Was halten Sie von Reiseboykotts?
Aber ein Land besteht aus mehr aus nur die aktuellen politischen und wirtschaftlichen Herrscher. Wegen denen reisen die meisten Touristen ja nicht in das Land.
So, jetzt haben wir Weißrussland, "Europas letzter Diktator" Lukaschenko, ein begeisterter Eishockeyspieler.
Mag ja sein, dass der die Weltmeisterschaft jetzt im Mai für seine politischen Zwecke benutzen will, benutzt hat (Ich habe das nicht verfolgt.). Über Putin war das ja permanent zu lesen und hören: "Putins Spiele". Putin hat im Wald bei Krasnaja Poljana gestanden und gesagt, hier müssen die Olympischen Spiele stattfinden.
Aber seien wir ehrlich. Wenn München die Olympischen Spiele zugesprochen bekommen hätte: Würden dann nicht auch die deutschen Politiker dieses Großereignis für ihre Profilierung auszunutzen versuchen? Bayerns, Münchens Politiker? Für mehr Medienpräsenz. Wachsender medialer Einfluss, Magnetwirkung für die regionale Wirtschaft. Erfolge im eigenen Lebenslauf ...
So etwas lässt sich nicht vermeiden. Die Würfel fallen mit der Vergabe einer Olympiade oder Weltmeisterschaft. Und da hat man bei Katar als Ausrichter der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 auch falsch gewürfelt. Hat Blatter ja selbst inzwischen zugegeben.
Da muss man fragen, wie das Entscheidungsgremium sich zusammensetzt. Stichwort Korruption bei der FIFA. Wer der Ansicht war, die Winterspiele hätten von Deutschland boykottiert werden müssen, und dazu etwa das Argument Ausbeutung der zentralasiatischen Bauarbeiter heranzieht, der muss dann auch für ein Boykott der Fußball-WM in Katar sein. Und auch gegen die Fußball-WM in Brasilien.
Im Prinzip können wir die dritte Welt dann vergessen. Richten wir die Weltmeisterschaften nur nur noch in der ersten Welt, der westlichen Welt aus!
Und wie steht man dann zum Thema Wirtschaftsförderung für Dritte-Welt-Länder oder in Schwellenländer, in Afrika, z.B. die Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika? Lehnt man die ab?
Menschenrechtsverletzungen als Boykottmotiv?
Schauen wir auf die USA:
Krieg gegen Vietnam. Der Krieg gegen Irak war mit Lügen gerechtfertigt worden, geäußert aus dem Munde eines Präsidenten George Bush. Dabei ging es um politischen Einfluss und wirtschaftliche Interessen. Weiter: (ohne offizielle Kriegserklärung:) Tötungen mit Drohnen in Afghanistan, Pakistan, Jemen - geduldet von der deutschen Regierung, denn sie geht dagegen nicht vor, wo diese Drohnenangriffe vom US-Stützpunkt in Rammstein aus gesteuert werden.. Dabei wurden häufig weitere als die gejagten Terroristen getötet, auch Frauen und Kinder, und auch deutsche Staatsbürger. Vielleicht auch bald in weiteren Ländern, ohne rechtsstaatliche Verurteilung, möglich dank technisch-militärischer Führerschaft und außerhalb des Rechtssystems agierender Geheimdienste; illegale Gefangenenlager in Guantanamo und in verschiedenen Ländern, darunter Ex-Jugoslawien und sogar Polen, mit Freiheitsberaubungen ohne Richterbeschluss und Folter (Beispiel Drowning), Menschenentführungen /-verschleppungen in solche Lager (Fall Murat Kurnaz ist nur ein Beispiel), Todesstrafen in zahlreichen US-Bundesstaaten. Diskrimierungen und grobe Benachteiligungen von schwarzen amerikanischen Bürgern, schlampige Arbeit von Staatsanwälten und Polizisten mit Anstiftungen zu Falschaussagen, damit unschuldige Bürger als Mörder verurteilt werden können (aktuelles Beispiel: Freilassung von Jonathan Fleming nach 25 Jahren Haft).
Überwachung von Millionen unschuldigen Personen (Verstoß gegen Unschuldsvermutung), Wegnahme von Notebooks, deren Durchsuchung und Kopie von deren Festplatten bei Einreise in die USA, selbst gegenüber eigenen Staatsbürgern). Das Anzapfen von Leitungen in anderen Ländern, sicherlich auch in Deutschland, ist nicht nur eine Sachbeschädigung. Einmischung in andere Länder: Bürgerkrieg in Georgien, aktuell Einmischung auch in die Entwicklungen in der Urkaine, und zwar auch ohne Absprache mit der EU. Diebstahl der Flora- und Faunaschätze aus südamerikanischen Ländern zur wirtschaftlichen Ausbeutung.
Moralisch steht die USA nicht besser da als wie man Russland in der ersten Welt hinzustellen versucht. Nicht nur in Russland wird die Meinungsfreiheit unterdrückt. Auch in den USA, in der Whistleblower strafrechtlich streng verfolgt werden, auch in Großbritannien, in der Türkei, durch undemokratische Entscheidungen. Und auch in Deutschland. Kritisch denkende Journalisten werden aus den öffentlich-rechtlichen Medien entfernt.
Moralische Ansprüche an die Ausrichter von sportlichen oder wissenschaftlichen Großveranstaltungen stellen?
Natürlich versprechen Bewerber um Sportgroßereignisse vieles, was sie dann nicht einhalten (können). Z.B. war für die Winterspiele ein zunächst häufig zitiertes Ziel die ersten klimaneutralen Spiele auszurichten. Da hatte sich die deutsche DENA wichtig gemacht und wollte deutsches Know How nach Russland bringen, und deutschen Unternehmen zu Aufträgen in Südrussland verhelfen. Kurz vor den Spielen war davon so gut wie nichts mehr zu hören. Stattdessen gab es Stromabschaltungen für die lokale Bevölkerung. Das ist eben Werbung. Die verspricht mehr als das Produkt tatsächlich bietet. Nicht eingehaltene Werbeversprechen gibt es überall, ob in der 3. oder 1. Welt. Bei unseren Regierungsparteien brauchen wir nicht lange nachzudenken, um in der neuesten Gesetzgebung gebrochene Wahlversprechen zu entdecken.
Die Vergabe von großen Sportveranstaltungen an verschiedene Länder auf verschiedenen Kontinenten erfolgt, weil man Vielfalt möchte, weil es sich um Weltmeisterschaften handelt, bei der verschiedene Länder mal den Heimvorteil haben sollen, weil man Vielfalt möchte; aufgrund von Plänen der Bewerber und Beziehungen und Sympathien und gekauften Stimmen. Natürlich kann nach der Vergabe die internationale Großveranstaltung vom Gastgeber zu eigenen Propaganda ausnutzt werden. Das lässt sich von den anderen Ländern kaum verhindern. Wenn man die großen Sportereignisse, Weltmeisterschaften, Olympiade, politisieren möchte, kann man sie konsequenterweise gleich sein lassen, in einer globalen Welt, auf der nicht alle Länder miteinander befreundet sind. Dann verzichten wir auf Chancen, dass sich Menschen verschiedener Nationalitäten austauschen, anfreunden. Dann schotten wir uns ab! Es gibt die Commonwealth-Spiele. Wir können ja auch noch Transatlantische Spiele ausrichten, an denen Sportler aus der EU sich mit Sportlern aus den USA und Kanda messen. - Das ist doch absurd!
Mag also Lukaschenko die Eishockey-Weltmeisterschaft auch zur Selbstdarstellung benutzen. Fakt ist: Es sind viele Sportler dort, die um Medaillen kämpfen wollen; und Sportfans, die wollen die Sportler kämpfen sehen, ihre Helden anfeuern, persönliche Freundschaften schließen, sich die Stadt Minsk ansehen, vielleicht auch Ausflüge in die Umgebung.
Das sind anerkennenswerte Reisemotive. Diese befürworte ich. Ein Entschluss zur Reise nach Belarus darf von anderen, die ein Boykott befürworten, nicht als eine Kundgebung pro Lukaschenko schlechtgemacht werden. Das wäre Manipulation. Und Manipulation ist eine Verletzung des Rechts auf Meinungsfreiheit hintenrum. Dahinter steht Täuschung. Man schaue sich daher die Boykottaufrufer an! Man schaue sich die Journalisten an, die solche Aufrufe machen, verbreiten.
Ein Boykottaufruf kann auch wirtschaftliche Gründe haben:
Wikipedia (Fortsetzung der Definition oben):
Der wirtschaftliche Boykott dient insbesondere der Ausschaltung von Konkurrenz; der soziale Boykott als Druckmittel von Interessensgruppen (etwa im Arbeitskampf); der politische Boykott ist ein staatliches Sanktionsmittel gegenüber anderen Staaten.
Halten wir fest: Propaganda funktioniert häufig erst durch Einstreuen von Lügen und Halbwahrheiten. Siehe den oben verlinkten Fall Brent Spar. Greenpeace hat keine faire Kampagne geführt. Wissenschaftler haben die Pläne, die Ölplattform zu versenken, gerechtfertigt gesehen.
Und wie die Wahrheit in den deutschen Medien verbogen wird beim Thema Krim, erklärt in diesem Video (März 2014) der österreichische Wahlbeobachter Ewald Stadler. Er beklagt eine unsagbare Propaganda gegen Russland:
https://www.youtube.com/watch?v=ft5fYfuWgAk&feature=youtu.be
Lassen Sie sich nicht von Politikern missbrauchen und von Journalisten irreführen! Reisen Sie! Reisen bildet!
Aber reisen Sie nicht auf Kosten anderer (in Länder, in denen man als Geisel genommen wird)!
Aus Sicherheitsaspekten ist Belarus kein unsicheres Land für Touristen. Das trifft auf einige Teile der Ukraine heute leider zu. Die Krim ist jetzt tabu. Von einer Reise nach Lemberg muss man aber momentan nicht abraten. Vor Reisen nach Donezk in der Ostukraine würde ich schon abraten.
Unser Auswärtiges Amt sollte sich wirklich nur darauf beschränken, vor Reisen in Länder (oder genauer: in bestimmte Regionen von Ländern) abzuraten, die unsicher sind, nicht, die politisch zu etwas gezwungen werden sollen. Reisen in solche Länder sollten nur solchen Menschen vorbehalten bleiben, die entsprechend versichert und finanziell abgesichert sind, um die Rettungsaktionen für sie bezahlen zu können. Oder Kriegsberichterstatter, die ihr Leben freiwillig riskieren, indem sie in gefährliche Länder reisen. Wie die Fotografin Anja Niedringhaus, die am letzten Samstag erschossen worden ist.
Reisewarnungen des Auswärtigen Amts stellen Eingriffe in den ausgeübten Gewerbebetrieb von Reiseunternehmen dar. Sie führen zu hohen Verlusten bei TUI und Thomas Cook, wenn vor Reisen nach Ägypten gewarnt wird, Eintriffe in das Grundrecht auf Berufsausübung. In Fällen der Lebens- und Gesundheitsgefährdung vieler Touristen mögen diese Eingriffe gerechtfertigt sein. Nicht aber bei Empfehlungen (Verboten schon gar nicht), nicht in Länder zu reisen, die andere Länder bedrohen (wie im Falle der Krim für ganz Russland als Reiseland [...Nächste Seite]
Verwandte Links:
- Wirtschaftssanktionen - Eigentor für Deutschland?, Michael Bolotin, 10.07.14
- Eishockey-WM im Mai boykottieren - Belarus hält das für eine dumme Idee - Der Tagesspiegel
- Ukraine-Krise - Beschwerde von Volker Bräutigam gegen ARD-Redaktion. Von wegen OSZE-Beobachter!
- Packliste für Reise nach Russland oder in die Ukraine
- Deutsch-Russisches Forum
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- Politischer Blechschaden