Herr Runkel nahm mit seiner Frau im Sommer 2013 an der Fahrradtour durch den Goldenen Ring teil, die man bei Ost Impuls buchen kann. Er unterrichtete an seiner Schule in Nordrhein-Westphalen die Fächer Biologie und Sport. Wir blieben in Kontakt.
Mehrmals besuchte er danach Moskau und genauer, die Stadt Mytischtschi an der nördlichen Grenze Moskaus und gab hier Deutschunterricht und half die freundschaftlichen Bindungen zu seiner Schule zu stärken.
Gern veröffentliche ich seinen jetzt für dieses Blog erstellten Bericht als Beispiel deutsch-russischer Freundschaft und Zusammenarbeit im Bereich Bildung und Kultur. Der Erfahrungsbericht bezieht sich auf den Zeitraum 2013 bis 2017.
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Nachdem ich im Jahr 2012 in die Freistellungsphase meiner Altersteilzeit als Lehrer des Wirteltorgymnasiums in Düren gelangt war, entschloss ich mich, meine freie Zeit nicht mit Faulenzen zu verbringen, sondern, neben meinen Hobbys Fahrradfahren und Klavier-/Orgelspielen sowie dem Betreuen meines Enkelkindes Noah, auch anderweitig aktiv zu werden. Auch um meine Russischkenntnisse aufzufrischen, bot ich der Deutschlehrerin Elena an unserer Austauschschule, dem Gymnasium Nr. 17 (in Russland haben die Schulen fast ausschließlich nur Nummern und keine Namen) in Moskau-Mytischtschi an, sie beim Deutschunterricht zu unterstützen. Dies wurde von Elena, mit der mich im Verlauf des ersten Schüleraustauschs im Jahr 2011 ein fast freundschaftliches Verhältnis verband, freudig angenommen. So flog ich im Januar 2013 zum ersten Mal nach Moskau, wo ich 3 Wochen lang den Deutschunterricht besuchte und, nach kurzer Einarbeitungszeit, den Unterricht fast allein und selbstständig hielt. Obwohl ich kein Deutsch- sondern Biologie- und Sportlehrer gewesen war, fiel mir das Unterrichten nicht schwer, da ich während meiner aktiven Tätigkeit als Lehrer immer an der deutschen Sprache interessiert war. Dies wurde unterstützt durch die Tatsache, dass die in Moskau eingesetzten Deutschbücher eine Variante der Bücher des Cornelsen-Verlags sind, in die ich mich vorher zu Hause einarbeiten konnte. Diese modernen Bücher mit neuester didaktischer Prägung waren am Gymnasium Nr. 17 zunächst nur in den Klassen 5 und 6 eingeführt worden, wurden aber im Laufe der nächsten Jahre kontinuierlich auch in den höheren Klassen eingeführt. Mit Hilfe dieser neuen Bücher konnte ich, im Gegensatz zu den alten, auf reines Vokal-, Grammatik- und Auswendig-Lernen ausgerichteten Büchern, den Schülern das Wissen und die Möglichkeiten "beibringen", sich wesentlich freier und umgangssprachlich zu äußern. Im Jahr 2013 war dies aber jeweils noch eine große Umstellung, wenn ich mit den alten oder den neuen Büchern unterrichten musste. In den folgenden Jahren wurde es aber immer einfacher und unkomplizierter nach der Einführung der neuen Bücher auch in den höheren Klassen.
Unterstützt wurde meine Arbeit durch den Bezirk Mytischtschi, der mir im Rahmen des Partnerschafts- und Wirtschafts-Abkommens, welches im Jahr 2011 zwischen dem Kreis Düren und dem Bezirk Mytischtschi abgeschlossen worden war, immer die Übernachtungskosten im Hotel bezahlte. Das Mittagessen wurde mir vom Gymnasium Nr. 17 wochentäglich in der Mensa kostenlos zur Verfügung gestellt.
Die Schülerinnen und Schüler nahmen meinen Unterricht anfangs zögerlich aber im Laufe der Zeit immer besser an, sodass das Unterrichten auch immer mehr Freude machte. Im Laufe der nächsten 5 Jahre konnte ich so auch feststellen, welche guten Fortschritte viele SchülerInnen machten und welche SchülerInnen besonderen Einsatz beim Erlernen der deutschen Sprache zeigten. Der "Leistungsknick" hauptsächlich in den Klassen 8 und 9 entspricht fast hundertprozentig der Entwicklung der SchülerInnen in Deutschland. Auch die Feststellung, dass die Mädchen zumeist lernwilliger und -begieriger sind, trifft sowohl auf die Schulen in Deutschland als auch in Russland zu. Elena saß während des Unterrichts zumeist in der letzten Reihe und war mit organisatorischen Dingen beschäftigt. In den untersten Klassen 5 und 6 half sie ab und zu dabei, Anweisungen im Buch zu erläutern oder schwierigere grammatische Probleme auf Russisch zu erklären, damit die SchülerInnen diese auf jeden Fall verstanden.
Da in Russland das Gymnasium nur bis zum 11. Schuljahr geführt wird und danach die Berechtigung zum Studium erfolgt, gab es auch nur die Klassen 5 – 11, in denen der Deutschunterricht stattfand. In den höheren Klassen reduzierte sich die Anzahl der Schüler immer mehr, sodass ich manchmal nur noch wenige SchülerInnen – sogar einmal nur eine Schülerin in der Klasse 11 – in den höheren Klassen hatte. Dies liegt hauptsächlich daran, dass sich die Schüler in der "Oberstufe" für einen bestimmten Schwerpunkt mit den entsprechenden Fächern entscheiden müssen und dementsprechend nicht relevante Fächer abwählen können bzw. müssen.
Der Sprachunterricht in Russland findet immer in verhältnismäßig kleinen Gruppen – bis maximal 15 SchülerInnen – statt. Dies hilft den Erfolg beim Sprachenlernen zu vergrößern. Die Klassen mit 25 bis 30 SchülerInnen werden zum Sprachunterricht in 2 Gruppen geteilt. Da es am Gymnasium Nr. 17 auch Wahlmöglichkeiten ab der 5. Klasse für die zweite Fremdsprache gibt (Deutsch, Französisch oder Chinesisch), gibt es auch unterschiedlich große Lerngruppen. In den letzten 2 Jahren ist die Wahl der Sprachen vermehrt auf Deutsch gefallen, sodass es inzwischen auch Lerngruppen mit bis zu 18 SchülerInnen gibt. Dies erschwert einerseits zwar das Unterrichten, zeigt aber andererseits auch, dass mein jährlicher Einsatz von 3 Wochen Deutschunterricht das Interesse an unserer Sprache vermehrt geweckt hat.
In den 5 Jahren hatte mir die Kollegin jeweils kurze Zeit vor meinem Flug nach Moskau mitgeteilt, welches Kapitel sie in den verschiedenen Klassen gerade bearbeitete. So konnte ich mich jeweils zu Hause auf die folgenden Einheiten in den Büchern vorbereiten. Dabei musste ich feststellen, dass das Lehrbuch nicht nur drucktechnisch und bei den Aufgabenbeschreibungen auf Russisch vom deutschen Buch abweicht, sondern auch vereinzelt andere Abbildungen in der russischen Ausgabe vorhanden sind. Dies ist in den meisten Fällen verständlich, um die unterschiedlichen "Vorbilder und Vorbildungen" von deutschen und russischen SchülerInnen zu berücksichtigen, vereinzelt aber auch unverständlich.
Die Unterrichtszeit Januar/Februar war von der Kollegin in Moskau und mir als bestmögliche ausgewählt worden, da es zu dieser Zeit zu keinerlei Unterrichtsausfällen wegen Feiertagen oder Ferien kommen könne. Auch wollte ich gerne einmal den "richtigen" russischen Winter kennenlernen. Bei den ersten 4 Aufenthalten in Moskau jeweils im Januar/Februar 2013, 2015, 2016 und 2017 mussten die Kollegin und ich aber leider feststellen, dass es jedes Jahr zu kleineren oder größeren Grippewellen kam, bei denen das Fehlen von SchülerInnen ein Problem war. Im Januar 2016 war die Fehlzeit von SchülerInnen im gesamten Moskauer Gebiet so groß, dass während meines Aufenthaltes dort für 2 Wochen alle Moskauer Schulen geschlossen wurden. Dies führte zwar einerseits dazu, dass ich viel mehr Zeit hatte, mir Moskau und seine Umgebung anzuschauen, andererseits war mit einem großen Lernerfolg während meines Aufenthaltes nicht zu rechnen. Nach einer Woche erreichte die Schulleitung es, dass die zuständige Regional-Schulministerin es erlaubte, dass SchülerInnen, auf freiwilliger Basis, zu meinem Deutschunterricht erscheinen durften. Die Klassenstärken waren aber verständlicher Weise deutlich reduziert. Dieses "Ereignis" führte dazu, dass Elena mir beim Unterricht im Februar 2017 vorschlug, doch lieber zu einer anderen Jahreszeit zum Unterricht zu kommen. Dies geschah dann im Herbst 2017, wo ich Ende September zusammen mit unserer Schüleraustauschgruppe aus Düren anreiste. Während der 9 Tage des Schüleraustauschs vertrat ich Elena und übernahm ihren Deutschunterricht komplett. Die restliche Zeit der 3 Wochen lief dann alles wieder in „normalen Bahnen“.
In der freien Zeit bemühten sich der Schulleiter Evgenij, mit dem mich zwischenzeitlich auch ein eher freundschaftliches Verhältnis verbindet, und Elena, mir ein alternatives "Unterhaltungsprogramm" zu bieten. Es gab Theaterbesuche und Ausflüge touristischer Art. Ein Höhepunkt war der Ausflug mit dem Schnellzug nach Nischnij Nowgorod mit 2 Übernachtungen in einem Hotel. Hier lernte ich eine mir bisher noch nicht bekannte altrussische Stadt mit ihren Sehenswürdigkeiten kennen: Den Kreml, diverse Kirchen und Klöster, die Seilbahn über die zugefrorene Wolga usw. In den Wintern zuvor hatte man mit mir verschiedene andere Ausflüge unternommen: Nach Wladimir, Sergijev Possad und Tula. In der Nähe von Tula, in Jasnaja Poljana, konnte ich das Haus von Leo Tolstoi und sein verschneites Grab besichtigen. Auch wurde ich von Elena an einem Wochenende zusammen mit ihrem Mann auf ihre Datscha, 100 km von Moskau entfernt, eingeladen. Dort konnten wir am Sonntagmorgen bei -23° C einen wunderschönen Spaziergang auf hochverschneiten Wegen im Sonnenschein machen. Beim viel trockeneren russischen Winterklima verträgt man Minusgrade wesentlich besser.
In Russland gibt es zwar im Sommer lange Ferien (3 Monate). Dafür findet der Unterricht aber auch nachmittags bis 16 h und auch noch samstags statt. Da Elena in all diesen Jahren keinen Unterricht samstags hatte, konnte sie die Wochenenden häufig auf ihrer schönen Datscha verbringen. Diese Wochenenden nutzte ich dann zu Besichtigungen von Moskau und der Umgebung. So habe ich die Stadt sehr gut kennengelernt. Auch die nicht so bekannten Gegenden und Sehenswürdigkeiten haben ich so zu sehen bekommen. Es gibt eine Vielzahl von Kirchen und Klöstern im Stadtgebiet, die mit der Perestroika und nach der Wende wieder restauriert und zur Benutzung wiederhergestellt worden sind. Es gibt zwar noch einige restaurierungsbedürftige Anlagen, aber die meisten sind zwischenzeitlich wieder wunderschön anzusehen. Da ich bereits 1970 das erste Mal in Moskau und damals Leningrad gewesen war, konnte ich auch die Wiederherstellung und Wiedereröffnung der Christi-Erlöser-Kathedrale in Moskau bewundern und sie mehrfach besuchen. [...Next]