
ITB-Bericht: Podiumsdiskussion - Kampf der Hotelportale - und jetzt kommt Google Finder
Ragge stimmt ein: Coupoing in der Hotelbranche mit diesen Anbietern sei Kanibalismus. Er muss bei deren Vertriebskonditionen schmunzeln. Die verlangen 50% günstigere Angebote für Verbraucher vom Normalpreis + Provision. Aber HRS wird schon kritisiert, wo es 15 % Provision vom Hotel verlange (bezugnehmend auf in den Medien geäußerte Kritiken anlässlich einer kürzlich erfolgten Abmahnung vom Kartellamt in Bezug auf die Bestpreisgarantie).
Groupon und Dealz als Vertriebskanal werden also als Vertriebskanal abgelehnt.
Wo funktioniert für das Hotel der Googlefinder als Kundenfänger und wo nicht?
Ziegler meint, der Googlefinder geht da gut, wo der Kunde eine Städtereise plant und eine einzelne Nacht im Hotel sucht, dagegen nicht bei langen Reisen, Reisen mit hohem Preis und bei beratungsintensiven Reisen. Da lässt sich schlecht durchskalieren. Mit dem Skalieren ist gemeint, die Informationen zu klassifizieren und zu sortieren und diese dann nach unterschiedlichen Kriterien aufgelistet darzustellen. Je komplexer die Reisen, desto schwerer vergleichbarer werden die Angebote. Je mehr entscheidungsrelevante Attribute alle Angebote aufweisen, desto genauer sind die Angebote zu vergleichen und desto besser zu skalieren (in Reihenfolgen zu bringen).
Und hier hat Google ein Defizit an eigenem Content, bei anspruchsvolleren Attributen, bei Sonderwünschen, bei Individualreisenden. Jede Rubrik hat bereits ihre Spezialisten: Länderspezialisten - wie Ost im Puls, Spezialisten für bestimmte Reiseformen - Radfahren - Radreisen, Motoradreisen, Wanderreisen, Familienreisen ...
Derlei spezielle Informationen finden Reisende auf spezialisierten Bewertungsportalen. Die sind für Hotelbewertungsportale extrem wichtig, habe ich bereits hier im Blog dargestellt.
Kampf gegen Hotelbewertungsmanipulationen
Marketer versuchen sich hier einzumischen und die Hotelbewertungen zu manipulieren. Derlei Maßnahmen untergraben die Glaubwürdigkeit von Portalen. Daher kämpfen die Bewertungsportale gegen Bewertungsbetrug an.

Ziegler von Holidaycheck erklärt, dass es bei Holidaycheck seit kurzem einen Alarm-Knopf gibt, den Kunden drücken können (und sollen), wenn sie denken, dass ein Hotel Meinungen gefälscht hat. Das ist eine Qualitätssicherungsmaßnahme. So etwas hat Googlefinder nicht.
So hat Ziegler denn auch keine Angst vor Googlefinder. Auch Ragge sieht das Verhältnis zu Googlefinder einigermaßen gelassen. Man wird nicht gegen den Googlefinder arbeiten, sondern mit Googlefinder. Das ist ein Suchmittel, das sich zwischen den Kunden/User und die Hotelbuchungsportale klemmt. Die verlangte Provision lässt sich aber für die Hotelbuchungsplattformen aushalten.
Wird angesichts dessen für die Hotels der Online-Vertrieb immer teurer, gar zu teuer?
Billiger wirds wohl nimmer mehr, aber das Hotel kann ja intern noch einiges effizienter gestalten und damit Online-Vertriebskosten kompensieren, meint Tim Schütrumpf, der Hotels beim Online-Vertrieb berät.
Welche Kosten denn nun durch Googlefinder entstehen, wird dann doch noch besprochen, obwohl, wie oben schon geschrieben, dieser Unterhaltung nur schwer zu folgen ist.
Horster erklärt: Ein Hotel zahlt, wenn es eine Schnittstelle wie Seekta benutzt, 0,3 % Provision des Wertes, der gebucht wird. Dagegen zahlen 0,2% die OTAs (pro Klick, mal Konvertierungsquote), die über Googlefinder gefunden werden.
Ragge sagt, auch HRS bezahlt 0,2 % an Googlefinder. Aber jetzt ist im Gespräch, 0,3 % zu bezahlen, um damit höher in der Ergebnis-Liste zu stehen. Das wäre dann ja das, was die Hotelbuchungsportale zum Teil selbst den Hotels anbieten. Vordere Plätze in den Suchergebnissen sind bezahlte Plätze.
- Damit würde sich Google aber doch von seinem Best-Content-Konzept entfernen, siehe dazu schon meinen Hotelfinder-Artikel.
Dagegen zahlt ein Hotel an HRS 15 % bis manchmal hoch zu 35 % an Vertriebskosten im Verhältnis zum Zimmerpreis.
Herr Lindemann wird gefragt, wo für seine Hotels in Hinsicht auf die Vertriebskosten denn die Schmerzgrenze liege.
Bei den eigenen Hotels liegen die Kosten pro Gast im Schnitt bei 3,80 € bis 4,80 €. Gespart werden kann im Hotelhaus, nicht bei externen Vertriebskosten (zumal es ja, wie Ragge schon im ersten Teil gesagt hat, eine Konsolidierung unter den Hotelbuchungsportalen vonstatten geht, an deren Ende nur noch drei große übrig bleiben werden).
Die Bedeutung der OTAs (siehe Glossar) wird etwas abnehmen, da Google die Suchergebnisseiten mit Resultaten aus verschiedenen Rubriken mischt, so dass für gesuchten Text eben nicht mehr 10 Textstellen angezeigt werden sondern stattdessen auch Seiten mit Videos und Bildern zu den keywords. Damit nimmt die Sichtbarkeit der Hotelbuchungsportale in den SERPs (= Search Engine Result Pages) tendenziell ab.
Die Hotelbuchungsportale sind nicht nur stark im SEO, sondern auch im SEM (Search Engine Marketing) und geben viel Geld für Adwords aus. Diese erscheinen neben den generischen Suchergebnissen. Oben steht, wer am meisten zahlt. Die Hotelbuchungsplattformen können hier kräftig mitmischen.
Ragge erklärt, dass HRS sage und schreibe 14 Millionen keywords bei Google Adwords eingebucht hat, um Kunden von der Google-Suchtrefferseite abzuholen. Für die erfolgversprechendsten kurzen Texte in den Adwords-Widgets werden von den HRS-Spezialisten ständig A-B-C-Tests durchgeführt, um zu sehen, was am besten konvergiert.
"Wer auf Google mit seiner Website nicht auffindbar ist, hat praktisch keine.", Tim Schütrumpf
Wer SEO nicht ernst nimmt, sollte sich überlegen, ob er nicht gleich seine Website auf eine schlichte Web-Visitenkarte beschränkt und ganz auf externen Vertrieb setzt. Das wäre konsequent, wenn man schon keine webaffinen Mitarbeiter sucht (siehe oben), meine ich.
Die Sieger des weiteren Konsolidierungsprozesses
Ragge sagt voraus, dass binnen der nächsten drei Jahre aus dem harten Konkurrenzkampf unter den Hotelbuchungsportalen nur noch drei als Sieger übrig bleiben. Er ist sicher, dass HRS darunter sein wird, sagt er voll Selbstbewusstsein strotzend. Der Preisdruck ist enorm und zwingt zu einer starken Skalierung der Produkte, sagt er.
Eine Frage der Technologie und des Investorenkapitals. Ich bin dieser Ankündigung gegenüber skeptisch, obwohl ich freilich den Wissensvorsprung von Ragge anerkenne. Aber worauf genau bezieht sich Herr Ragge? Auf die weltweit agierenden Anbieter, auf den deutschen Markt, auf Europa? Und überhaupt fehlt dem Zuhörer und Zuschauer der Diskussion hier zur Bewertung dieser Aussage der plakative Hintergrund. Ich habe hier eine Übersicht mit den Marktteilnehmern vermisst. Die hätte man an die Wand werfen können. Mangels dessen erscheint mir die Aussage eher als ein jugendliches Muskelspiel. (Dies mal als Entschuldigung gegenüber den Studentinnen der Hotelfachschule am Eingang zur Lounge und als Ersatz für das von mir wegen der Eile nicht ausgefüllten Bewertungsblatts zur Podiumsdiskussion.)
Es ist auch eine Frage, wer mit welchem menschlichen Aufwand die Technologie entwickelt (etwa: die automatische Übersetzung von geografischen Begriffen und von Sätzen - Semantik). Das Entwickeln und Betreuen der Datenbanken könnte in Asien günstiger sein als in Europa.
Darüber, wo HRS und wo Google die Technologie skalieren lassen (um mal noch einmal das beliebte Managerwort aufzugreifen), wurde nicht gesprochen. Mir fällt hier nur gerade ein Hotelbuchungsportal aus Asien ein, das ich erst im Januar gefunden habe: Agoda, (Singapur). - Das bietet übrigens Publishern mit guter Werbefläche mehr Provision als HRS und Hotel.de. HRS gibt ja von den hier mehrfach erwähnten 15 % vom Buchungswert an die Publisher nur 3,5 % (2011 waren es nur 3 % bis zum Umsatz von 50.000 €) ab, undzwar nach Abzug der Vertriebskosten von den Einnahmen von den Hotels. Es hat sich keiner getraut, an Herrn Ragge mal eine Frage nach der Fairness im Wettbewerb und im Umgang mit den Partnern zu stellen. (Für eine kontroverse Fragerunde war dann auch nicht mehr die Zeit.) - Nur noch zur Infragestellung von Herrn Ragges Ankündigung und bezugnehmend auf Russland als Reiseland, worum es im Blog hauptsächlich geht:
Wie ist es um den Hotelmarkt bestellt, in dem russisch verbreitet ist?
Hier hat Booking.com einen Vorteil gegenüber den deutschen Unternehmen, weil es 2010 in Moskau eine Filiale eröffnet hat. (Bei der Internationalisierung hat Booking.com nach meinem Gefühl die Nase vor HRS und Hotel.de) Aber die Russen haben auch ihre eigenen Portale, die sich nicht in so kurzer Zeit von Ausländern niederkämpfen lassen werden. Und warum sollen die nicht wenigstens HRS, Booking, Hotel und anderen amerikanischen Buchungsplattformen gegenüber ebenbürtig sein, auf heimischen Boden? Ausreichend Programmierer und Kapital sind vorhanden, die besseren Kontakte zu Hotels auch.
Vielmehr ist es bemerkenswert, dass der Inhaber eines russischen Hotelbuchungsportals Ostrovok (Motto auf der Startseite: "Die Reise beginnt mit einem Hotel"), Sergej Faguet, Mitarbeiter aus dem Moskauer Haus von Booking.com abgeworben hat, wie er auf der Veranstaltung "Russia - the next travel revolution?" nur wenige Minuten im Anschluss an diese Podiumsdiskussion im Saal 7.3 (Auditorium Europa) mitteilte. Ich glaube mich zu erinnern, dass es gleich zehn Mitarbeiter waren. Am russischen Markt haben sich bereits viele Unternehmen das Hinterteil (bildlich gesprochen) und Geld verbrannt.
Daraus schließe ich, dass Herr Ragge nicht den Weltmarkt gemeint haben [...Next]
Podiumskonferenz auf der ITB zum Google Hotelfinder #zusammenfassung #tourismus http://t.co/Hh9hnn8I ...