... Kommt drauf an, aus welcher Perspektive man das sieht.
Eben wird im Radio gemeldet, dass Medwedjew jetzt die NATO dafür verantwortlich macht. Sie habe den Konflikt provoziert.
Ich habe mich in den letzten Tagen gefragt, ob ich hierzu in meinem Blog Stellung beziehen soll. Ich möchte nicht, dass das ein politischer Blog wird. Ich schätze es aber, wenn man Courage und Profil zeigt, sich zu wichtigen Fragen bekennt. Aber bin ich in der Rolle, mich bekennen zu müssen? Nein, an sich nicht.
Nun gut: Ich habe meine Angst überwunden und mir ein paar Stunden lang Gedanken gemacht, die ich jetzt veröffentliche. Unsicherheit bleibt, deswegen, weil ich mich nicht gut genug darüber informiert fühle, um mit meiner Meinung Zustimmung zu erfahren.
- Als der Krieg ausbrach, war ich schon für Wochen im Ausland und kam erst Ende August wieder zurück. Und so hatte ich einen Nachholebedarf. Ich nahm mir die über den Sommer hinweg angesammelten Ausgaben der von mir abonnierten Wochenzeitschrift vor. Im Juli gab es da noch nichts über den Kaukasus. Ab der zweiten Ausgabe im August finden sich Artikel dazu. Eigentlich ist das keine Neuigkeit, die Meldung im Radio vorhin. Denn schon im Focus 36/2008 wird berichtet, dass der Vorsitzende des russischen Rates für Außen- und Sicherheitspolitik, Sergej Karaganow die USA vorwirft, den Krieg im Kaukasus bewusst angezettelt zu haben, auch um den Einfluss der EU in der Weltpolitik zu schwächen, diese zu spalten. Ich komme nachher noch mal darauf zurück.
Als ich vorgestern das Interview vom Journalisten Thomas Roth mit Putin in Sotschi, das auf http://www.tagesschau.de/ausland/putininterview100.html
widergegeben wird, in voller Länge las, fühlte ich etwas von Ungerechtigkeit in der Art und Weise, wie Roth seine Fragen stellte. ZB. diese:
"Warum haben Sie Ihr Land mit Gewalt in die Isolation getrieben?"
Als langjähriger Russland-Korrespondent der ARD - ich habe sein Buch "Russisches Tagebuch" gelesen - sollte er einige Sachverhalte zum Konflikt ausgewo⁞gener darstellen können, bevor er seine Fragen an Putin formuliert. Dieses Gefühl kommt auch deswegen auf, weil er die Rolle der NATO und insbesondere der USA im Konflikt unterschlägt. Aber na gut: es mag für einen Journalisten legitim sein, provokante Fragen zu stellen, um so den Interviewten aus der Reserve zu locken und klare Stellungnahmen zu bekommen. Dieses Interview war der Auslöser dafür, dass ich hier einmal meine Meinung zu dem Georgien-Konflikt bzw. den Konflikt zwischen Russland und der Europäischen Union kurz umreiße.
Putin klang recht überzeugend erst einmal. Bei einigen seiner Argumente hätte Roth nachhaken müssen; so auf das Argument, dass Russland seine Bürger in Südossetien schützen musste. Hier kam nicht zur Sprache, dass in Krisengebieten russische Pässe an die Osseten ausgegeben worden sind, unter Drohungen für den Fall, dass sie sie nicht annähmen. Nebenbei bemerkt, war zu lesen, dass darin nicht selten die Personalien mit den Inhabern nicht überein stimmten. Russland hat sich dieses Argument, russische Bürger schützen zu wollen, also zumindest teilweise unrechtmäßig zurechtgelegt.
Klar, heikler wäre gewesen, auf den Vergleich Putins mit den USA in Sachen Menschenrechte und die Todesstrafe in den USA, die es in Russland nicht gäbe, zu antworten. Offiziell mag es die Todesstrafe in Russland nicht geben, aber Regierungsgegner und Kämpfer für Menschenrechte, Journalisten kommen unter mysteriösen Umständen zu Tode oder werden von Verbrechern ermordet, die noch frei herumlaufen, nicht ernsthaft verfolgt werden von der Staatsanwaltschaft ...
Allerdings lassen sich leicht mehr Beispiele für massenhafte Menschenrechtsverletzungen der USA außerhalb und innerhalb der USA finden. Um noch eines zu nennen: Guantanamo.
Ich bin kein Freund von Putins Führungsstil und Innenpolitik in einigen Bereichen. Die Tschetschenienkriege habe ich abgelehnt. Ich möchte das nicht weiter ausführen. Jedenfalls meine ich, dass die deutschen Medien insgesamt etwas einseitig über Russlands Politik berichten. Das trifft meiner Meinung nach auch auf ARD und ZDF zu. - Ja, es gibt hier, wie es Putin formuliert hat, ein Blockdenken, ist auch meine Meinung. Die USA hat (einen zu) großen Einfluss auf die deutsche Außenpolitik. Und dieser Einfluss scheint sich auch noch wellenartig bis zu den deutschen Medien-Flaggschiffen fortzusetzen.
In den letzten Jahren habe ich mit Entsetzen verfolgt, wie sich Deutschland amerikanische Interessen aufoktroyieren lässt, die den deutschen entgegenstehen. Es kann nicht sein, wie deutsche Politiker und Parlamentarier die Problematik mit den Fluggastdaten europäischer Fluggesellschaften, die an amerikanische Geheimdienste gelangen, behandelten. Ich fühlte mich als deutscher Staatsbürger verraten. Es kann auch nicht sein, wie auf deutschem Boden amerikanische Wirtschaftsspionage für amerikanische Unternehmen zugelassen wird, gegen deutsche Unternehmen, und ebenso das Abhören privater Mitteilungen. Ich meine Echelon. Dazu empfehle ich die Lektüre von Pär Ström: "Die Überwachungsmafia", Teil A, Kapitel 3.
Ich habe Verständnis dafür, wenn Putin in dem Interview mit Roth formuliert, dass Deutschland einige amerikahörige Positionen vertritt, die Deutschlands Interessen abträglich sind. Einige unserer Politiker erkennen das nicht, weil sie gern auch einige staatliche Kontrollinstrumente und -institutionen hätten, die es in den USA gibt, die ihnen zu mehr Macht verhelfen. Es ist erschreckend, wie häufig sich diese Politiker über die Prinzipien und Grundrechte unserer Verfassung hinwegsetzen. Die USA sind bei der Achtung von Menschenrechten längst nicht das Vorbild - das sind die skandinavischen Länder und Holland.
Es ist nicht seriös, Russland bei der Berichterstattung die Verletzung von Menschenrechten bei der Durchsetzung ihrer Interessen vorzuhalten, wenn man gleiches nicht auch gegenüber den USA so handhabt. Es gibt auch bei Deutschlands öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern regierungsfreundliche Berichterstattung - wenn auch anders als in Russland: nicht nur. Die Amerikaner kommen häufig besser weg bzw. man berichtet hier öfter ohne Bewertung militärischer Aktionen der Amerikaner, ohne kritische Kommentare. Ich würde gern die letzten Interviews deutscher Fernsehleute mit Bush sehen, in denen er kritisch zum Afghanistan-Engagement und zu Irak befragt wird.
Es gibt Länder mit solch heftigen Konflikten, in denen westliche Länder keine Ruhe schaffen können, also eine solche, die fortlebt, wenn deren Soldaten wieder abziehen. Zu solchen Ländern gehören einige afrikanische Länder wie der Sudan, aber auch Afghanistan und Irak. Und gehört Georgien jetzt nicht auch zu solchen Ländern?
Wenn sich westliche Länder dort engagieren, dann aus wirtschaftlichen Motiven, unter dem Deckmantel humaner Hilfe. Ich will das Engagement von Hilfsorganisationen in den europäischen Ländern damit nicht in Abrede stellen. Nur wenn Politiker ohne demokratischen Willensbildungsprozess über das Engagement der Armee entscheiden und dann humanitäre Gründe anführen, bin ich skeptisch und misstrauisch. In solchen Ländern mag es vielleicht eine Lösung sein, den verfeindeten Volksgruppen ihr Territorium zuzuteilen unter Vermittlung der UNO, damit sie unter sich leben können und der Genozid aufhört, und dass die westlichen Länder die dann neu entstandenen Staaten anerkennen. Die Entsendung von Friedenstruppen kann doch keine Dauerlösung sein!
Insofern hat die Anerkennung von Abchasien und Südossetien, wenn denn die Abchasen und Osseten ihre Unabhängigkeit wollen, vielleicht ihre Berechtigung. Doch bei Ossetien stellt sich die Frage, was mit Nordossetien wird, wenn Nord- und Südossetien nicht wieder zusammengefügt werden sollen. Dafür muss eine Lösung gefunden werden. Hier sollte internationale Hilfe durch die OSZE und die EU willkommen sein.

Was hat die USA in Georgien verloren? Warum lieferten die USA dorthin Waffen und militärische Berater, obwohl nicht damit gerechnet werden konnte, dass diese ausreichen werden, dass die georgische Armee der russischen Armee wird standhalten können? Warum wird nicht mehr <i>darüber </i>berichtet?
Georgien liegt weit entfernt von den USA, hat aber für die USA strategische Bedeutung, als Basis für mögliche militärische Einsätze gegen den Iran und wegen der Öl- und Gaspipelines auf dem Territorium. Es ist unverantwortlich, Saakaschwili mit der Entsendung von militärischen Ausbildern (Die kommen, wie zu lesen war, aus den USA, an anderer Stelle ist zu lesen, aus Israel.) noch anzustacheln, militärische Aktionen in Ossetien zu starten.
Dagegen ist Georgien für Russland Nachbar und ehemals, nicht lange zurück, Teil der Union der sozialistischen Sowjetrepubliken gewesen. Georgien besteht aus mehreren Teilen, Adjarien (wo ich einmal einen 2-wöchigen Urlaub verbrachte, wo es nach 1991 Bestrebungen gab, sich selbständig zu machen), Abchasien, Ossetien; undzwar Südossetien, während Nordossetien zu Russland gehört. Russland ist also durch diese osmothische Grenze, die sich durch Ossetien zieht, mit Georgien verbandelt. Es lässt sich da kaum sagen, Russland mische sich in fremde Staatsangelegenheiten ein. Auf die USA trifft dies hingegen zu.
Wer rechnet auf, was uns diese Loyalität zu den USA in seinem Streben nach Kontrolle in jener Region, in seinem Kriegsstreben kostet und ob diese Kosten, die unserem Land als NATO-Mitglied entstehen, wohl vertretbar sind für das, was wir Deutsche dadurch gewinnen? Der Sinn der NATO ist nach dem Zerfall des RGW-Blocks heute ein anderer. Ohne die NATO hätten die USA weniger Kontrolle über die westlichen europäischen Länder, schätze ich. Man müsste diese Rechnung aufmachen im Vergleich zu, sagen wir, Schweden als wohlhabendes EU-Land ohne NATO-Mitgliedschaft. Brauchen wir die NATO-Mitgliedschaft zur Sicherung unserer Rohstoffquellen im fernen Ausland?
Braucht sie Schweden? Und Finnland?
Auf Wikipedia unter http://de.wikipedia.org/wiki/NATO#Ausblick lese ich zur Zukunft der NATO:
"Es stellt sich die grundsätzliche Frage nach der Zukunft der NATO. Die Vereinigten Staaten sehen in der Organisation in erster Linie ein militärisches Bündnis mit dessen Hilfe die finanziellen und logistischen Anforderungen an einen Krieg auf die Mitglieder verteilt werden können. Ein großer Teil der europäischen Verbündeten – allen voran Deutschland und Frankreich – wollen die NATO mehr zu einer zivilpolitischen Einrichtung umfunktionieren."
Wird ihnen das gelingen? Die USA geben nach wie vor klar den Ton an und die europäischen Mitgliedsländer finden wohl kaum zu einer gemeinsamen Stimme, um sich im Block innerhalb der NATO durchzusetzen. Dass Deutschland die NATO verlassen würde, ist mir natürlich nicht vorstellbar. Deutschlands Rolle als NATO-Mitglied ist nicht über jeden Zweifel erhaben. - Noch mal zurück zu Guantanamo: Die Untersuchungen zur Misshandlung von Murat Kurnaz sind jetzt gerade abgeschlossen worden. Das Ergebnis ist aber unbefriedigend. Zwar gibt es für seine Misshandlung keine Beweise. Aber seine Vorwürfe, er sei von deutschen Angehörigen der Eliteeinheit KSK misshandelt worden, konnten nicht entkräftet werden. Es mag ausreichend Beweise dafür gegeben haben, denke ich. Aber wie die USA war auch Deutschland nicht an einer Aufklärung interessiert, behinderte, ja verhinderte die endgültige Aufklärung; ich meine bestimmte Gruppen in Deutschland. Es habe einige seltsame Vorgänge gegeben, die die Aufklärung verhinderten, sagte Kurnaz´Anwalt Docke der AP.
"Das deutsche Verteidigungsministerium war nicht an einer Aufklärung interessiert, die KSK-Zeugen haben gemauert, die Amerikaner haben die Rechtshilfe verweigert und wichtige Datensätze der Bundeswehr aus Afghanistan sind verschwunden."
Mir ist schon mehrmals aufgefallen, dass die Amerikaner von den Deutschen Leistungen erwarten, die sie selbst nicht im Gegenzuge an die Deutschen bringen wollen. Allein wegen Kurnaz reißt Deutschlands Führungsspitze keinen Streit mit den Amerikanern vom Zaun, weil die Amerikaner nicht an der Aufklärung mitwirken.
Jeder souveräne Staat verfolgt die Befriedigung seiner eigenen Interessen, je nach wirtschaftlicher und militärischer Stärke, innerer Stabilität unterschiedlich aggressiv und mehr oder weniger rücksichtsvoll gegenüber befreundeten Staaten, mehr oder weniger geschickt, um Freunde um sich zu scharen zur Durchsetzung bestimmter Ziele. Als Beispiel nenne ich geheime Gefängnisse der Amis in verschiedenen EU-Ländern während des Irakkrieges. Auch Deutschland lässt sich durch Amerika instrumentalisieren. Und insofern verliert es an Glaubwürdigkeit als Peacemaker in der Welt... jedenfalls wenn herauskommt, dass es die USA bei deren eindeutig völkerrechtswidrigen Angriffen unterstützte. Da gab es doch mal [...Next]