Hier wieder mein Bericht von der Berlinale, wie ich sie erlebte, die dreiundsechzigste, vom 07. bis 17. Februar 2013, mit ein paar Berlinale-Bildern vom 10. und 17. Februar
Am Sonntag, dem 10.02.2013 war ich im Zentrum Berlins und besuchte, eigentlich auf dem Weg nach Hause, nach 23 Uhr noch das Cinemaxx-Kino am Potsdamer Platz. Zu spät, um noch einen Film anzusehen. Aber so konnte ich mich über das Festival kurz informieren, wo ich zuvor keine Zeit hatte, mich damit zu beschäftigen. Schon war ich wieder draußen, da sah ich an der Tür ein Schild, das auf die Berlinale Nighttalks von unserem Berliner Kino-Papst Knut Elstermann hinwies. Seinen Interviews und Filmbeschreibungen war ich schon am Abend zuvor am Radio gefolgt und ich kenne die Berlinale Nighttalks von den Jahren zuvor. Sie stehen immer von 22.00 bis 0.00 Uhr auf dem Programm.
Also ging ich wieder hinein, die Treppe rauf und siehe da, es gab noch freie Sitzplätze in der XX-Lounge. Sogar ziemlich vorne, frontal gegenüber dem Pult, an dem Knut Elstermann mit seinen Interviewpartnern sprach. Gerade hatte er drei Männer am Podium zu Gast, von denen zwei (viell. Brüder?) aussahen wie Verwandte von Jean Reno, mit ganz kurz geschorenen Haaren und mit Bart wie D´Artangnan.
Diese Besprechung ist mir entgangen. Aber es folgten noch drei weitere.
I. Im Berlinale-Film-Talk-Cafe
Diese Filme wurden vorgestellt (als ich anwesend war):
1. Der palästinensisch-israelische-amerikanische Dokumentarfilm Art/Violence, der in der Filmreihe "Panorama" lief. Zu Gast waren der Regisseur Udi Aloni (Regisseur) und der Schauspieler und in Palästina bekannte Rapper Tamer Nafar. Am 4. April 2011 ist der Schauspieler und Friedensaktivist Juliano Mer-Khamis im Westjordan ermordet worden. Er war der Gründer des Freiheits-Theaters in Jenin. Der Film zeigte, wie das Theater nach dem Tod von Mer-Khamis weiter machte. Wie Elstermann zusammenfasste, ein Film über die Kraft der Kunst.
Linktipp: http://www.damrap.com/about (erste palästinensische Hip-Hop-Crew)
Der Film bekan dann auch von Bundesentwicklungsminister Niebel einen Filmpreis überreicht, wie man hier bei der Deutschen Welle nachlesen kann:
http://www.dw.de/art-violence-erhaelt-berlinale-filmpreis/a-16605874
Nach dem Interview mit dem Regisseur zur Vorstellung des Films bittet Elstermann den Rapper um eine Kostprobe seines Könnens. Der versuchte sich zu der späten Stunde zugleich als Animateur: die Besucher sollten den Chor machen. Aber die musikalische Untermalung fehlte. Offenbei keine Rap-Fans hier.
2. Der niederländische Film "Oben ist es still"
Diesen Film (Originaltitel "Boven is het stil") gehört für Elstermann zu den schönsten und eindringlichsten Filmen (Elstermann hat für jeden der Filme warme, achtungsvolle Worte übrig, mit deren Regisseuren er hier spricht.). Er hat in den Niederlanden eine ganz besondere Bedeutung, sagt Elstermann, weil der Hauptdarsteller so eine faszinierende charismatische Gestalt hat. Es ist eine Verfilmung eines Debüt-Romans des Sprach- und Literaturwissenschaftlers Gerbrand Bakker, der auch beim Suhrkamp-Verlag erschienen ist unter dem gleichen Titel. Elstermann spricht mit der Regisseurin Nanouk Leopold, die auch schon 2011 mit ihrem Film "Brownian Movement" an der Berlinale teilgenommen hatte, über ihren Film.
Der Hauptdarsteller Helmer ist 55, hätte lieber sein Literaturstudium beendet, anstatt den Bauernhof seines etwa 80-jährigen Vaters in einem Dorf zu übernehmen. Das muss er aber, nachdem der dafür vorgesehene Zwillingsbruder gestorben ist. Helmers Mutter ist schon seit 10 Jahren tot. Er verfrachtet den Vater, um den er sich allein kümmern muss, ins Obergeschoss des Hauses, als der sich dem Sterben nähert, und er räumt und in aller Ruhe unten auf, wo er jetzt wohnt. Hellers Erlebniswelt schildert der Roman - und jetzt auch der Film. Dabei geht es um existenzielle Fragen nach dem Sinn des eigenen Lebens. "Es ist ein ganz intimes Kammerspiel." (Elstermann)
Helmer ist sich bewusst, dass er sein Leben ändern muss. Er sieht sich in seinem Vater und weiß, wo er endet, wenn er nicht was entscheidend anders macht. Ab und zu kommt die Nachbarin mit ihren Söhnen herüber. Regelmäßig kommt der Milchmann, der die Milch abholt und der sich für Helmer zu interessieren scheint. Es kommt dann ein junger Mann auf den Hof, der in das Zimmer von Helmers toten Bruder zieht, das Helmer schon renoviert hat. Zwischen Helmer und dem 18-jährigen Hilfsarbeiter Henk entwickelt sich eine besondere Symphatie. Helmer sieht die Jugend des Mannes, als der sich umzieht und fühlt sich davon angezogen. Der Junge seinerseits nimmt wahr, dass es zum ersten Mal ist, dass sich jemand ihn wirklich wahrnimmt und öffnet sich dem verschlossenen Helmer.
Der Schauspieler von Helmer, Jeroen Willems, ist überraschend gestorben. Er hatte kurz nach den Dreharbeiten im Dezember einen Herzinfarkt, an dem er starb. Nanouk sagt, es war der beste Schauspieler in den Niederlanden und Elstermann lobt, wenn man diesen Film sieht, glaubt man das auch. Der Film ist zu einem Denkmal für den Schauspieler geworden, zu seinem Erbe.
Der Film hat einen deutschen Verleiher gefunden. Jemand vom Verleiher ist anwesend im Raum und antwortet Elstermann, dass dieser Film im Mai 2013 in die deutschen Kinos kommt. Also ein Filmtipp für solche, die ruhige Filme mögen, insbesondere auch für Menschen, die oder deren Familien selbst eine Landwirtschaft haben.
3. Der amerikanische Film "Interior Leather Bar"
Den nächsten Interviewpartner kündigt Elstermann als den Act an, den er extra nach hinten geschoben hat, damit jetzt im Publikum und zu Hause an den Radios keine Kinder mehr sitzen, denn bei diesem amerikanischen Film gehe es schon richtig direkt zur Sache. Es ist Travis Matthews, einer der beiden Regisseure. Der andere Regisseur heißt James Franco. Er ist im Film auch zu sehen und spielt in der Neuverfilmung des Zauberers von Oz die Hauptrolle und war an mehreren Projekten beteiligt, die hier auf der Berlinale gezeigt wurden. Er war also zu beschäftigt, um am Interview teilzunehmen.
Dieser Dokumentarfilm wurde in der Berlinale-Reihe Panorama gezeigt. Es ist eine Rekonstruktion von Filmmaterial, welches nie öffentlich gezeigt worden war, und zwar Material, das für den Film Cruising mit Al Pacino gedreht worden war, ganze 40 Minuten. James hat ihn gefragt, ob er nicht mit ihm einen Film produzieren möchte, in dem es um Sex im Schwulenmilieu geht. Er hatte die Idee durch den Film Cruising. Travis hat zu der Zeit noch nichts von diesen 40 Minuten unveröffentlichten Films gewusst. Der Film Cruising ist damals sehr kontrovers aufgenommen worden. Diese 40 Minuten mussten damals herausgeschnitten werden, um diesen Film jugendfrei zu machen. Keiner weiß heute mehr, wo dieses Filmmaterial abgeblieben ist. Die Idee war, diese Szenen zu rekonstruieren, aber nicht nur, sondern darüber hinaus eine Szene zu entwickeln. Bei ihrem Film geht es viel um das Filmmachen an sich, aber auch um die Grenzen der Sexualität und wie die Filmindustrie in Hollywood damit umgeht. James Franco als Filmstar hat hiermit Erfahrungen gesammelt. Die beiden Regisseure wollten Sexualität als ein Mittel benutzen, um zu zeigen, dass sie noch immer heute ein Tabu ist, gerade wo es um Berührung geht, die nicht in einem pornografischen Kontext stehen. Elstermann sagt, hier ist es der erzählerische Kontext des Films, sont wären die gezeigten Szenen durchaus Porno.
Travis hatte die Idee, Sexualität unter Gays zu zeigen in einer Weise, so dass sich der Zuschauer nicht anangenehm beim Zuschauen fühlt. Dann kam es aber so, dass im Film auch Heterosexuelle mitspielten
Die wollten mitspielten, weil sie gehört hatten, dass James Franco einen Film über Schwule in der Lederbar machen wollte. Es gab Szenen, die feststanden und solche, die spontan ohne Vorgabe eines Drehbuchs gefilmt wurden.
Der Film hatte zur Berlinale am folgenden Tag, also Montag, dem 11. Februar, Premiere. Damit könnte der Film Cruising ein Revival bekommen. Aber Knut Elstermann warnt noch mal, dieser Dokumentarfilm ist absolut nichts für Kinder.
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Die Übertragung dauerte bis Mitternacht. So lange blieb ich. Er kündigte seine morgigen Gäste an, u.a. Pauline Etienne, die Hauptdarstellerin des Films "Die Nonne". Nett war, wie Elstermann sich bei uns Besuchern dafür bedankte, dass wir bis zum Ende geblieben sind. Da liefen auf Radio 1 schon die Mitternachtsnachrichten.
Empfehlung zur Berlinale 2014:
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