Damit wir nicht wieder ohne gültige Zahlungsmittel dastehen, suchen wir uns erstmal einen Laden, in dem wir uns nach einer Wechselstube erkundigen wollen. An einem Kiosk treffen wir einen freundlichen Mann auf einem Fahrrad, der uns sogleich zur Wechselstube führt. Die Hilfsbereitschaft beeindruckt uns. In Osteuropa scheinen alle Leute nichts Besseres zu tun zu haben, als Touristen irgendwo hinzuführen.
Dort angekommen tauschen wir einige Euro und unsere Hrywnia (UAH) um. – Unsere Euros sind also das dritte Mal getauscht worden:
- Euro zu Złoty
- Złoty zu Hrywnja
- Hrywnja zu Forint
Und jedes Mal wird es mehr: 1 € = 4 Zloty =11 Hrywna = 268 Forint. Da flattern dicke 1000er-Scheine über den Tisch.
Christoph fragt auch gleich nach einem Hotel in der Nähe. In der Wechselstube spricht man noch Russisch. Das ändert sich aber schlagartig, sobald man etwas weiter ins Land kommt.
Uns wird das Hotel Bastya in Kisvárda genannt. Nach einer kurzen Pause in der ungarischen Mittagshitze machen wir uns auf den Weg nach Kisvárda, entlang einer Überlandstraße, auf der Räder, Trecker und Kutschen verboten sind. Aber vorbeifahrende Polizisten scheinen keine Notiz von uns zu nehmen. Übrigens umgehen wir mit den Fahrrädern auch die Maut.
Die ersten Kilometer führen an einer Schlange von LKWs vorbei, die zur Grenze wollen. Tja, mit dem Rad sind wir schneller.
Angekommen im Hotel in Kisvárda. Kostenpunkt für uns beide zusammen 5500 Forint (umgerechnet etwa 20 €).
Die Hotelfrau antwortet auf Johannes' Englisch konsequent auf Ungarisch, irgendwie weiß man aber immer, was sie meint. Nachdem unser Gepäck sicher im Hotel verstaut ist, machen wir uns auf zu Tesco, einem Markt einer englischen Discounter-Kette. Wir haben keine Ahnung von der ungarischen Sprache. Um uns wenigstens notdürftig verständigen zu können, kaufen wir ein Wörterbuch und einen Touristenführer Deutsch für ungarische Touristen.
Inzwischen haben wir einen Sonnenbrand an Armen und auf dem Gesicht. Das hätte man im verregneten Polen so nicht erwartet.
Heute haben wir mehr Zeit gehabt. Es war ein Fünfundzwanzigstunden-Tag. Durch das Überqueren der Grenze von der Ukraine nach Ungarn bekamen wir eine Stunde geschenkt, denn wir haben auch die Zeitzone gewechselt. Damit geht Johannes' Armbanduhr jetzt wieder richtig. Am Mittwoch bei unserer Einreise in die Ukraine hatte er sie aus Bequemlichkeit nicht auf die Ukrainezeit Umgestellt.
Geschätzte Fahrstrecke heute:
von Užhorod bis zur Grenze = 30 km
von der Grenze bis Kisvárda = 25 km
Insgesamt: 55 km
Sonntag, 7. August 2011
Wetter: brühend heiß
Nachdem uns die nahe Dorfkirche schon früh aus dem Schlaf reißt und uns nicht länger schlafen lässt, obwohl doch Sonntag ist, schwingen wir uns behände auf die Räder in Richtung rumänische Grenze. Allerdings muss zuerst der Weg gefunden werden. Der Leser sei an dieser Stelle nochmal daran erinnert, dass wir ohne Karte reisen.
So versuchen wir es mit Herumfragen. Aber keine Chance dieses Mal ...
Ungarn ist radikal monolingual. Keiner kann Englisch oder Deutsch oder Tschechisch oder Russisch. Bestenfalls reicht es manchmal noch zum "Kak tebja sowut?" - "Wie heißt Du?".
In einer Kneipe, in der zwei Männer schon am Sonntagmorgen fleißig am Trinken sind, hängt eine Karte. Dort schreibt sich Christoph schnell die Orte auf, durch die wir fahren müssen. Die zwei Männer versuchen ein Gespräch mit uns zu beginnen. Es ist eine Kommunikation mit Händen und Füßen. Als sie hören, dass wir Deutsche sind, schütteln sie uns mehrere Minuten lang die Hände und man verabschiedet sich, ohne etwas verstanden zu haben.
Wir fahren weiter nach Vásárosnamény. Dort wissen wir erst nicht weiter. Wir fragen den Ersten, dem wir begegnen – spricht nur ungarisch. Dann spricht uns ein Mann deutsch an. – Endlich! Er erklärt uns den Weg in einem Kauderwelsch aus Deutsch, Russisch und Ungarisch. Und weil Osteuropäer bekanntermaßen viel Zeit haben, holt er sein Fahrrad vom Hof und führt uns ein paar Kilometer weit zu einer Tankstelle.
Von da aus geht es für uns so ziemlich geradeaus die Landstraße entlang. Wir fahren durch kleine Dörfer.
Was auffällt, ist zum einen, dass vor vielen Häusern Bänke außen an den Gartenzaun gezimmert sind, auf denen die überwiegend älteren Bewohner gerne sitzen. Zum anderen gibt es hier nicht mehr diese vielen Alkohol- und Tabak-Läden, die wir sonst in Polen und der Ukraine an jeder Ecke stehen sehen haben.
Die Landschaft selbst scheint uns etwas grüner als die der Ukraine. Es gibt viele Sonnenblumen- und Maisfelder und Wälder.
Irgendwann kommt uns auf der Landstraße ein Mann auf einem Fahrrad entgegen, der in einem Plastebeutel ein lebendes Schwein transportiert. Ein sehr ulkiges Bild.
Am Nachmittag erreichen wir Mátészalka, wo wir die Nacht verbringen werden.
Die Suche nach einer Bleibe gestaltet sich schwierig. Wir fragen in einer Kneipe nach. Dort empfiehlt man uns das Hotel Ramszes. Direkt neben Hotel Ramszes befindet sich das Hotel Koruna, in dem wir ein Zimmer nehmen.
Die Kommunikation läuft wieder über Hände und Füße. Der konsequente Monolingualismus erstaunt uns immer wieder... Hoffentlich geht´s in Budapest mit der Verständigung besser.
Geschätzte Fahrstrecke heute:
von Kisvarda nach Mateszalka = 48 km
Insgesamt: 103 km (Quelle: berechnet mit Google Maps)
Montag, 8. August 2011
Wetter: heiß und sonnig
Wir schwingen uns früh in Mátészalka aufs Rad in Richtung Satu Mare, Rumänien. Unsere Route führt auf der Landstraße entlang durch neckige kleine ungarische Kuhkäffer. Vereinzelt müssen wir uns durchfragen – wie immer mit Händen und Füßen und einem kleinen Zettel, auf dem die Orte draufstehen, durch die wir fahren müssen.
Auf diese Weise kommen wir bald nach Csenger an der rumänischen Grenze. Ein Fußgänger sagt uns, wie man nach Satu Mare (auf ungarisch: Szatmár) kommt.
Der gezeigte Weg ist die Landstraße zum Grenzübergang Csengersieme (Ungarn) - Petea (Rumänien). Das ist nicht die von uns geplante Route, aber wir folgen seiner Empfehlung, weil wir nur eine Route auf einem Zettel stehen haben und nicht wissen, wo wir rauskommen, wenn wir von Dorf zu Dorf fahren.
Das Passieren der Grenze erfolgt ohne Vorkommnisse. Schließlich bleiben wir ja innerhalb der Europäischen Union.
Aber die osteuropäische Zeitzone, in die wir kommen, nimmt uns an der Grenze eine Stunde Zeit ...
Kurz vor Satu Mare platzt Christoph der Gel-Reifen und versprüht seinen glibbrigen weißen Inhalt auf jeden, der hinter Christoph fährt, also vor allem auf Johannes. Wenn das Zeug getrocknet ist, wird es sich von der Kleidung entfernen lassen, hoffen wir. Christoph kann mit diesem Reifen aber noch weiterfahren.
Man fühlt sich gleich wieder etwas heimisch, kaum dass man in Indoeuropa zurück ist. Man kann wieder Schilder lesen und versteht ein paar Sachen, ohne was wissen zu müssen. Toll!
Ohne lange suchen zu müssen haben wir eine kleine Pension aufgetrieben, die uns für gerade einmal 15 Euro ein Doppelzimmer gibt. Unsere Räder werden sicher im Keller verstaut.
Geld in der Landeswährung Lei haben wir noch nicht. Deshalb begeben wir uns auf die Suche nach einem Geldwechsler. In der Stadt haben alle Banken seit zwei und alle Wechselstuben seit weniger als einer Stunde geschlossen. Wir schieben unser Missgeschick auf die Zeitverschiebung.
Satu Mare ist ein hübsches kleines Städtchen. Es gibt viele alte Gebäude, die aber zum Teil noch nicht restauriert sind.
Ähnlich wie in der Ukraine kehren wir ohne Landeswährung von unserer Suche zurück. Glücklicherweise können wir im Mini-Markt neben der Pension mit Unterstützung der Bedienung, die Englisch spricht, ein paar Lebensmittel mit Euro einkaufen. Das Rückgeld kriegen wir in Kaugummis ausgezahlt.
In unserem Pensionszimmer entdecken wir dann ein großes, grünes Insekt. Möglicherweise ist es eine Gottesanbeterin. Lustig. So ein Vieh haben wir in unserem Leben noch nie in echt gesehen. Fotografieren konnten ließ es sich aber nicht.
Geschätzte Fahrstrecke: Mátészalka - Satu Mare: zirka 60 Kilometer.
Geschätzter Wasserverbrauch heute pro Person: 5 bis 6 Liter.
Dienstag, 9. August 2011
Wetter: Morgens frisch, ab Nachmittag Sonne
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