Am Vorabend der Berlinale, als ich die Ankündigungen im Fernsehen sah, nahm ich mir vor, ich muss darüber schreiben. Dann lief noch spät in der Nacht der Dokumentarfilm "Berlinale Taxi" (von Lisa Reisch und Rotraud Pape, lief als Fernsehspiel), der während der letzten Berlinale gedreht worden ist, hauptsächlich im Prominententaxi, das Regisseure, Schauspieler von ihrem Hotel aus zum Potsdamer Platz brachte, die auf dem Wege dorthin aus dem Nähkästchen plaudern, über ihre Zusammenarbeit und Kollegen. Mit Ausschnitten aus deren Filmen, über die sie sprachen. Sehr aufregend, was sie zu erzählen haben.
Der Film macht mir wieder bewusst, wie hipp Berlin ist.
Na mal sehen, vielleicht kann ich mir auf der Berlinale noch diesen Film "Deutschland ´09, 13 kurze Filme zur Lage der Nation"
ansehen.
Vorgestern war ich wegen einer Angelegenheit in Potsdam Babelsberg und Griebnitzsee. Kam an der Straße vorbei, an der sich das Medienzentrum des ORB und das UFA-Gelände befindet, wo einige Fernsehserien produziert werden wie "Gute Zeiten, schlechte Zeiten". Bei der Anmeldung neben der Schranke gibt es eine Tafel, die auf ein Bistro nur wenige Meter weiter hinweist. Ich hatte Hunger und und auch die Neugier trieb ich in dieses Bistro "Tasty". Hier trifft sich zur Mittagspause das Staff vom Gelände, das mehr oder weniger mit Film zu tun hat, eine Menge junger Leute.
Es herrscht hier ein duftes Betriebsklima, eine bunte, Frische. Die sympathischen, farbenfroh gekleideten Kellnerinnen (mit Schürze) und Kellner (ohne Schürze, wie Büromitarbeiter gekleidet) bringen das Essen an den Tisch, die Nummer rufend, die man an der Kasse für das gewählte Essen auf einem Bon bekommen hat. So kann ich davon ausgehen, dass mein Salat frisch angerichtet worden ist, mit einem Stück warmen Hähnchenfleisch zwischen asiatischen Holzessstäbchen. Gut sieht auch die Pasta in den großen weißen Tellern aus, die die Form eines Stahlhelms englischer Soldaten aus den 50ern haben. - Von Montag bis Freitag werden jeweils fünf verschiedene Gerichte angeboten. Es ist auch eine Kantine, geöffnet von 8 Uhr bis 17 Uhr.
Ich nehme mir Zeit und höre den Leuten zu, warte ab, vielleicht erkenne ich Schauspieler wieder, lese einen Artikel aus der Bild-Zeitung, die hier auf meinem Tisch liegen gelassen wurde, über die Enttäuschung des Chefs der Babelsberger Studios, Christof Fisser, über Berlins Bürgermeister Wowereit. Die Babelsberger Filmstudios wollten in naher Zukunft Räumlichkeiten auf dem stillgelegten Flughafen Tempelhof nutzen. Mit Wowereit stand man deswegen in gutem Kontakt, hatte von ihm die Zusage bekommen, dass die Stadt zwischenzeitlich nur kurzfristige Gewerbemietverträge für das betreffende Gelände vergeben würde. Nun ist aber doch ein 10-Jahres-Vertrag mit einem Unternehmen abgeschlossen worden, welches dort Messen veranstalten möchte, ab und zu. Planungen der UFA damit wohl hinfällig.
Die Stimmung ist so locker hier, familiär, inspirierend. Ich finde die Filmszene aufregend. Und: ja, das ist noch immer meine Heimat! Potsdam ist meine zweite Heimatstadt. Ich muss noch weiter auf das Gelände gehen und komme an einen mehrstöckigen Glasbau mit bunten Stangen vor dem Eingangsbereich, wie riesige Mikadostäbchen. Das ist die Hochschule für Film und Fernsehen. Auch von hier kommen die jungen Leute ins Bistro. Es ist geräumig und hell innen und an den Schwarzen Brettern kleben Anzeigen wie: "Verleihe eine xy-Kamera, Tagessatz ein paar hundert Euro", oder junge Schauspieler suchen Engagements, ein Kameramann für einen Dokumentarfilm in Aserbaidjan und Kasachstan einen russisch sprechenden Assistenten, Sprecher für eine Hörspiel-CD werden gesucht ... In einem Bereich stehen ein paar Boxen mit einer Form wie längsseitig aufgeschnittene Eier, die Platz für 2 Personen bieten zum Ansehen von eigenen DVDs, Videos. Auf Bistrotischen stehen Macs zur freien Verfügung, um im Internet zu surfen. Tolle Bedingungen hier für junge Leute, die hier Medienfächer oder Schauspielerei studieren. Wenn sich die Zeit zurückdrehen ließe - ich hätte was mit Film und Kamera studiert hier in der zweiten Heimatstadt.
Gegenüber dem Gebäude hinter einen Zaun rosten frühere Requisiten vor sich hin, LKWs mit einer Turbine hinten drauf, ausgeschlachtete Hubschrauber, Autowracks... Weiter hinten an der Straße stehen mehrere Fahrzeuge, die zeigen, hier wird gedreht hinter den Mauern oder Stahlwänden eines komischen Gebäudes, das aussieht, als halten hier Stahlträger nur provisorisch riesige Blechwände. In zwei Movie-Bussen warten kaffeetrinkend ein paar Statisten oder Helfer.
Nun ist sie schon fast wieder vorüber, die Berlinale, und ich habe noch gar keinen Tag an ihr teilgehabt.
Morgen mittag wenigstens bin ich im Zentrum und versuche mit einer Freundin, noch einen oder zwei Filme anzusehen. Hoffentlich haben wir Glück an der Kasse. Gern hätte ich ja den russischen Film "Help gone mad" gesehen, der am Montag im Radio vorgestellt worden ist, aber er läuft morgen nicht mehr.