Im Januar 2013 hatte ich im Auswärtigen Amt nach Rechtsgrundlagen für Änderungen bei der Visumerteilungspraxis nachgefragt, weil sich für mich nach einer oberflächlichen Prüfung abzeichnete, dass das Verfahren teilweise rechtswidrig sein könnte. Einige Rechtsfragen hatte ich aufgeworfen. Auf einige Fragen, fand ich damals heraus, ging die Linke bei ihrer parlamentarischen Arbeit bereits ein.
Meine Vermutung war, dass durch diese strenge Visumerteilungspraxis unter Beleihung der Privatwirtschaft gerade auch erst zur Folge hat, dass Russland seinerseits mit ähnlichen Verfahren als nach dem Payback-Prinzip gegenüber deutschen Touristen antwortet, so dass sich also sagen ließe, dass deutsche Politiker und Beamte die Änderungen der Visumerteilungspraxis mitzuverantworten haben.
Anlässlich der Bundestagswahl am Sonntag, dem 22.09.2013 habe ich mir jetzt mal eine Umfrage unter den Parteien, die bisher im Bundestag waren, zu Gemüte geführt, die Bezüge zur Touristik hat. Sie heißt: "Wahlprüfsteine der Tourismuswirtschaft"
Diese Umfrage wurde vom Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft e.V. durchgeführt.
Unter "IV. Verbraucherschutz und Visaerleicherungen" wurde als "Wahlprüfstein 22 auf Seite 20 die Frage gestellt:
"Werden Sie sich dafür stark machen, dass potentielle Gäste künftig nicht mehr durch langwierige und komplizierte Visa-Prozeduren abgeschreckt werden?"
Im erweiterten Eintrag gebe ich die Antworten der Parteien 1:1 wie in der veröffentlichten Umfrage wider. Damit stelle ich Ihnen weitere Perspektiven auf die schon zum Jahreswechsel dargestellten Probleme zur Verfügung, neben meiner Sichtweise und der des Auswärtigen Amtes. Damit wird noch deutlicher, in welchen Reihen die Verantwortlichen stehen, die den internationalen Reiseverkehr und Austausch behindern. Machen Sie sich selbst Ihr Bild von den gegebenen Antworten!
Ich möchte die nicht selbst kommentieren.
Die Wahl ist jetzt auch gelaufen.
Antworten der Parteien - Überblick
- CDU/CSU
- SPD
- Die Linke
- Bündnis 90/ Die Grünen
- FDP
1. CDU/CSU
CDU und CSU nehmen das Interesse der Tourismuswirtschaft an möglichst einfachen Visa-Verfahren für Touristen sehr ernst. Zahlreiche Vereinfachungen des Verfahrens zur Erteilung von deutschen Visa haben sich bewährt; einige von ihnen stellen für Touristen eine wesentliche Erleichterung der Vorbereitung eines Aufenthalts in Deutschland dar:
- So ermöglichen viele deutsche Auslandsvertretungen die Einreichung von Visumantragsunterlagen von Reisegruppen unmittelbar über Reisebüros. Dadurch ist das
persönliche Erscheinen des Antragstellers in der Visastelle entbehrlich.
- Zur erheblichen Beschleunigung des Visumverfahrens wird die Annahme von Visumanträgen von immer mehr Auslandsvertretungen an private externe Dienstleister ausgelagert. Dadurch kann die Möglichkeit der Einreichung der notwendigen Unterlagen innerhalb von 48 Stunden garantiert werden. Die Auslagerung an private externe Dienstleister ist u. a. in der Türkei, in China, in Russland, in der Ukraine und in einigen Staaten in der Golfregion bereits erfolgt. Darüber hinaus wird sie in absehbarer Zeit in weiteren Ländern eingeführt. Auch die Erfassung biometrischer Daten bei Visumantragstellung ist in einigen Staaten der Golfregion bereits auf externe Dienstleister ausgelagert worden.
- Der Visakodex erlaubt es, vertrauenswürdigen Visumantragstellern je nach Bedarf Visa mit einer Gültigkeitsdauer zwischen sechs Monaten und fünf Jahren zu erteilen. Diese Jahresund Mehrjahres-Schengenvisa (für mehrere Einreisen bis zu 90 Tagen im Halbjahr) werden vermehrt ausgestellt. Die Zahl der Mehrjahresvisa für häufig Reisende konnte auf ca. 15 Prozent aller Schengen-Visa erhöht werden.
2. SPD
Keine Ja / Nein Antwort möglich. Die SPD hat sich in der Vergangenheit für Visaliberalisierung eingesetzt und wird dies weiterhin tun. Bestehende Visaerleichterungsabkommen, den EU-Visa- und Grenzkodex sowie nationale rechtliche Bestimmungen sollen möglichst im Sinne einer Erleichterung der Reisefreiheit ausgelegt und angewandt werden. Dabei sind aber die Sicherheitsinteressen unseres Landes wie der gesamten EU unbedingt zu berücksichtigen.
3. Linke
Ja. DIE LINKE ist bereits in der Vergangenheit wegen der von Ihnen völlig zu Recht kritisierten Hürden und Probleme bei der Visavergabe politisch aktiv geworden. Mit einem Antrag im Bundestag haben wir die Bundesregierung im März 2012 zu umfangreichen Visaerleichterungen bzw. auch zur Aufhebung der Visumpflicht aufgefordert (vgl. Bundestagsdrucksache 17/9191). Nach unserer Auffassung müssen die gesetzlichen Spielräume im Sinne der Reisefreiheit ausgeschöpft und insbesondere Mehrjahresvisa großzügig erteilt werden. Wir fordern, auf unnötige persönliche Vorsprachen und Dokumente zu verzichten und ein kundenfreundliches Verfahren sicherzustellen, etwa durch eine erleichterte Kommunikation mit den Visastellen und die Aufstockung und Schulung des Personals. Lange Wartezeiten müssen verkürzt und Reisebüroverfahren für Vielreisende verstärkt genutzt werden. Auch an die Prüfung der „Rückkehrbereitschaft“ dürfen keine überhöhten Anforderungen gestellt werden, weil dies in der Praxis oftmals zu pauschalen und nicht nachvollziehbaren Ablehnungen führt. Es ist nicht akzeptabel, dass Deutschland im Visumverfahren trotz identischer Rechtsgrundlagen (EU-Visakodex) viel strengere Anforderungen stellt als andere EU-Mitgliedstaaten. DIE LINKE hat die restriktive Visapraxis Deutschlands durch zahlreiche Anfragen an die Bundesregierung kritisiert und dabei auch Verstöße gegen EU-Recht aufgedeckt und öffentlich gemacht. Wartezeiten zur Beantragung eines Visums von teilweise bis zu drei Monaten sind mit der 2-Wochen-Vorgabe des Visakodex in keiner Weise vereinbar. Dennoch wurde in den Jahren 2009 bis 2012 das Personal in den Visastellen weltweit gekürzt – bei steigender Belastung durch vermehrte Visaanträge. In den wichtigsten visumpflichtigen Ländern China, Russland und Türkei stieg deshalb die Belastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um 27, 38 bzw. 40 Prozent, wie Anfragen der Linksfraktion ergaben. Auch der kostenpflichtige Einsatz externer Dienstleister entspricht nicht den EU-Vorgaben: Statt die Visastellen mit ausreichendem Personal auszustatten und die Verfahren zu vereinfachen, werden die Mehrkosten dieser Teilprivatisierung staatlicher Aufgaben auf die Reisenden abgewälzt.
4. Bündnis 90 / Die Grünen
Ja. Die Visapolitik der Schengen-Staaten, also auch Deutschlands, kritisieren wir seit langem. Restriktive Visavergabe, bürokratische Hindernisse und unklare Kriterien für die Visaerteilung behindern die Reisemöglichkeiten vieler Menschen in den Geltungsbereich des Schengen-Vertrages. Wer etwa aus Russland oder der Ukraine in die EU reisen möchte, muss sich in einem langwierigen und oftmals demütigenden Verfahren um die Erteilung eines Visums bemühen. Viele Menschen können sich zudem die Kosten, die mit der Visaerteilung verbunden sind, nicht leisten. Und gerade die deutschen Auslandsvertretungen sind dafür bekannt, bei der Visavergabe unverhältnismäßig restriktiv zu handeln. Wir setzen uns dafür ein, dass bei der Erteilung von Visa durch deutsche Konsulate großzügig verfahren wird und vorhandene Spielräume genutzt werden. Daher sagen wir: Eine Liberalisierung der Visapolitik ist überfällig!
5. FDP (am 22.09.2013 aus dem Bundestag abgewählt)
Ja. Deutschland lebt von seiner Offenheit und Vernetzung. Das soll ich sich auch in einer modernen liberalen Visapolitik ausdrücken. Wir setzen uns für die Visafreiheit mit Russland, der Türkei und den östlichen sowie südlichen Nachbarn der EU ein, sobald sie die dafür erforderlichen Voraussetzungen erfüllen. Liberale Visapolitik in einer zusammenrückenden Welt muss Nähe gestalten und nicht Trennung verwalten.
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Die Parteienumfrage, aus der vorstehender Teil von mir entnommen wurde, ist hier abrufbar (PDF-Datei):
http://btw.de/cms/upload/Publikationen/Wahlpruefsteine_Gesamtuebersicht.pdf