Eine kleine Sammlung von Berichten über Wirtschaftsstraftaten in Russland, die ich teilweise aus dem Russischen übersetze. Diese Sammlung widme ich deutschen, österreichischen und schweizer Unternehmern, die in Russland Geschäfte aufnehmen möchten.
Natürlich sollten Sie Kontakte zu Personen in Russland pflegen, die gute Beziehungen zur Administration pflegen oder selbst zur Administration gehören und Ihnen als Türenöffner zur Anbahnung und Realisierung von Geschäften helfen. Es ist aber nicht ungewöhnlich, dass jene dafür sorgen, sich beim oder nach dem Öffnen der Türen sich eine Provision zahlen zu lassen, auch wenn sie beruflich keine Wirtschaftsvertreter sind. (Ich denke, da passt das große Bild oben zu diesem Artikel von den Feuerwanzen, die den Saft aus den Pflanzen saugen.) Deswegen brauchen Sie ein Gegengewicht:
Ich rufe Unternehmer dazu auf, sich möglichst unabhängige Berater aus Russland zu suchen, die Ihre potentiellen Geschäftspartner durchleuchten und observieren können.
0. Übersicht
1. Ausschreibungen schwierig zu finden
2. Liefer-Betrug in Majkop im Bausektor
3. Raidertum: Gewaltsame feindliche Übernahme von Firmen
4. Bedrohung von Firmenmitarbeiterin durch Mafia mit dem Ziel der Unterstützung bei Eigentums- und Vermögensdelikten
5. Verkauf von Versicherungspolicen mit Markenverletzung/Namensanmaßung einer bestehenden bekannten Versicherungsgesellschaft
6. Russische Post lässt sich von Subunternehmen betrügen - Lieferbetrug
7. Partner wird aus gemeinsamen Unternehmen gedrängt über Denunziation
1. Ausschreibungen schwierig zu finden
Es besteht in der Russischen Föderation eine gesetzliche Pflicht, öffentliche Ausschreibungen ("Tenderui") im Internet zu veröffentlichen. Beamte wollen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge für sich selbst was verdienen, sind nicht an Wettbewerb interessiert, sondern wollen an solche Unternehmen Aufträge vergeben, die Ihnen Schmiergeld zahlen.
In Sotschi werden mindestens 12 % an Schmiergeld für Bauaufträge von Staatsdienern genommen, sagte Walerie Morosow von der Nowaja Gaseta, der auch Bauunternehmer ist, im Gespräch dem Sportsjournalisten Jens Weinreich. Das ist der Prozentsatz, den er selbst zahlen musste, aber meistens sind es 20 bis 30 Prozent. Die werden gleich in die Projektkosten mit eingerechnet.
Die Pflicht zur Veröffentlichung im Internet wurde in der Weise sabotiert, dass Beamte bzw. Mitarbeiter öffentlicher Einrichtungen in ihre Ausschreibungstexte kyrillische Buchstaben durch lateinische Buchstaben ersetzten, so dass solche Texte nicht über Suchmaschinen gefunden werden konnten bzw. die Suche erschwert wird. Nachdem sich Blogger beim Präsidenten darüber beschwerten, mussten Ausschreibungen wiederholt werden und es berichteten dann auch russische Zeitungen über diesen Betrug.
Dieses Beispiel für die Korruptheit des Staatsapparates fand ich im Artikel des Deutschlandradios "Freiheit im Internet - Die Bloggerszene in Russland nutzt ihre Freiräume!" vom 9.12.2009.
Exkurs
Allerdings wollen wir die Verhältnisse zwischen Russland und Deutschland nicht verzerrt darstellen. Auch in Deutschland gibt es Mauscheleien und Kumpaneien bei Auftragsvergaben. Ein aktuelles Beispiel aus dem Sommer 2011 ist die Berlin Partner GmbH, die für Berlin Investoren anwirbt und die Wirtschaft auch fördert. Sie kam wieder in die Schlagzeilen wegen undurchsichtiger Auftragsvergabepraxis (Zuschanzung von Aufträgen an eine Rechtsanwaltskanzlei), die nun von der Staatsanwaltschaft untersucht wird. 2010 war die kommunale Gesellschaft wegen unterlassener Ausschreibung bei der Anschaffung von (Designer-)Möbeln in den Schlagzeilen. Und Korruption ist ist auch in Deutschland verbreitet und reißt Unternehmen in die Insolvenz, Beispiele gibt es etwa in der Müllentsorgungsbranche. Hier ein Filmbeitrag von Frontal 21 (ZDF): http://www.youtube.com/watch?v=yP3eeu6HuLc Oder denken wir an die Visaaffäre mit der Erteilung von Visa am deutschen Konsulat in Kiew vor einigen Jahren.
2. Liefer-Betrug in Majkop im Bausektor
Jugopolis gibt am 17.2.2011 einen Bericht von Ria Nowosti über einen Direktor zweier Baufirmen in Majkop (Adygea) wider, dem vor dem Strafgericht in Majkop der Prozess gemacht wurde. Ihm drohen bis zu 5 Jahre Freiheitsentzug.
Nach dem gerichtlichen Untersuchungsverfahren hat der Direktor und Gründer zweier Baufirmen 2008, Alexej Lojko, mit der städtischen Firma MUP "Majkopwodokanal" (Majkop Wasserkanal) Verträge über die Lieferung von Stahlröhren für den Bau einer Wasserentnahmestelle mit Wasserleitung zu einem Punkt im Majkopkreis und in der Stadt Majkop geschlossen. Diese Bauarbeiten sollten im Rahmen des föderalen Programms "Entwicklung des Südens Russlands in den Jahren 2008 bis 2012" ausgeführt werden.
Um den Bedingungen dieses Programms zu entsprechen, gründete der Beschuldigte fiktive Qualitäts-Zertifikate und lieferte Rohre mit der angeblichen Qualität an Majkopwodokanal. Diese Rohre entsprachen tatsächlich nicht der vertraglichen Vereinbarung. Für die Rohre nahm er mehr als 88 Millionen Rubel von seinem Vertragspartner ein.
Der tatsächliche Wert seiner Rohre belief sich hingegen nur auf maximal 38 Millionen Rubel. So entstand der kommunalen Gesellschaft ein Schaden von über 50.000 Mio Rubel (etwa 1,25 Mio EUR).
Anmerkung: Hier kamen also Betrug und Urkundenfälschung zusammen.
Jugopolis vom 14.2.2011
3. Raidertum: Gewaltsame feindliche Übernahme von Firmen
Bleiben wir noch in Majkop. In Adygea ist die gewaltsame Übernahme von Firmen durch Kriminelle verbreitet (, wie in vielen anderen Landesteilen auch). Davon hatte mir 2008 mein Gastgeber in Majkop erzählt. Schauen Sie sich diesen Artikel vom 31.08.2007 an:
Russlands brutale Firmenübernahmen: Die Landsknechty kommen mit Baseballschlägern
Am 4.3.2011 berichtet
4. Bedrohung von Firmenmitarbeitern durch Mafia mit dem Ziel der Unterstützung bei Eigentums- und Vermögensdelikten
Der russische Autokonzern Awtowas sieht sich Angriffen krimineller Gruppen ausgesetzt und kündigt auf seiner Website Anfang Juni 2011 die Zusammenarbeit mit dem russischen Geheimdienst FSB und dem Innenministerium an. In der Wolgastadt Togliatti ist eine Ermittlungsgruppe mit Vertretern der Staatsorgane eingetroffen, um die kriminellen Angriffe zusammen mit dem Sicherheitsdienst von Awtowas abzuwehren. Worum geht es?
Mitarbeiter, die mit Autos und Ersatzteilen und anderen Waren zu tun haben, werden von Leuten außerhalb des Konzerns unter Druck gesetzt. Dabei bleibt es nicht nur bei psychischen Druck. Es seien auch Mitarbeiter zusammengeschlagen worden. Man wollte sie zur Mitarbeit zwingen, zum Begehen von Vermögensstraftaten wie Unterschlagung bzw. zur Beihilfe. Diese Methoden werden auch beim Raidertum angewendet.
Einige Schläger hat die Staatsanwaltschaft wohl schon festgenommen. Die Angriffe kamen von Autohändlern, die PKW "Lada" vertreiben und insbesondere von Leuten einer Tochterfirma des Autokonzerns, "Lada-Service".
Quelle: Zusammenarbeit mit Organen der Rechtsverteidigung, Pressemeldung vom 08.06.2011
5. Verkauf von Versicherungspolicen mit Markenverletzung/Namensanmaßung einer bestehenden bekannten Versicherungsgesellschaft
Die Versicherungsgesellschaft OAO Zhaso sieht sich derzeit Regulierungsforderungen von Bürgern ausgesetzt, die Versicherungspolicen von einer Firma SAO Zhaso-M gekauft hatten, die sich als Tochtergesellschaft der OAO Zhaso darstellte, was unwahr ist. Die SAO Zhaso-M hat ihren Sitz in Kemerowo und Büros in Moskau, die Geld für Policen einstreichen, die angeblich von der OAO Zhaso legitimiert sind. Die betrogenen Bürger wandten sich an die OAO Zhaso mit Beschwerden, weil ihre Forderungen zur Regulierung von Versicherungsfällen nicht erfüllt werden. Die OAO Zhaso warnt auf ihrer Website vor der SAO Zhaso-M, die tatsächlich nicht zur Zhaso-Gruppe gehört und die Markenrechte verletzt. OAO Zhasa weist auf das Zertifikat Nummer 264 546 beim Russischen Marken- und Patentamt hin, das beweist, dass allein sie Inhaber der Marke ist.
Natürlich fürchtet sich die Versicherungsgesellschaft Zhaso vor einer Rufschädigung durch die betrügerischen Aktivitäten der Zhaso-M. In Kemerowo gibt es auch schon ein Unternehmen, das aufgrund der Weigerung der Zhaso-M zur Regulierung insolvent geworden ist. Darüber berichtete am 23.09.2011 die Website kemerovo.me. (http://kemerovo.me/novosti-kemerovo/8274-k-vozvratu-dolgov-sk-jaso-m-privlecheni-kollektori.html).
Was lernen wir daraus?
Natürlich ist es ein Fehler, aus einem Einzelfall Schlussfolgerungen für Generalisierungen zu ziehen. Doch verstehen Sie bitte diese Meldung als Beispiel für skrupellose Geschäfte in Russland und denken Sie an die Warnung zuvor vor Raidertum!
Man muss auf Fälle der Rufausbeutung vorbereitet sein und sich dementsprechend frühzeitig um Markenrechtsschutz kümmern. Außerdem muss man aufpassen, mit wem man über seine Geschäftsideen spricht. Es kann sein, dass Ihr Gesprächspartner Ihre Idee mithilfe von Kapital und Freunden schneller umsetzt als Sie es vermögen. Halten Sie sich mit dem Geheimnis Ihres Geschäfts, das Sie vorhaben, zurück! Oder streuen Sie, bildlich gesagt, sogar Nebelbomben oder Fehlzünder, um abzulenken und Zeit zu gewinnen gegenüber Schmarotzern.
Weitere Lehre: Jeden Vertragspartner genau unter die Lupe nehmen und nachprüfen im Unternehmensregister, wie die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse sind. Und eventuell darüber hinaus in weiteren Registern wie z.B. das des Marken- und Patentamtes.
Quelle: Website der OAO Zhaso
(entdeckt und Eintrag am 25.09.2011)
Einige Versicherungsgesellschaften liste ich im Artikel Versicherungen in Russland mit ihren Schwerpunktfeldern auf.
6. Russische Post lässt sich von Subunternehmern betrügen - Lieferbetrug
Das so etwas möglich wurde, lässt darauf schließen, dass an dieser Masche, die der oben unter 1. geschilderten ähnelt, Manager und Mitarbeiter der Russischen Post selbst beteiligt sein müssen.
Für den Transport von Briefen und Paketen durch das riesiege Land nutzt die russische Post private Transportfirmen bzw. Agenten, die zwischen Transportfirmen vermitteln. Die Einzelheiten kenne ich nicht. Subfirmen als Auftragnehmer haben sich Geld erschlichen, indem Sie Post, die für den Versand auf dem Luftwege bestimmt und bezahlt war, auf dem Landwege transportiert bzw. auf dem Wasserwege (z.B. zur Halbinsel Kamtschatka). Dieser Transport ist vielleicht zehnmal billiger, aber auch viel langsamer. Die Gewinnspannen haben bei bis zu 90 Prozent gelegen.
Obwohl dieser Betrug auffliegen musste, wurde er doch vielfach begangen. Die Angst der Straftäter vor Entdeckung und Bestrafung war geringer als der Bereicherungswille.
Es gab massenhaft Beschwerden von Kunden über verspätete Zustellungen. Nachdem die Russische Post von der Polizei auf diesen Betrug hingewiesen wurde, hat sie Luftfahrtunternehmen direkt beauftragt.
Die Russische Post ist Handelspartner der Deutschen Post/DHL. DHL hat im Jahre 2012 seine Beförderungsbedingungen für Russland überarbeitet und versucht sein Risiko mit diesem Vertragspartner auf den deutschen Kunden abzuwälzen. Ich habe meine Erfahrungen mit dem Versand [...Next]