Heute abend entdecke ich eine E-Mail vom Russischen Konsulat in meinem Postfach. Die Antwort auf meinen Antrag, Visumservice in Berlin anbieten zu dürfen und dazu ohne Warten in der Schlange ins Konsulat reingelassen zu werden. So einen Antrag hatte ich im Oktober gestellt.
Doch das ist eine große Überraschung. Es heißt in der E-Mail:
"Sehr geehrter Herr Schäfer,
anlässlich Ihrer Anfrage über die Beschaffung von Visa teilen wir Ihnen folgendes mit. Seit dem 21.11.12 funktioniert in Berlin das russische Visazentrum, an das Sie sich wenden und alle Visaunterlagen abgeben können. Wir arbeiten mit den Reise-und Servicebüros nicht mehr.
Alle notwendigen Informationen finden Sie bitte auf der Webseite der Botschaft.
Mit freundlichen Grüßen
Visastelle"
Oh, da stellen sich viele Fragen. Das ist eine echte Überraschung.
Im ersten Moment großes Staunen. Sofort gegoogelt, denn ich habe was verpasst in der letzten Woche.
Da tauchen noch mehr Neuigkeiten zur Visumbeschaffung auf:
elektronisches Visumerteilungsverfahren? Erleichterung der Visaerteilungsformalitäten, indem Forderungen, die in den Katalog der zu beschaffenden Unterlagen aufgrund des Gegenseitigkeitsprinzips erst aufgenommen wurden, wieder wegfallen? - Fragen aus einem Russlandforum.
Fragen im ersten Moment nach der Schnellrecherche bei mir:
Fällt jetzt für die Russland-Visumdienstleister deren Visumgeschäft weg? Oder jedenfalls fallen sie in der Wertigkeit ihrer Arbeit zurück auf eine Art Kurierdienst?
Gibt es längere Öffnungszeiten in der neuen privaten Visumstelle? Wird sie von den Räumlichkeiten her größer sein und wird der Andrang immer noch so groß sein, wie ich das oft erfahren hatte?
Gelten diese Änderungen, insbesondere die elektronische Visumbeantragung, nur in Deutschland oder überall?
Also mal die Website dieses neuen Monopoldienstes Visa Handling Service GmbH angeschaut!
Die erste Recherche ergibt, dass sich der Geschäftssitz in Berlin in der Knesebeckstraße 83 befinden soll. Weitere Geschäftsfilialen in Bonn, Frankfurt und München (was ist mit Leipzig?).
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Neu! Elektronische Stellung des Antrags auf Ausstellung des Visums
Aber zunächst gibt es von der Website des Russischen Konsulats einen Link auf eine neue Sonderseite des Russischen Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten, wo man das Online-Antragsformular zur Erteilung des Visums ausfüllt.
Am Beginn muss man bestätigen, dass man die Hinweise gelesen hat, daraufhin wird der Button "neuen Antrag stellen" aktiviert und man soll sich die rechts oben gezeigte Antragsnummer notieren und eine Sicherheitsfrage auswählen. Damit kann man den Antragsentwurf später wieder aufrufen und weiter bearbeiten.
Ohne Sicherung wird der Cache (Speicher) nach 20 Minuten gelöscht. Also sollte man den Reisepass und sonstige Unterlagen bereitliegen haben.
(Praktisch wäre es, wenn in die Seite eine Countdown-Uhr integriert wäre, so dass man jederzeit sich die Daten per Browser-Screenshot sichern kann, bevor sie gelöscht werden.)
Demnächst werde ich an dieser Stelle noch ergänzen. Für diesen neuen Visumdienstleister, der im Auftrage des Russischen Konsulats die Arbeit vor etwa einer Woche aufgenommen hat, ist es heute für mich zu spät.
[Ergänzung 02.06.2013:
Man kann am Anfang die Sprache deutsch auswählen, nachdem man das Land Deutschland auswählte. Wenn man dann ein Häkchen in das Kästchen setzt, mit dem man bestätigen muss, dass man die Bedingungen gelesen hat, kommt man auf eine Seite, auf der man gleich um ein Passwort gebeten wird, für das Fragen vorgegeben sind. Diese Fragen sind allerdings auf englisch. Eine Barriere für diejenigen, die kein Englisch können. Man hat es also nach einem halben Jahr immer noch nicht geschafft, das Formular vollständig ins Deutsche zu übersetzen, obwohl aus Deutschland die meisten Ausländer von allen westlichen Ländern kommen.]
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11.12.2012. Heute habe ich mich weiter mit der Neuerung im Visumgeschäft beschäftigt.
Das vom Konsulat bezeichnete Visumzentrum der Visahandling Service GmbH
Diese Gesellschaft hat im November 2012 ihre Arbeit in Berlin aufgenommen. Dafür sollen vom Antragsteller (pro Reisepass) pauschal 25 EUR zu zahlen sein, zusätzlich zu den Visabearbeitungsgebühren des Konsulats. Aufgrunddessen haben einige Russland-Dienstleister und Visadienstleister Ihre Gebühren für den Service um eben jene 25 EUR angehoben, Sputnik Travel Berlin um 30 EUR. Die Visumbeschaffung wird also deutlich teurer.
Meinungsäußerungen von Russland-Reiseveranstaltern oder Visumdienstleistern habe ich noch nicht gefunden.
[Nachtrag 19.05.2013: Inzwischen habe ich Meinungsäußerungen aus der Branche gefunden.]
Was kann man dazu meinen? Wofür zahlt man (mindestens) 25 EUR mehr?
Das ist auf Anhieb nicht nachvollziehbar, wenn dieses Unternehmen eben die Arbeit macht, die vorher im Konsulat erledigt worden ist. Man könnte darin auch eine Preiserhöhung unter Umgehung der Vereinbarungen zwischen Russland und Deutschland vermuten, nach denen ein Touristenvisum auf beiden Seiten 35 EUR kostet. Dazu muss man aber den Vertrag ansehen und die Gesellschaftsstruktur der Visahandling Service GmbH könnte vielleicht auch etwas Aufschluss geben. Die Informationen zu diesem Unternehmen sind noch rar. Es ist gerade erst gegründet worden. Insofern sieht es nach Kontrolle darüber auf seiten des Russischen Staats aus, wenn extra für die Annahme der Visumanträge, die Durchsicht auf Vollständigkeit und Beratung der Reisekunden ein Unternehmen gegründet wird. Denn die Übertragung der Aufgaben, die bisher sowieos den Russischen Konsulaten oblag und noch weiterhin obliegt, ist ja schon vor der Gründung staatlich geplant worden. Man hätte auch eine Ausschreibung machen können unter den zahlreichen Visadienstleistern, die schon viele Jahre lang Erfahrungen gesammelt haben.
Eine staatliche Verwaltungseinheit kann ihr nach dem Gesetz obliegende Aufgaben manchmal auch in Form von privaten Gesellschaften erfüllen. Im Kommunalrecht gibt es das häufig. Insofern darf man die Visahandling Service GmbH als verlängerten Arm der Konsulate verstehen.
Die offizielle Begründung für die Umgestaltung steht zur Zeit auf der Startseite des Russischen Konsulats (siehe oben Teaserbild mit Screenshot).
Zusammenfassung der Gründe für die Einrichtung der Russischen Visumzentrale
1) Qualitätssteigerung bei der Visabeantragung
2) Beschleunigung des Visumbeschaffungsverfahrens
3) mehr Komfort für Antragsteller
Stellungnahme
Zu 1) Das kann ja nur die Fälle betreffen, in denen die Antragsteller selbst in das Konsulat kommen und sich nicht von einem Russlandspezialisten oder Visumspezialisten vertreten lassen; oder die Konsulate waren unzufrieden damit, wie diese privaten Unternehmen die Antragsunterlagen auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft hatten und man wollte was tun angesichts einer Überlastung der Konsulatsmitarbeiter. Die Wahrheit werden wir nicht erfahren. - Aber überlegen wir weiter: wenn man wirklich mit den Russlandspezialisten und Visumspezialisten unzufrieden gewesen wäre, mit deren Kontrollarbeiten, hätte man denjenigen, die nicht gut genug arbeiten, die Erlaubnis entziehen können, anstatt jetzt allen solchen Unternehmen die Kooperation aufzukündigen.
In diesem Zusammenhang wäre es interessant, Zahlen zu erfahren, wieviele Russlandreisende sich ihr Visum selbst und direkt verschafft haben und wieviele über Visumdienstleister und Russland-Reiseveranstalter und Russlandreisebüros. - Solche Verhältnisse sind mir nicht bekannt. Ich habe aber auch noch nicht danach recherchiert.
Jedenfalls kann man davon ausgehen, dass das Konsulat personell entlastet wird. Mehr Leute, die jetzt mit der Annahme, Kontrolle und Ausgabe beschäftigt sind, werden nicht mehr vom Konsulat bezahlt werden müssen, sondern über die Einnahmen der Dienstleistungsentgelte der Touristen, Geschäftsleute, Staatenlose, die nach Russland einreisen wollen. Der Staat hat privatisiert. Da es hier allerdings um die Erfüllung von Hoheitsaufgaben geht, ist das keine Auslagerung von Aufgaben in den freien Markt. Die 25,- € lassen sich daher als erhöhte Administrationskosten ansehen. Später werde ich mir ansehen, ob das mit den Vereinbarungen zwischen Russland und Deutschland geregelt ist.
Zu 2) Meine eigenen Erfahrungen bei meiner Visumbeschaffung waren, was die Geschwindigkeit betrifft, gut. Beim letzten Mal, jetzt im Frühsommer 2012, wurde mir erklärt, dass ich mein Visum nach drei Werktagen abholen könne. Das hatte gut funktioniert. Auch in 2011 außerhalb der Hochsaison habe ich mein Visum innerhalb einer Woche erhalten.
Um vergleichen zu können, ob die Bearbeitung tatsächlich beschleunigt wird, bräuchte man Zahlen dazu, wie lange die Visumbearbeitung dauert, nach wievielen Tagen das Visum abholbereit liegt. Auch diese Zahlen habe ich nicht. Natürlich ist es etwas anderes, wenn ein Reiseveranstalter an einem Tag gleich mit 20 Reisepässen ankommt. Bei Gruppenreisen kann man sich Bearbeitungsstaus vorstellen. Aber die gab es früher auch schon. Sind die Einreisezahlen in letzter Zeit stark angestiegen? Egal, man muss immer nach Wegen suchen, ein Geschäft wirtschaftlicher zu gestalten, Einsparungen bei den Kosten zu erzielen. Sicher: die Dauer des Visumbeschaffungsverfahrens war immer ein Grund für Touristen dafür, nicht spontan, kurzfristig nach Russland zu reisen. Ob aber die Beschleunigung wirklich so erheblich wird, dass das einen merklichen positiven Effekt auf den Besucherzustrom aus dem Ausland hat?
zu 3) Der neu bezogene Raum in der Friedrichstraße (nahe an der Leipziger Straße) ist nicht größer als der Raum im Konsulat, aber frischer, eben vor kurzem renoviert. Es gibt sieben Schalter. Die Damen dahinter, soweit ich es hörte, sprachen gutes, flüssiges Deutsch mit wenig Akzent. Eine Verbesserung für Deutsche Antragsteller, die sich die Kosten des privaten Dienstleisters (genauer: wenigstens eines von zwei Dienstleistern) sparen wollen. Dass sie technisch besser ausgestattet sind, kann ich mir auch vorstellen. Aber wenn es darum als Argument geht, hätte man ebenso die Visababteilung im Russischen Konsulat mit neuer Technik ausstatten können, anstatt eine GmbH zu gründen.
Allerdings war nicht viel Betrieb, als ich am Nachmittag da war. Gleichzeitig nimmt zur Zeit ja [...Next]