user-generated Content fand ich über Twitter einen Hinweis auf eine aktuelle Gerichtsentscheidung zu dem Thema Hotelbewertungen.
Zur Vertiefung des Themas gehe ich im Folgenden (erweiterter Eintrag) auf einige Problemfälle des Jahres 2011 ein.
Zunächst möchte ich Ihnen die Gerichtsentscheidung vorstellen (im erweiterten Eintrag, unter 1.).
Der Hintergrund für die Motivation zu diesem Artikel mit gesammeltem Material zum Thema Kundenbewertungen (einschließlich touristischer Bewertungs-Plattformen) liegt im Folgenden:
Bewertungen von Nutzern über von ihnen gekaufte Waren, genutzte Dienstleistungen, über Reisen, an denen sie teilgenommen haben usw. werden von den Käufern oder Nutzern, ob privat oder geschäftlich zur Kaufberatung benutzt, mit der Intention die Werbeaussagen der Hersteller oder Dienstleistungsanbieter zu überprüfen. Man mag vielleicht nicht einzelnen Bewertungen vertrauen. Man kennt eben nicht die Motive für die besonders positive oder negative Bewertung durch einen Person. Aber wo viele Bewertungen vorliegen, wächst das Vertrauen in die Meinung der Masse.
Das wissen natürlich auch Marketingleute und deswegen wurden schon längst Marketing-Werkzeuge geschaffen, mit denen man diesen Verbraucherglauben an die Richtigkeit der Meinung einer Summe von vielen Verbrauchern für den Verkauf eigener Produkte (aus)nutzen kann. Und diese Marketing-Werkzeuge oder -dienstleistungen werden an Verkäufer, Dienstleister und Hersteller verkauft. Platziert werden die Fake-Bewertungen auch in sozialen Netzwerken.
"Wenn ein Unternehmer eine Agentur beauftragt, positive Bewertungen über ihn zu verfassen, betrügt er sich selbst und verstößt sicherlich gegen den Firmengrundsatz der Ehrlichkeit, vorausgesetzt, diesen gibt es."
Bernd Reutemann, Service-Kamasutra (2011), S. 62
(Potentielle) Kunden werden von Unternehmen aber auch direkt als Fans bei Facebook oder Follower bei Twitter geworben. Verbraucher lassen sich selbst als billige Arbeitskräfte misbrauchen, indem man ihnen z.B. nur eine Gewinnchance verspricht, wenn sie sich als Fan anmelden. Oder einfach nur Anerkennung dadurch, dass ihr Beitrag auf einem Portal top-platziert veröffentlicht wird. Das sind häufig dann die User, die selbst keinen eigenen Blog haben.
Diese Entwicklung halte ich nicht für gut, denn sie führt u.a. dazu, dass Spezialisten Jobs verlieren oder schlechter bezahlt werden (z.B. Journalisten). Dieser Marketing-Trend schlägt außerdem auf uns Verbraucher zurück, weil wir es mit unqualifizierten, schlecht bezahlten Personen im Service der Unternehmen, deren Kunden wir sind, zu tun bekommen. Oder mit schlechteren Artikeln in Zeitungen, mit fehlenden Quellenangaben, nicht zitierfähig.
Positive Bewertungen für eigene Produkte lassen sich im großen Stil kaufen. Das muss gar nicht teuer sein dank Globalisierung. Auf die Erstellung von Bewertungen haben sich z.B. Firmen in Indien spezialisiert, von deren Mitarbeitern sich westliche Firmen viele positive Bewertungen und Kommentare erstellen lassen.
Diese gefakten Bewertungen (positive für eigene Produkte oder negative für Produkte der Konkurrenz) sind Spam für die Verbraucher oder Reisewillige, die sich unverbindlich und unbeeinflusst vom Verkäufer selbst informieren wollen. Der Konkurrenzkampf in der Wirtschaft findet auch in den sozialen Netzwerken statt, auch auf den Bewertungsseiten, z.B. auch bei Amazon (z.B. Buchrezensionen).
Mein Motiv ist es, Ihnen zu helfen, solchen Spam zu filtern. Diese Art des Spams ist eine Form des unlauteren Wettbewerbs.
Auch für fortgeschritten internetaffine Verbraucher ist es nicht leicht, derlei gefakte Bewertungen von echten Bewertungen zu unterscheiden. Vor kurzem haben amerikanische Forscher eine Software entwickelt, die aus Datenbanken von Bewertungen die unechten erkennen kann... - dazu mehr im erweiterten Eintrag (unter 3.)
Das alles gilt auch für die Tourismus-Industrie. Ich sage nur wieder (wie zum Thema Bonussysteme und Airlines):
Lassen Sie sich nicht von Marketing-Profis manipulieren!
1. Schmähkritik gegenüber einem Hotel in Hotelbewertungsportal, dessen Inhaber auch ein Online-Reisebüro betreibt.
Das Landgericht Hamburg entschied in seinem Urteil vom 01.09.2011, Aktenzeichen 327 O 607/10 über die Klage einer Hotelbetreiberin, die auf einem Reiseportal mit Hotelbewertungsfunktion in eben diesem Bewertungsteil negativ bewertet worden war. Eine Hotelbetreiberin hatte geklagt, um zu erreichen, dass es der beklagten Portalbetreiberin gerichtlich verboten wird, in dem Bewertungsbereich ihres Portals bestimmte geschäftsschädigende Behauptungen Dritter über das Hotel der Klägerin (A&O Hostels) zu verbreiten. Die Klägerin behauptete, dass im Bewertungsteil unwahre Behauptungen über ihr Hotel verbreitet wurden und sah darin einen unlauteren Wettbewerb.
Die Beklagte (Holidaycheck.de) stritt ab, eine Konkurrentin der Klägerin zu sein, sodass hier kein unlauterer Wettbewerb vorliegen könne, denn sie betreibe das Meinungsportal unabhängig von dem Reiseportal.
Dem folgte das Landgericht nicht und gab der Klage überwiegend statt und verbot der Beklagten, mehrere von der Klägerin angegriffene Nutzerkommentare zu verbreiten. Das Landgericht kam zu dem Ergebnis, dass die Beklagte das Bewertungsportal als Teil ihres gewerblichen Online-Reisebüros betreibe. Beide Teile sind nach Überzeugung des Gerichts eng miteinander verzahnt und eine Trennung in verschiedene Geschäftsbereiche nicht möglich. Im Vordergrund stehe für die Beklagte bei dem Meinungsportal nicht das uneigennützige Motiv, die Öffentlichkeit zu informieren, sondern die Attraktivität ihres gewerblichen Online-Angebots zu steigern. Daran sei nichts verwerflich, jedoch würden andere Maßstäbe gelten als für die Betreiber rein informativer und nicht gewerblichen Zwecken dienender Bewertungs- und Meinungsäußerungsportale.
Wer als Mitbewerber einen anderen Mitbewerber herabsetze, werde strenger beurteilt, als derjenige, der nicht gewerblich tätig sei. Wer als Mitwettbewerber herabsetzende Tatsachen über einen anderen Wettbewerber verbreite, müsse diese auch beweisen können. Dies sei der beklagten Portalbetreiberin nur zum Teil gelungen.
Quellen:
http://justiz.hamburg.de/presseerklaerungen/3054076/pressemeldung-2011-09-05.html
Hotelier zieht in den Kampf gegen Bewertungsforen, von Bernd Lammert, http://m.ftd.de/artikel/60138858.xml?v=2.0
Ergänzung 20.01.2012:
Zwischen A&O Hostels und Holidaycheck gibt es noch mehr Zoff, der auf einer anderen Schiene ausgetragen wird. Datev teilte gestern ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Hamburg (Az.: 5 U 51/11) von gestern (19.1.2012) mit, wonach die Klage des Hostel- und Hotelinhabers abgewiesen wurde. Die Rede ist zwar nicht von A&O Hostels. Doch nach den mitgeteilten Umständen und den Informationen des zuvor erwähnten Artikels in der Financial Times Deutschland lässt es sich schlussfolgern.
Die Klägerin nahm für sich in Anspruch, die Bewertung ihrer Hostels/Hotels durch Benutzer auf dem Hotelbewertungsportal, ob sie nun schon Gäste dieser Häuser waren oder nicht, verbieten zu können. Sie qualifiziert das Bewertungsportal als virtuellen Pranger ab. Die 5. Kammer des OLG Hamburg wertete jedoch das Interesse der Öffentlichkeit an den auf dem Portal mitgeteilten Informationen und Meinungsäußerungen als höherwertiger gegenüber dem allgemein auch schützenswerten Interesse der Klägerin vor Verleumdung. Außerdem würde ein solcher Unterlassungsanspruch dazu führen, dass Hotelbewertungsplattformen gar nicht betrieben werden könnten.
Quelle: http://www.datev.de/portal/ShowPage.do?pid=dpi&nid=130934
Kommentar: Da kann ja jeder kommen, dem eine von Dritten geäußerte Meinung nicht passt, mit dem Anspruch, dem das Rede- und Mitteilungsrecht zu entziehen. Wo kämen wir denn da hin? Wir würden alle sprachlos. Eine Welt von Euphemismen und Lügen. Das Ansinnen der Klägerin, nach den von der Datev mitgeteilten Informationen ist abwegig. Sie muss schon eine Löschungsklage erheben und darlegen und beweisen, dass die von den Benutzern behaupteten Tatsachen unwahr sind.
2. Touristik-Konzern Unister startet eigenes Hotelbewertungs-Website und wirbt mit Qualitätssiegel, das angeblich unabhängig sein soll
Im Frühjahr 2011 ging mit Holidaytest.de eine weitere Website für Hotelbewertungen online. Das ist eine Website des Unister-Konglomerats. Hier führt Unister die 200.000 Hotelbewertungen seiner Reiseportale zusammen. Die Touristen, die mit Unister gereist sind, werden angehalten, das von Ihnen genutzte Hotel nach der Reise zu bewerten. Belohnungen soll es dafür nicht geben, sagte der Chef Ralph Michaelsen der Touristik-Fachzeitschrift FVW.
Nun hat Unister seinem Bewertungssystem noch ein Qualitätssiegel gegeben, das als "unabhängiges Qualitätssiegel der Reisebranche" bezeichnet wird. Darüber ärgern sich viele konkurrierende Touristiker. Was hier Qualität bedeutet, wird systemintern bestimmt und nicht von der Branche, kritisieren sie. Es ist ein Streit mit dem Vorwurf der Subjektivität und damit um die Behauptung der Unabhängigkeit der Bewertungen.
Michaelsen verteidigt das Siegel u.a. mit der Aussage, dass ein Hotel ein Unister-Siegel nur erhält, wenn es eine Mindestanzahl von Bewertungen gibt. Diese Zahl gab er nicht bekannt. Es wird befürchtet, dass bestimmte Hotels damit "gepusht" werden können. In der Tat darf man bei solcher Intransparenz Eigennutz von Unister befürchten, zumal unklar ist, wie die Güteklassen "exzellent", "sehr gut", "gut", "befriedigent" und "ausreichend" zustande kommen, die Unister bestimmt.
Der Geschäftsführer des Hotelbewertungsportals erklärte gegenüber der FVW, rechtliche Schritte gegen Unister zu prüfen, da mit der Wahl des Domainnamens in Kombination mit dem "Gütesiegel" der Eindruck erweckt werde, es handele sich um ein unabhängiges Gütesiegel. Die Stiftung Warentest sieht sich aber nicht durch den Namen Holidaytest bedroht.
Quelle: FVW vom 24.6.2011. S. 8.
Ich warne davor, ohne Hinterfragung Bewertungssysteme, hier speziell Hotelbewertungssysteme zu benutzen und sich auf die Ergebnisse zu verlassen und anhand dessen eine Hotelauswahl zu treffen. Lassen Sie unlauteren Wettbewerbern keine Chancen!
3. Software zum Aufdecken gefälschter Bewertungen
Heise meldete am 27. Juli 2011, dass Wissenschaftler der US-amerikanischen Cornell-Universität einen Algorithmus entwickelt haben, mit dem in einem Feldversuch betrügerische Online-Bewertungen mit einer Wahrscheinlichkeit von knapp 90 % identifiziert werden konnten. Menschen haben mit dem Erkennen von gefälschten Berichten nämlich generell ein Problem, meinten die Forscher. Für die Entwicklung des Algorithmus hatten die Forscher herausgearbeitet, welche typischen Unterscheidungsmerkmale es zwischen echten und tatsächlich gefälschten Berichten gibt.
Bei der sprachlichen Analyse von Hotelbewertungen kam heraus, dass wahre Berichte mehr ins Detail gehen und konkrete Begriffe im Zusammenhang mit dem Bewertungsobjekt benutzen, also z.B. "Bad", "Check-in" oder "Preis". Auch benutzen Ehrliche mehr Substantive, Betrüger eher Verben. Die Wissenschaftler fanden weitere Merkmale heraus. Nach dem Algorithmus wurde eine Software entwickelt, die Hotelbewertungen analysierte. Dazu ließ man als Vergleichsgruppe Personen jene Hotelbewertungen einschätzen. Die Software soll auf andere Anwendungsfälle neben Hotelbewertungen ausgeweitet werden und dann als Vorfilter für Bewertungsportale dienen.
Quelle:
http://www.heise.de/newsticker/meldung/Software-spuert-truegerische-Bewertungen-auf-1286360.html
4. Kriterien zur Bewertung der Seriosität von Bewertungsplattformen
4.1. Die Bewertungsplattformen versprechen den Bewertern keine Vorteile (Provisionen, Rabatte, Coupons)
4.2. Bewerter müssen sich registrieren
Es muss Barrieren für Abgabe von Bewertungen im Vorübergehen geben. Wenn niemand prüft, ob die Abgeber von Bewertungen als die Person, als die sie sich ausgeben, nicht existieren, ist das wenig vertrauenserweckend. Die Frage ist also: Wie kämpft der Inhaber des Bewertungsportals gegen Zombie-Bewerter?
Das Anlegen von Mehrfachkonten muss einer Person erschwert oder gar verhindert werden
Lesetipp: Was ist eine Sockenpuppe? Erklärung auf Wikipedia.
4.3. Informationen über Bewerter sind sichtbar: seit wann registriert?, wieviele Bewertungen abgegeben?
4.4. Bewerter, die keinen alias angeben, sondern ihren richtigen Namen, sind größere Vertrauensträger (als natürliche Personen). Allerdings muss die Identität im echten Identifizierungsverfahren geprüft worden sein (z.B. Identifizierung in Filialen der Deutschen Post). Dann handelt es sich nämlich um Referenzen.
4.5. Eine Referenz wird dadurch aufgewertet, dass der Referenzgeber erreichbar ist, also Kontaktdaten hinterlassen hat, unter denen er a) erreichbar ist, b) auf Anfragen auch antwortet.
Personen, die am liebsten alles anonym tun und sich partout nicht zu erkennen geben wollen, sich auch nicht in dem Bewertungsforum, in dem sie ihre Bewertung(en) abgeben, engagieren, sind keine besonders wertvollen Bewerter.
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Die Liste wird weiter ergänzt.
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