Freitag (vorgestern) erwartete ich, von Schaulust erfüllt, den wie ein Unwetter im Radio angekündigten Schneesturm. Rief schon eine Bekannte in der City an, weiter im Westen, als der Himmel in der Richtung so aussah, als käme ein schweres Gewitter. "Ist er bei Dir schon angekommen?" Nee, nischt, keen Schneejestöber. Schneeflöckchen im höchsten Feinheitsgrad wehten, als ich vor dem Dunkelwerden nach Hause trippelte und schlitterte.
Manchmal wedelte der Wind dünne Schneefäden von links nach rechts. Wenn das so weiter geht, dauert das ja ewig, bis wir die angekündigten 20-15 Zentimeter Neuschnee haben, denke ich enttäuscht. Was erzählen die bloß im Berliner Radio von Unwetterwarnung? Nicht nur für die Küste, nee, für Berlin! 10 Zentimeter Schnee auf meiner Balkonbrüstung liegt schon seit Mittwoch-Donnerstag. Mehr wirds nicht.
Die übertreibens mal wieder, die Journalisten.
Und die Wettermacher. Wer macht hier das Wetter für Berlin? Vielleicht sollte ich mehr radiozappen. Jugendsender versprechen vielleicht mehr Spaß im Schnee. Jugendliche sehen ja manches undramatischer, weil die Risikoantennen noch kurz sind. Oder der weniger sensationslüsternde Deutschlandsender ("In der Ruhe liegt die Kraft") sagt ein Anhalten der hervorragenden akustischen Wetterlage voraus. Der Watteeffekt des Schnees.
Im Großen und Ganzen kann man ja zufrieden sein mit den Wetterbedingungen. Ja, ehrlich. Das Jahr 2010 fängt echt ehrlich an. Mensch, so ein Winter! Schon fast zwei Wochen Schnee in Berlin am Stück Mein Balkon - eine Schneewehe. Sie wuchs stetig und nicht erst durch Daisy. Wo war Daisy in Berlin dieses Wochenende?
Ein Winter, wie er sein soll. Heute in der S-Bahn begegne ich Leuten, die Ski in den Händen halten. ich komme aus der S-Bahn-Station Hackescher Markt, da kommt mir ein Mann auf Skiern entgegen, gerade über die Monbijoustraße. Das ist nun aber doch albern, wegen der Schnee-Wülste an der Straße und dem Matsch dort und den Fußgängerspuren. Aber kurz darauf noch ein alberner Vater mit Sohnemann auf Skiern.
Das Normale ist so unnormal geworden, dass die normalen Leute es nicht abwarten können, sich die Skier im Tiergarten oder Volkspark erst unterzuschnallen, wo die Autos keinen braunen Matsch produzieren.
... ist so unnormal geworden, dass ein Sprecher der Deutschen Bahn noch (oder: schon, denn da waren es noch weniger Wintertage) im Dezember 2009 meint die Probleme der Deutschen Bahn AG mit ihrer Zuverlässigkeit, das Versagen der ICE-Züge so rechtfertigen zu können:
"Die ICE-Züge sind doch nicht für sibirische Verhältnisse konzipiert!"
Nee? Und warum fährt der ICE dann jetzt in Russland?
In der Adventszeit hatte der ICE auf der Strecke St. Petersburg - Moskau seine "Jungfernfahrt". Im Großen und Ganzen waren die Russen zufrieden. Aber der Zug musste außerplanmäßig unterwegs halten. Waren eben um die minus Zwanzig Grad. Was erzählt man potentiellen russischen Käufern des ICE? Was den russischen Fahrgästen im Sapsan (so heißt der ICE mit dem breiteren Fahrgestell)? Auch das mit der Unverträglichkeit des russischen Winters für den ICE?
Soll der ICE nicht in ein paar Jahren auch zwischen Moskau und Nizhni Nowgorod oder gar Omsk verkehren? Na doch! - Mit solchen Sprüchen vergrault man seine Kunden. Also wird man seitens Siemens und beteiligten Firmen am ICE der Russischen Eisenbahn-Managern versucht haben zu erklären, dass die ICE-Züge auch sibirischen Verhältnissen gewachsen sind.
Also vom Deutsche-Bahn-Manager nur ein Ablenkungsmanöver. Ziemlich unprofessionell diese Ausflucht mit den sibirischen Winterverhältnissen in Deutschland... Den Vertragspartner madig machen, die Schuld auf andere zu schieben. Auf angeblich ungewöhnliche Umstände.
Da könnte man ja fast denken, dass Eisenbahnen in Deutschland früher robuster, zuverlässiger gewesen sein müssen als heute. Da ist man nie auf die Idee gekommen, sich so herauszureden. Wenn nicht der ICE, welcher deutsche Zug ist dann für den Winter konzipiert? Dann her damit! Und den ICE in die Garagen. Der Mann sollte mal im Winter mit der Transsib fahren, um zu erfahren, was ein sibirischer Winter bedeutet!
Immer diese Übertreibungen (Ich sage nur: Schweingrippe.)! Es sind Managementfehler, die gemacht wurden und man macht aus einer Mücke einen Elefanten. Es wird so stark optimiert, dass keine Toleranzen mehr bleiben, denn im Management denkt man kurzfristig (um nicht zu sagen: kurzsichtig). Siehe Beispiel Berliner S-Bahn. Es fehlt(e) an Wartungspersonal. Optimiert wird ja nicht holistisch, utilitarisistisch, sondern auf einen bestimmten Punkt hin, an dem man Gewinne einsteckt und weiterzieht.
Oder es ist Marketingstrategie, Ängste zu schüren, um Kaufimpulse auszulösen. - Jetzt sitzen wir auf den teuer produzierten Impfstoffen gegen die Schweinegrippe und die Politiker machen sich Gedanken, was man damit noch anfangen kann. Hauptsache, man hat die richtigen Aktien - von den Pharmaunternehmen.
Transsib - das Stichwort fiel heute am Brunchtisch (oder Frühstückstisch) in Mitte. Einer äußerte den Wunsch, damit mal zu fahren. Nun hatte ich gestern eine Wochenzeitschrift von vor einem Jahr in der Hand und dort eine Empfehlung über einen neuen Kinofilm gelesen: Transsiberian! Als ich vom Brunch heute nach Hause kam, suchte ich danach. Bei Youtube kann man sich Siberian in 10 Sequenzen ansehen (oder neun), in englisch oder russisch mit englischen Untertiteln. Ton ist nur etwas leise. Die Russen, die den Film dort sahen, hassen ihn.
Jetzt habe ich drei Sequenzen gesehen und meine: ja, den kann man empfehlen, solchen, die sich als Individualtouristen nach Russland trauen. Was zum Abhärten!
Vorhin, vor Aufbruch zum Brunch, warf ich einen Blick auf Donnerwetter.de. Siehe da, der Schnee wird uns aus Osten zugeweht, aus Sibirien. Ja, manchmal kommt der Wind auch aus dem Osten. Kommt die deutsche Eiche damit nicht zurecht?
Lustig, wie die Leute sich ihren Parkplatz an der Straße freischaufeln mit Spielzeugschippen (in dem Falle: ein NVA-Klapp-Spaten), den eine Frau um die 50 benutzte, während ihr Mann hinter dem Steuer wartete. Oder nebenan bringt ein Mann einem anderen Schneeketten, damit der von seinem Parkplatz wegkommt. Überall drehen die Reifen beim Losfahren durch.
Wer ein Auto hat und auch im Winter fahren will, sollte entsprechend ausgestattet sein. Mir fällt Vaters Spruch aus der Kindheit ein: Wer nicht hören will muss fühlen. Leute, plant mehr Zeit ein! Nehmt Euch Zeit für die Planung Eures Winterausflugs zu Terminen, für die Benutzung der Straßen und Gehwege! Und soviel Lebenserfahrung sollte ein Erwachsener haben, zu wissen, dass es Zeiten gibt, zu denen - auch in Deutschland - Autofahren oder auch Eisenbahnfahren einfach offensichtlich unvernünftig ist, weil es keinen Gott gibt, der jedem - wie in den Werbespots einer Bank - den Weg frei macht, wo doch gerade der Wind den Schnee verwehte. Da bin ich ganz einer Meinung mit Stefan Niggemeier, "Die Katastrophe mit Daisy". Der hat sich dieser Dummheit auch gewidmet und Gedanken dazu entwickelt, die mir hier auch schon gekommen sind.
P.S. Oben habe ich etwas untertrieben: Mehr als 10 Zentimeter Schnee werdens nicht auf der Balkonbrüstung, weil sie zu schmal und der Wind zu stark ist. Aber manchmal muss man das, um die Leute zu bremsen, die immer so übertreiben, dramatisieren müssen. Die Mitte zwischen beidem ist dann das Normale.
So! Jetzt schau ich mir weiter "Siberian" an.
Aktualisierung, 26.02.2012: Jetzt geht es nicht mehr. Der Film ist aus Youtube verschwunden. Ein schwarzes Fenster mit diesem Text:
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