Im Newsletter des Rechtsanwalts Dr. Bahr in Hamburg, der heute zugestellt wurde (er erscheint wöchentlich), wird auf mehrere interessante Gerichtsentscheidungen hingewiesen. In einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg an der Havel vorige Woche Donnerstag (18. Februar) geht es um die Rechtmäßigkeit von Fotografierverboten in Parks und von Schlössern, die von der Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg verwaltet werden.
Ich mag großflächige Landschaftsparks, aber auch Fotografieren. Ich werde dazu gleich auch noch die Brücke nach Russland schlagen.
Die erwähnte Stiftung verwaltet eine Reihe ganz bekannter Schlösser und Gärten. Dazu gehören u.a. in Potsdam das Schloss Sanssouci mit dem Park von Landschaftsarchitekt Lenné und dem Neuen Palais, Schloss Cecilienhof mit dem Neuen Garten, in dem das Marmorpalais steht, das Schloss Babelsberg mit dem Flatowturm im gleichen Park und auch das Schloss in Paretz bei Ketzin, das man auch leicht als Radfahrer auf dem Havelradweg von Potsdam aus besuchen kann. Die habe ich alle schon besucht. Es gab Zeiten, in denen der Eintritt in die Parks frei war. Vor wenigen Jahren war in den Berliner und Brandenburger Zeitungen zu lesen, dass für Renovierungen, zur Erhaltung der Kunstwerke Geld benötigt wird und deshalb Eintrittsgebühren auch bereits für den Besuch der Parks genommen werden müssen.
So oder ähnlich stellt sich die Situation auch für die Schlösser und Parks in St. Petersburg und in der Nähe dar. Ich spazierte mit Freunden durch die Parks in Peterhof, Pawlowsk und Gatschina. Normalerweise zahlen Reisegruppen, ausländische Touristen immer, für den Park und extra für eine Führung durch das Schloss. Die großen Parks sind nicht alle total abgeriegelt. Manche kleinen Ein- und Ausgänge sind vielleicht (zeitweise) unbewacht. Aber da stehen die Reisebusse nicht. In Pawlowsk gab es eine Happy Hour-Stunde zum Ende hin, da brauchte man nicht bezahlen.
In Berlin ist z.B. der Botanische Garten in Steglitz eintrittspflichtig (Ergänzung: 13.10.2011: 6,- € pro Erwachsenen). Kommt man eine Stunde vor Schließung, zahlt man die Hälfte.
Nun stelle man sich vor, dass überall an den Eingängen solcher Parks Schilder stehen, auf denen erklärt wird, dass Fotografieren verboten ist. Sicher kennen Sie noch weitere Verbote, die für solche Parke gelten: Radfahren verboten, manchmal sogar: Das Mitnehmen eines Rades verboten, selbst wenn man es schiebt (gesehen an den Zugängen zum Schlosspark in Caputh bei Potsdam), Hunde verboten, Eis essen verboten, Kinder verboten ...
Für einige habe ich ja Verständnis. Aber hier, beim Fotografierverbot, frage ich mich: Was soll denn das? Eine Kamera gehört zu jeder Grundausstattung eines Touristen. Die sind doch gewünscht, wollen ihre Sehenswürdigkeiten festhalten, sich erinnern, der Familie und den Freunden zeigen. Das sind doch auch Empfehlungen für die Sehenswürdigkeiten. - Das Fotografieren gehört einfach zu jedem Ausflug dazu, für nicht wenige zur Selbstverwirklichung. - Das, was man an den Sehenswürdigkeiten rechtmäßig sieht, soll man auch fotografieren dürfen, wenn das schnell geht und andere Bewunderer nicht beeinträchtigt. Insofern ist das Fotografieren eigentlich mit dem gezahlten Eintritt mit abgegolten. Jetzt meinen aber doch einige auf der Seite der Anbieter (Verwalter): "... wenn nichts explizit geregelt ist. - Wir haben ja Vertragsfreiheit und so können wir das auch verbieten oder extra Geld verlangen für die Erlaubnis zum Fotografieren."
Eben diese Sichtweise begegnet uns in St. Petersburg und Moskau und in Gedenkstätten andernorts in Russland häufig. Ich habe Verständnis dafür, wenn sich so mancher als Tourist ganz schön ausgenommen fühlt. Und vielleicht hat man seine Kamera sogar an der Garderobe gelassen und sieht dann neidvoll zu, wie drinnen junge Leute mit ihrer Handykamera doch in einem toten Winkel, den die Raumwache nicht überblickt, die Gemälde fotografieren.
Das Thema hatte ich gerade letzten Samstag im Friedrichstadtpalast zur Berlinale. Durchzusetzen war diese Order, die Taschen (bis zu welcher Größe eigentlich?) abzugeben, die Kameras in den Taschen zu lassen, nicht. Nur brave Leute hielten sich daran. Im Saal wurde doch fotografiert. Wer lässt schon sein Smartphone in der Garderobe zurück? Abgetastet wurden die Gäste ja nicht beim Einlass in den Saal. (Das wusste man freilich noch nicht unten an der Garderobe.)
Wenn also das Gebot zum Draußenlassen der Kamera praktisch nicht durchzusetzen war, hätte da einem Gast, der sein Ticket schon gekauft hatte und erst danach von diesen Regeln erfährt, die Tür gewiesen werden dürfen, wenn er seine Digicam nicht bei der Einlasserin zum Saal (2. Kartenkontrolle, die erste hat man passiert, wenn man zur Garderobe kommt) versteckt hat und sich der Konfrontation stellte?
Ich meine, hier wäre das Hausrecht überschritten, denn hier werden Bedingungen nachgeschoben, die beim Eintrittskartenkauf nicht angesprochen worden waren. Eine einseitige Änderung des Vertrags ist unwirksam. Doch in dem Falle des OLG Brandenburg sind diese Bedingungen ja schon ausgewiesen beim Eintritt in den Park. Ist hier für die Wirksamkeit des Fotografierverbots zu unterscheiden, ob der Eintritt an der Kasse zu zahlen ist und dort das Verbotsschild steht oder nicht?
Da einem das Problem ja immer wieder begegnet, wäre es schön, hier mal Klarheit zu bekommen. Darüber hinaus stelle ich mir (überspitzt) die Frage, von welchen angedrohten Konsequenzen ich mich in russischen Museen beeindrucken lassen soll, wenn ich manche Verbote und Gebote nicht einhalte. (Der gemeine ausländische Tourist geht möglichem Ärger bequemerweise gern aus dem Wege und zahlt anstandslos das von ihm verlangte Eintrittsgeld, auch wenn es doppelt und dreimal so hoch ist, wie für alle Landsleute sonst. Und verzichtet möglicherweise auf seine Rechte. Wo kein Widerstand ist, da reißt aber so eine Touristenabzockekultur ein. Wollen wir das?)
[Nachtrag, 22.8.2012: In Wikipedia fand ich zu einem Bild von der Demitrios-Kirche in Uglitsch die Anmerkung, dass jenes Bild ein Museums-Objekt zeigt, welches zur russischen Sammlung russischer Museumsgebäude gehört. Für solche Objekte gilt das russische Museumsgesetz Artikel 36. Dieser Artikel regelt die Veröffentlichungsrechte an Bildern solcher Objekte. Darin heißt es, dass die Museen allein die Veröffentlichungsrechte haben für die Gebäude, die auf Territorien stehen, die zu der Sammlung russischer Museen gehören. Ich denke, diese Sammlung kann man in etwas so verstehen wie hier die Sammlung preußischer Kulturgüter.]
Im jetzt entschiedenen Fall des OLG Brandenburg ging es um ein eingeschränktes Ablichtungs- und Veröffentlichungsverbot. Gewerbliche Fotografen und Agenturen durften nicht, Touristen dagegen ja. Also ich als Blogger hätte fotografieren gedurft und die Bilder auch hier in meinen Blog einstellen dürfen, weil ich damit (noch) kein Geld verdiene.
Wenn man die Frage untersucht, ob diese Unterscheidung gerechtfertigt ist, muss man vorab einmal entscheiden, ob Anwohnern neben solchen Parks oder Touristen oder Schulklassen das Fotografieren und Veröffentlichen solcher Fotos wirksam verboten werden kann und danach, ob es Gründe dafür gibt, gewerbliche Fotografen und Agenturen hier zu benachteiligen.
Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg klagte in drei Verfahren nicht nur auf Unterlassung gegen drei Fotografen und zwei Agenturen, sondern verlangte darüber hinaus sogar Schadensersatz. Der Streit betrifft Fotos und Filme, die in und von den Parkanlagen und Gärten der Stiftung aus gefertigt worden waren, jedoch nicht im Inneren der Gebäude. Die Agenturen hatten die Bilder in einem Bildportal für Printmedien zum kostenpflichtigen Download angeboten, ein Fotograf sich seine Bilder auf eine DVD gebrannt.
Die Stiftung ist nun der Ansicht, sie habe ein ausschließliches Nutzungsrecht an den Bildern einschließlich der gewerblichen Verwendung, welches sie aus ihrem Eigentumsrecht ableitet. Jeder Besucher des Parks sei an die entsprechenden Regelungen gebunden, die an den Eingängen zu den Parks und Gärten auf Schildern erklärt werden.
Vor dem Landgericht Potsdam hatte die Stiftung mit allen ihren Klagen hierzu zunächst Erfolg. Mit Urteilen vom 21.11.2009 hat dieses Gericht den Klagen stattgegeben. Dagegen legten die Beklagten Berufung ein und erhielten Recht vom Oberlandesgericht in Brandenburg an der Havel.
Das Oberlandesgericht hat - nach den zusammenfassenden Ausführungen von Dr. Bahr in seinem Newsletter - offenbar seine Argumentationskette anders aufgebaut und die Prüfung der Wirksamkeit der Verbotsschilder an den Parkeingängen hinten angestellt. Da dieses Verbot sich aber auf alle bezieht, hätte man hier beginnend besser die Probleme abschichten können. Nun gut.
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