Wo in Russland befinden sich bedeutendsame Standorte der Forschung, Entwicklung und Anwendung in der Solarbranche?
Ich habe recherchiert, ohne Geld für teure Marktanalysen und Studien auszugeben. Momentan bin ich bei neun Einrichtungen.
Demnächst werde ich diesen Artikel mit einer Sammlung von Solar-Produktionsfirmen und Zulieferern und Händlern in Russland ergänzen.
Erwähnen möchte ich, dass es einige sehr engagierte Praktiker in Deutschland gibt, die in Russland unkonventionell bei der Errichtung kleiner Photovoltaikanlagen geholfen haben. Ich nenne hier Ulf Dietrich Kautz, dessen Bericht von der Errichtung einer Anlage auf einem Häuschen am Baikalsee man auf der Website der Vereinigung Eurosolar abrufen kann.
Cadarache (Frankreich)
Zu Anfang möchte ich ein Forschungszentrum erwähnen, das sich gar nicht in Russland befindet, aber in dem russische Wissenschaftler mitarbeiten (nach einer Nachricht der Ria Nowosti vom 11.12.2009). Im französischen Kernforschungszentrum Cadarache arbeitet ein internationales Team an der Entwicklung eines Versuchs-Kernreaktors. Basis der Forschungen ist die russische Technologie Tokamak. Die erste Anlage mit dieser Technik wurde 1955 von den russischen Forschern Andrej Sacharow und Igor Tamm am Kurtschatow-Institut in Moskau gebaut.
Tokamak ist eine Kammer in Magnetspulen, in der erhitztes Plasma durch ein sehr starkes Magnetfeld eingeschlossen ist. In dem Plasma erfolgt die thermonukleare Synthese der Kerne der Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium. Die thermonukleare Synthese gilt als eine praktisch unerschöpfliche Enegiequelle. Diese Synthese läuft im Inneren der Sterne ab und ist auch Energiequelle für unsere Sonne. Mit dieser Kernfusions-Technik wäre auch das Atomlagerproblem zu lösen.
Moskau und Umgebung
Intersolarcenter
Das
Intersolarcenter in Moskau ist Russlands regionales Zentrum für Anwendungen der erneuerbaren Energien, heißt es auf deren Website. Doch gibt es, wie ich gleich zeige, mehrere regionale Zentren für Renewables in Russland. Es ist eine gemeinnützige Forschungs-Organisation, die 1994 mit Unterstützung des Ministeriums für Industrie und Technologien und der Russischen Akademien der Landwirtschaftswissenschaften gegründet worden ist. Unterstützung gab es auch vom UNESCO-Büro in Paris. Auf der Website gibt es Informationen auch in englischer Sprache.
Adresse: Wejnjakowski Proesd, 109456 Moskau
Skolkowo - neues Industrie-High-Tech-Gebiet vor Moskau
Präsident Medwedew verkündete am 18. März 2010, dass in einem 20 Kilometer westlich von Moskau gelegenen Vorort namens Skolkowo ein Technologiezentrum entstehen soll, ein "Versuchsgelände" für die die Umsetzung der neuen russischen Innovationspolitik. Als Berliner kommt mir gleich ein Vergleich mit der Wissenschaftsstadt Adlershof in den Sinn. Gebaut werden soll die Wissenschaftsstadt bei Moskau nach modernsten Standards von einer japanischen Firma.
Schwerpunktbranchen sollen sein:
- Energie,
- Informationstechnologie,
- Telekommunikationstechnologie,
- Biomedizin und
- Atomtechnologie.
Der russische Präsident nannte die Gebiete, auf denen Russland aufholen muss; neben der Autoindustrie auch in der Umwelttechnik. Ob hier auch, wie in Berlin Adlershof, im Bereich Photovoltaik und Solarthermie geforscht werden soll, lassen die gefundenen Meldungen, die sich offenbar auf die gleiche Informationsquelle beziehen (vermutlich Itar Tass oder RIA Nowosti), offen.
Interessenten, die sich hier niederlassen wollen, versprach Medwedjew Steuerbefreiungen (bei verschiedenen Steuern).
St. Petersburg
Physikalisch-Technisches Institut A.F. Joffe
Das Institut trägt den Namen des Wissenschaftlers Abraham F. Joffe. Es ging aus seinem Laboratorium hervor. Ihn kann man als Vater der russischen Photovoltaik bezeichnen.
Am Joffe-Institut hat man eine Anlage mit sogenannten Konzentratorzellen entwickelt.
Leiter des Instituts ist der Nobelpreisträger Schores Iwanowitsch Alfjorow. Er feierte 1m 15. März 2010 seinen 80. Geburtstag. Ebenfalls an der Photovoltaik-Grundlagenforschung ist Professor Andrejew tätig.
Mit dem Joffe-Institut arbeitet das Unternehmen Solartec aus München zusammen. Aufsichtsratsmitglied dieses Unternehmens ist u.a. Klaus Thiessen. Er ist in Berlin Adlershof für viele Solaranlagen auf den Dächern der Gebäude in der Wissenschaftsstadt mitverantwortlich. Die Form der Solar-Fassade des Ferdinand-Braun-Instituts in der Wissenschaftsstadt geht auch auf ihn zurück. Ihn verbindet viel mit Russland. Thiessens berufliche Karriere hatte nach dem 2. Weltkrieg in sowjetischen Laboren begonnen, in denen die Atombombe entwickelt worden war. Nach Adlershof hat er die erwähnte Anlage mit Konzentratorzellen (oder eine Kopie davon) aus Petersburg gebracht, berichtete Jutta Blume in der Fachzeitschrift Photovoltaik 6/2008 in ihren Artikel "Mission Photovoltaik". Weil die Ergebnisse der Anlage in Berlin aber nicht zufriedenstellten, sollte sie ans Schwarze Meer gebracht werden, schreibt sie weiter.
Thiessen ist mit Professor Alfjorow gut bekannt. Als in Deutschland das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) in Kraft trat, hat Thiessen es auf russisch übersetzt und an Alfjorow gesandt, der es der Duma vorstellte. Jetzt sind die politischen Bedingungen für eine Kopie des deutschen Erfolgsgesetzes in Russland günstiger und die Übersetzung ist längst wieder aus der Schublade der Verwaltung hervorgeholt worden. Im April 2008 hat Alfjorow in St. Petersburg eine Photovoltaikkonferenz organisiert. Auch diese Informationen habe ich von Jutta Blumes Bericht.
Die staatliche Gesellschaft für Nanotechnologien Rosnano möchte auch mit dem Joffe-Institut zusammenarbeiten. Rosnano wird ein Forschungsinstitut errichten, in dem zusammen mit dem Joffe-Institut an der Erhöhung des Wirkungsgrades von Solarzellen geforscht werden soll, las ich in einer Pressemeldung der Oerlikon Solar vom 18.8.2009 auf Solarportal24.de. (Oerlikon stellt Anlagen zur Produktion von Photovoltaikmodulen her.)
Am 9. April 2010 finde ich eine (knappe) Meldung vom 8. April (auf energieforum.ru. Link dort zu rufo führt zu 404-Fehler und auf Itar Tass, das als Informationsquelle erwähnt ist, ist die Meldung nicht zu finden.), auf die ich schon fast gewartet habe. In St. Petersburg wird eine Fabrik errichtet, in der Solarzellen produziert werden und aus diesen Photovoltaik-Module. Damit kann das im Joffe-Institut erworbene Wissen bald direkt praktisch umgesetzt und kommerzialisiert werden. Projektinitiator ist - einmal mehr - Professor Wjatscheslaw Andrejew.
Die Kosten für den Bau der Fabrik bis 2015 werden auf 5,7 Mrd Rubel geschätzt (derzeit zirka 228 Mio EUR).
Am 8. Mai wird auf der gleichen Website energieforum.ru die folgende Information verlautbart, deren Beziehung zu der vorstehenden nicht angesprochen wird: Rosnano werde in St. Petersburg eine Fabrik zum Jahresende 2010 eröffnen, in der Leuchtdioden in verschiedenen Farben produziert werden. In der gleichen Meldung heißt es, dass eine Fabrik zur Produktion von polykristallinem Silizium, an dem Rosnano beteiligt ist, seine Produktion Ende Mai aufnehmen wird. Daraus schließe ich, dass die Fabrik in St. Petersburg eine andere Fabrik sein wird als die in der voranstehenden Meldung angesprochene. Diese Informationen im Energieforum finde ich unzureichend; offenbar werden nur vorgefundene Informationen (erwähnt ist als Quelle Interfax) aus dem Russischen ins Deutsche übersetzt, ohne vor Ort mal selbst ergänzende Informationen zur Klarstellung einzuholen. Im Impressum dieser Website ist die dena als Verantwortliche eingetragen und für die redaktionellen Inhalte daneben rufo.
Adresse: Politechnitscheskaja Uliza 26, 194021 St. Petersburg
Krasnodar
2008 konnten nach Angaben von Dr. Ermolenko (beim deutsch-russischen Erfahrungsaustausch über erneuerbare Energiequellen im November 2008, an dem ich auch teilnahm,) nur 15 % der im Gebiet benötigten Energie selbst produziert werden. Es gibt viele Bemühungen, eine Eigenversorgung des Gebiets zu erreichen, meinte er. Die Verwaltung des Gebiets bemüht sich sehr um die Zusammenarbeit mit ausländischen Experten und Firmen. Projekte der Schaffung erneuerbarer Energiequellen sind bis 2013 von der Vermögenssteuer befreit.
Zentrum für Energieeinsparung und neue Technologien bei der Gebietsverwaltung Krasnodar
Bogdan Bogdanow ist vom Zentrum für Energieeinsparung und neue Technologien. Er würde gern Errichtern und Betreibern von Solaranlagen überdurchschnittliche Einspeisevergütungen zahlen.
Die Region Krasnodar Kraj hat bereits im Jahre 2007 ein Gesetz über erneuerbare Energien verabschiedet und ein Zielprogramm für mehr Energieeffizienz entworfen, das bis 2010 gelten soll(te).
Bei der Nutzung von Sonnenkollektoren ist Südrussland innerhalb der Russischen Föderation führend.
Südrussisches Forschungsinstitut Teploenergo Projekt
Der wissenschaftliche Leiter des Südrussischen Forschungsinstituts Teploenergo Projekt (nebenbei: beschäftigt sich aber auch mit Verwertung von Bioabfällen), Adolf Tschernjawski, wurde Ende 2009 von einer deutschen Korrespondentin Annette Bräunlein interviewt. Das Interview wurde für eine Sendung des Deutschlandradios verwertet, die am 23. Dezember 2009 ausgestrahlt wurde. Was Tschernjawski ihr erzählte, ist mir nicht neu, denn das hörte ich schon im Mai 2008 von Professor Sadilow in Sotschi:
Das Hauptproblem ist, dass es keinerlei staatliche Unterstützung gibt. Diese Aussage passt allerdings nicht ganz zu dem, was Dr. Ermolenko (siehe voranstehenden Absatz) erzählte. Die Verwaltung des Krajs in Krasnodar hat einen mächtigen Propaganda-Apparat und wen sie unterstützt, von dem wird erwartet, dass er im Ausland um ein erfolgversprechendes Bild, um Investoren wirbt. Ich vermute aber, dass die Bemühungen um ausländische Investoren ohne Begleitung durch ein Etat im Staatshaushalt (oder Haushalt des Krasnodarer Gebiets) erfolgen; ich mutmaße mal an dieser Stelle, man setzt sich bei den Banken ein und gewährt steuerliche Sonderkonditionen. Ob das reicht?
Bis Ende des Jahres 2009 wollte die Duma in Moskau ein Gesetz beschließen, das u.a. Einspeisevergütungen festlegt, erfährt man in dem erwähnten Radiobericht weiter. Zwar gibt es derartige Gesetze schon, aber umgesetzt wurden sie bisher nicht. (Auch das nichts Neues)
Jetzt gibt es wieder Hoffnung, weil dieses Mal Wladimir Putin das Thema aufgegriffen habe, heißt es weiter in dem Bericht der Korrespondentin. Denn die Regierung, der er vorsteht, hat beschlossen, den Anteil der erneuerbaren Energien bis Ende 2020 auf 4,5 % zu steigern. - Diese Information ist alt: es war bereits im Januar 2009 beschlossen worden. Und zweitens ist fragwürdig, warum Putins Befassung mit dem Thema Hoffnungen wecken soll. Hier fehlt offenbar Sachkenntnis der Journalistin. Putin ist nach meinen Eindrücken kein besonderer Befürworter und Förderer erneuerbarer Energien, sondern setzt sich stark für die Gaslobby ein.
Sotschier Universität für Kurortswesen und Touristik
In Sotschi beschäftigt sich der Doktor der technischen Wissenschaften und Direktor am Schwarzmeerzentrum für Energieeinsparung und nichttraditionelle Energien, Professor Sadilow, schon jahrelang mit Solarthermie und Photovoltaik.
Er arbeitete mit dem Produzenten von Solarmodulen Sphinx 5 aus [...Next]