Auf der Website des Vereins Reporter ohne Grenzen (kurz: ROG) hat man die Veranstaltung "Podiumsdiskussion - Sotschi und das Internet vor Olympia. Weitet Russland die Kontrolle aus?" genannt. Die Winterolympiade ist, da sich aus aller Welt demnächst die Aufmerksamkeit der Medien auf Russland stärker richtet, ein Anlass, über das Thema Meinungsfreiheit, Zensur und Überwachung der Bevölkerung Russlands breitenwirksamer zu berichten. Ein direkter Bezug zur Olympiade wurde im Gespräch dann freilich nur kurz hergestellt. Dass der russische Staat ganz besondere Sicherheitsmaßnahmen zur Olympiade ergriffen hat, ist selbstverständlich. Aber welche und insbesondere welche, die unverhältnismäßig in Rechte der Sportler, Journalisten, Funktionäre, Zuschauer, Bürger eingreifen, dazu lässt sich Russland nicht in die Karten schauen. Darum konnte es nicht gehen. Sondern um die Entwicklungen der Massenüberwachung in Russland in den letzten Jahren, seit der Wiederwahl Putins zum Präsidenten im Herbst 2011.
Der Geschäftsführer des Vereins Reporter ohne Grenzen, Christian Mihr, leitet in die Thematik ein und stellt ein paar Dutzend Zuschauern die Interview-Gäste vor (siehe Video der Eröffnungsszene).
[Ergänzung, 03.08.2016: Zur Organisation "Reporter ohne Grenzen" sollte der Leser noch wissen, woher der Wind weht. Diese Organisation wird (auch) finanziert von National Endowment for democracy (NED) und Milliardär George Soros über dessen Open Society.
[Ergänzung, 16.01.2019: National Endowment for Democracy (NED) ist eine US-amerikanische Stiftung und Denkfabrik mit dem erklärten Ziel der weltweiten Förderung der liberalen Demokratie. Der Name ist irreführend. Demokratie meint hier nicht den Begriff Demokratie, den Abraham Lincoln einst verwendete. Die Organisation wurde laut deutscher Wikipedia angeblich 1983 vom US-Kongress in Washington, D.C. gegründet. Formal gesehen zutreffend, dahinter stecken aber andere Kräfte. Die NED wird zu 100 % aus dem US-Bundeshaushalt finanziert. Es ist ein Gremium zur Einmischung in andere Staaten, zur Destabilisierung, man kann sagen eine "Softpower-Waffe" der USA mit ihrem Anspruch auf Superiosität. Vom Investigativ-Journalisten Thierry Meyssan wird NED als legaler Arm der CIA gesehen, der aber auch von britischen Geheimdiensten instrumentalisiert wird (NED, the Legal Window of the CIA, veröffentlicht bei Voltairenet am 16.08.2016, url: https://www.voltairenet.org/article192992.html). Die CIA ist die mächtigste Verbrecherorganisation auf der Erde nach Ansicht des Autors.]
"Reporter ohne Grenzen" steht damit in einer Reihe mit "Ärzte ohne Grenzen" und "Human Rights Watch"; IWMF (Internationale Frauen-Medien-Stiftung, ein Club, der unter dem Vorwand, mutige Journalistinnen auszuzeichnen, Volksverhetzung in unliebsamen Ländern finanziert und fördert). Diese Organisationen sind Machtausübungsinstrumente der Globalisten.
Die Auswahl der in Sachen Pressefreiheit von den Reportern ohne Grenzen angeprangerten Länder orientiert sich 1:1 an der Schwarzen Liste des US-Außenministeriums. Die USA selbst und ihre Verbündeten müssen aber keine fundamentale Kritik befürchten. Wir kennen dieses Prinzip von den 2016 lancierten Panama-Papers, die der amerikanische Geheimdienst auf kriminelle Weise beschafft hat. Veröffentlicht werden in den westlichen Medien vor allem die Personen und Gruppen aus dem Feindlager der Weltmacht-Elite (bis auf einige Feigenblatt-Ausnahmen wie dem deutschen Rennfahrer Rossberg.). Im Ukraine-Konflikt ist diese Gruppe die russischstämmige Bevölkerung der Ostukraine, die den Putsch in Kiew nicht akzeptierte.
George Soros ist wesentlich am Putsch in der Ukraine beteiligt und ist Wegbereiter für weitere Kriege, so z.B. in Georgien und schon die orangene Revolution in der Ukraine in 2004. Dazu siehe meine Serie zur Ukraine-Krise 2014/2015.]
Zum Verständnis:
Die Hierarchie der Macht - Klagemauer-TV über NGOs, veröffentlicht am 25.06.2016.
[Ergänzung: 16.01.2019: Praktisch kann "Reporter ohne Grenzen" im Hinblick auf seine Finanzierung (selbstverständlich auch über Mitgliedsbeiträge, dennoch) als korrupt gelten und Journalisten, die sich hier organisieren, als manipuliert. Dies hält den Verein aber nicht davon ab, über die regierungskontrollierten Fernsehsender in Russland zu berichten und sie als Propaganda-Medien des Kremls anzuprangern.]
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Andrej Soldatow betreibt investigativen Journalismus, ist Betreiber der Website agentura.ru. Er beschäftigt sich mit den russischen Geheimdiensten und sicherlich einer der besten Kenner der russischen Geheimdienste. Er hat als Journalist für Nowaja Gaseta und verschiedene internationale Medien gearbeitet.
Alexander Sidorenko ist ein Blogger, der an diversen Crowdsurcing-Projekten beteiligt ist und am Projekt Runet Echo, bei dem es darum geht, Ausländern die russische Blogosphäre und das russische Internet zu erklären. Er berichtet über die Entwicklungen der russischen Online-Medien und darüber, wie die russischen Behörden das "Runet zerstören". Er lebt heute in Warschau.
Was macht die russische Regierung, um regierungskritische Stimmen im Internet zu unterdrücken?
Mit dem Überwachungsprogramm SORM werden seit Jahren schon Telefone, SMS, E-Mails, Chats und Internetsuchen überwacht. Soldatow hat über SORM auf seiner Website geschrieben.
Die Regierung bezahlt Blogger und Journalisten für regierungsfreundliche Kommentare unter Blogposts und Berichten und Meinungsäußerungen nicht kontrollierter Websites. Pro Kommentar werden zwischen 11 und 80 Rubel von der Regierung gezahlt. Oft wird in den Kommentaren unsachlich nicht zum Artikel kommentiert, sondern getrollt, wird versucht die Blogger zu verleumden, diskreditieren.
Alexej Sidorenko nennt ein Beispiel für ungesetzliche brutale Art der Website-Blockade: Im Bezirk Tula werden misliebige Websites von regierungsfreundlichen Aktivisten per DDoS-Angriffe unerreichbar gemacht. Es kann ein Netzwerk von Computern zur gleichen Zeit eine Website aufrufen und deren Server überlasten. Davor, sagt Sidorenko, könnte man sich als Blogger dadurch schützen, dass man seine Artikel auf Servern starker Internetkonzerne veröffentlicht, die die Kraft haben, solchen DDoS-Angriffen zu widerstehen, also z.B. von Amazon oder Google.
Seit der letzten Präsidentenwahl im November 2011 wurden viele Gesetze zur Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit erlassen. Zensurmaßnahmen rechtfertigte man mit dem Kampf gegen Terrorismus der radikalen Islamisten, Kinderpornografie, Drogenmisbrauch, Urheberrechtsverletzungen, Website, die Suicide verherrlichen und Anleitungen zur Selbsttötung geben.
Intransparente schwarze Liste
2012 installierte die Regierung eine Schwarze Liste für Websites, die zu blockieren sind. Sie beruht auf dem SOPA-Gesetz, ein Gesetz, mithilfe dessen das oft fälschlich als Internetpiraterie bezeichnete Verfielfachen von urheberrechtlich geschützter Werken eindämmt werden soll. Seit 2007 hatte es bereits eine schwarze Liste gegeben, sagt Andrej Soldatow. Ende 2011 folgte eine zweite.
Die Bürger, zu deren Schutz angeblich die Liste geschaffen wurde, können nicht auf diese zweite Liste Einsicht nehmen und nicht erfahren, aus welchen Gründen eine Website auf dieser (zweiten) schwarzen Liste steht und geblockt wird. Das einzige, was die Regierung zulässt, ist in einen Suchschlitz eine einzelne Seite einzutragen und sich anzuzeigen lassen, ob diese Website auf der schwarzen Liste steht (auf welcher Website, wurde nicht gesagt, möglicherweise auf der Website von Roskomnadsor.).
Tests ergaben, dass auch Websites schwarz gelistet sind, von denen keine der zur Rechtfertigung der Zensur genannten Gefahren ausgehen. Mit dieser Intransparenz versucht man zu verschleiern, dass man die Liste nicht nur zum Kampf gegen Kriminalität und zum Jugendschutz einsetzt, sondern auch gegen politisch Andersdenkende. Gerade nach den Wahlen im November 2011 rechtfertigte die Regierung die Einführung strengerer Gesetze zur Internetüberwachung mit den zuvor genannten Zielen. Tatsächlich war das eine Reaktion gegen die zunehmende Protestbereitschaft der Bevölkerung. Im Winter 2011-2012 kam es trotz eisiger Kälte zu einigen Großdemonstrationen in Moskau.
Beispiel: http://www.welt.de/politik/ausland/article13850858/Moskau-Demos-Putin-hau-ab-Putin-ist-ein-Dieb.html
Es gibt aber eine Website, auf der die Schritt für Schritt selbst ermittelten Websites, die geblockt werden, weil sie auf der Liste stehen, gesammelt gezeigt werden: http://reestr.rublacklist.net/
Das Projekt für Transparenz der Schwarzen Liste nennt sich Roskomswoboda (swoboda = Freiheit). Zur Zeit meines Abrufs am 18.01.2014 stehen hier 3.362 unterschiedliche urls.
Es gibt 4 Behörden, die befugt sind, Websites auf diese Liste setzen zu lassen, sagt Andrej Soldatow; unter anderem die Verbraucherschutzagentur Rospotrebnadsor, das Justizministerium und das Ministerium für Sport, Tourismus und Jugendpolitik (gegen Pornografie). Fraglich ist, ob daneben noch weitere Möglichkeiten bestehen, Websites auf die schwarze Liste zu bringen. Das ist anscheinend nicht ganz klar. Teilweise entscheidet wohl ein Gremium der Regierung darüber, ob von den Ministerien vorgeschlagene Website auf die Liste kommen, teilweise besteht im Einzelnen wohl die Befugnis einzelner, Websites ohne Abstimmung auf die Liste zu setzen. [...Next]