Kennt jemand von den Lesern (ohne Wurzeln in Russland) ein russisches soziales Netzwerk?
Ich stelle die wichtigsten vor.
Wozu kann man das brauchen?
Zum Lernen über sozialen Netzwerke und Vergleichen, also aus wissenschaftlichen Gründen, darüber hinaus gibt es wirtschaftliche Gründe für Unternehmen, die in Russland Produkte und Dienstleistungen verkaufen wollen, die gute Mitarbeiter suchen.
Das Internet ist im Jahre 2011 von Platz 4 der Werbebereiche auf Platz 2 bei den Anzeigen vorgestoßen.
Auch privat mag es Menschen geben, die Freunde in Russland suchen, die z.B. ihre Fremdsprachenfähigkeiten durch Kommunikation verbessern wollen. Schließlich ist es interessant für die Sicherheitsbranche, für Wissenschaftler und Unternehmen, die untersuchen, wie soziale Netzwerke überwacht und kontrolliert werden können.
Einführung
Soziale Netzwerke sind in Russland sehr populär. Im August 2010 hatten nach Comscore Research 34,5 Millionen Benutzer Russlands wenigstens eine Seite der sozialen Netzwerke besucht. Das waren zu jener Zeit 74,5 % aller Internetbenutzer. Die einheimischen Netzwerke führen. Facebook lag nach Besucherzahlen auf Platz 5 in Russland mit 4,5 Millionen regulären Personen, die es regulär nutzten.
Quelle:
Maria Dostalewa, The Usage of Russian Social Media Marketing Tools for Tourism Companies in South Karelia Region, Bachelor-Arbeit, 2012, S. 12
http://publications.theseus.fi/bitstream/handle/10024/47075/Thesis_Maria_Dostaleva.pdf?sequence=1
Im Laufe des Jahres 2011 stieg der Anteil derjenigen in Russland, die nach eigenen Angaben soziale Netzwerke benutzen, auf 82 Prozent an, nach einer Studie von VCIOM. Ein Jahr zuvor gaben nur 52 % aller Internetbesucher das an.
Natürlich muss man wissen, welche Plattformen dazu gerechnet werden.
wkontakte
WKontakte hatte nach der erwähnten Studie 2010 27,8 Millionen Besucher und damit die meisten von allen Netzwerken.
[Aktualisierung 01.02.2017: Laut The Moscow Times hat das Netzwerk jetzt 88 Millionen russische Mitglieder (unklar, ob wirklich alle in Russland oder ob so viele russisch kommunizierende) und 143 Millionen Mitglieder weltweit und ist damit die am zweitmeisten besuchte Website in Russland, nach Yandex.ru.]
Der Inhaber dieses Netzwerkes befindet sich in St. Petersburg. Es ist Pawel Durow. The Wire hat berichtet, dass er vom FSB im Dezember 2011 ein Fax erhalten hat, in dem er aufgefordert wird, Protestler gegen Putin in seinem Netzwerk zu sperren. Er lehnte das ab. Daraufhin wurde er für den nächsten Tag in das Büro der Staatsanwälte "eingeladen", wo er sich zu rechtfertigen hatte. Durow erschien dort nicht. Die Sache kam dann heraus und das sei das Ende der Sache gewesen, wird im Wire geschrieben, was wohl heißen soll, man ließ die Sache auf sich beruhen, ohne Durow weiter zu drangsalieren oder weiter Druck auf ihn auszuüben.
Quelle: http://www.wired.com/dangerroom/2012/11/russia-surveillance/all/?utm_source=Contextly&utm_medium=RelatedLinks&utm_campaign=Previous
Durow zeigt Zivilcourage. Als Pussi-Riot-Mitglied Nadeschda Tolokonnikowa im September 2013 in Hungerstreik trat, setzte er sich für sie ein. Als Eduard Snowden befristet für ein Jahr in Russland Asyl bewilligt wurde, bekam er von wKontakte ein Job-Angebot.
Der Druck von der russischen Regierung und dem russischen Geheimdienst besteht weiter. In einem Artikel vom 9. Oktober 2013 berichtet Spiegel online über Pawel Durow, der Ende Oktober 2013 Gast des Techcrunch-Gipfels in Berlin ist und dort über sein nächstes geschaffenes soziales Netzwerk spricht, Telegram.org.
Er hat wKontakte mit seinem Bruder Nikolaj und ein paar Kumpels entwickelt. Mit zwei der Kumpels hat er sich zerstritten. Die haben im Frühjahr 2013 ihre Anteile an den Investmentfond UCP verkauft. Und so wurde Anteilseigner ein Mann, der als Strohmann der Regierung gilt. Das ist der Unternehmer Ilja Scherbowitsch, dem der Investmentfond UCP gehört. Er hat Geld mit Wertpapierhandel verdient und war schon für ein Jahr Aufsichtsratsmitglied im Erdölkonzern Rosneft, der von Igor Setschin geleitet wird, einem laut Spiegel Vertrauten von Putin. Scherbowitsch will mit Werbung viel mehr Geld verdienen, als es derzeit geschieht. Bisher wird Werbung in wKontakte nur wenig gezeigt. Das ist zur Hälfte Kontextwerbung, zur anderen Hälfte Werbung aus verschiedenen Spielen diversen Geschenkservice-Angeboten. Durow ist dagegen, die Nutzer zusehr mit Werbung zu belästigen.
Scherbowitsch hat Durow mit Rauswurf gedroht. Scherbowitsch hält 48 Prozent. Durow kontrolliert 12 Prozent der Anteile. 40 Prozent Anteile gehören der Mail.ru-Gruppe von Alischer Usmanow, der mit 18 Milliarden US-Dollar reichsten Mann des Landes. Auch Usmanow hat einen guten Draht zum Kreml, möchte aber Durow nicht rauswerfen, denn dann würde wKontakte viel an Wert verlieren. Durow würde ein Teil der Programmierer beim wKontakte freiwillig folgen. Und anscheinend mag Usmanow Durow persönlich.
Quelle: http://www.spiegel.de/netzwelt/web/social-network-vk-com-machtkampf-um-osteuropas-facebook-a-926753.html
Nachtrag 25.11.2014: Mitte September 2014 gingen die restlichen Anteile an Mail.ru. Durow ist raus aus dem von ihm gegründeten sozialen Netzwerk. Er musste sich mit UCP vor Gericht streiten. Der von Durow gegründete Dienst Telegram war von UCP als geschäftsschädigend für wKontakte bewertet worden. Die Einigung mit Durow beinhaltet auch ein Ende aller Gerichtsstreite im Zusammenhang mit wKontakte und Telegram, siehe hier.
Odnoklassniki
Das Mitschüler-Netzwerk Odnoklassniki hatte nach der Comscore-Studie vom August 2010 16,7 Millionen Besucher und lag damit bei den sozialen Netzwerken nach Besuchen auf Platz 2. Aber nach Beliebtheit auf Platz 1, denn 73 % aller russischen Internetnutzer bevorzugen Odnoklassniki, schreibt Maria Dostalewa, a.a.O.
O. wurde am 4. März 2006 vom Web-Developer Albert Popkow veröffentlicht. Das Netzwerk ist mit über 100 Millionen registrierten Nutzern und täglich mehr als 31 Millionen Besuchern (Stand: Juli 2011) eine der größten Website im russischen Internet (=Runet).
Es sind Videochats möglich und es lässt sich Musik hochladen. Das Netzwerk kooperiert mit RuTube und Youtube sowie mit Mail.ru.
2008 wurden Beschränkungen für die kostenlosen Accounts eingeführt. Man konnte dann nicht mehr Nachrichten versenden, Fotos hochladen oder kommentieren oder auch nur die Profile anderer Benutzer ansehen. Um alle solche Funktionen nutzen zu können, hatte der Benutzer eine kostenpflichtige Textnachricht zu senden. Die Abrechnung erfolgte über die Handyrechnung. Hierbei verdienten die Mobilfunkbetreiber 40 % Provision.
Im August 2010 wurde die zahlungspflichtige Registrierung wieder zurückgezogen. Offiziell begründet wurde das mit der Einführung neuer, effektiverer Methoden der Spam-Bekämpfung. Aber auch heute werden Spam und Betrug als Nachteile dieses Netzwerkes angesehen. Auch wurde das Layout von einigen Nutzern als kompliziert angesehen.
Werbung auf O. hat Vorteile und Nachteile.
Odnoklassniki gehört zu DST (Digital Sky Technologies). DST wird von Juri Milner und Grigori Finger kontrolliert.
Moi Mir
Mail.ru ist der größte Anbieter von kostenlosen E-Mail-Dienstleistungen in Russland. Es gibt aber auch ein soziales Netzwerk. Das ist Moi Mir (=Meine Welt).
Es wurde am 17. März 2007 eröffnet. Es hat heute mehr als 40 Millionen registrierte Profile und täglich etwa 300.000 Nutzer. Auch hier liegt der Zweck darin, dass sich Verwandte, Freunde und Bekannte, ehemalige Klassenkameraden, Kollegen online treffen und in Verbindung bleiben. Man kann hier private Nachrichten senden, virtuelle Geschenke, Fotos, Videos und Musik hochladen, Musik hören, einen privaten Blog führen. Durch die Dienstleistungen als E-Mail-Provider bekommt die Plattform einen großen Zulauf.
Die Werbeplattform in Moi Mir wurde im Frühjahr 2011 aufgesetzt. Die Werbung läuft über mail.ru, an die man sich wenden muss, wenn man hier Werbung schalten will. Es laufen Online-Banner, bezahlte Videos und video-pre-rolls.
Bis September 2010 hieß die Mail.ru-Gruppe noch Digital Sky Technologies (DST). DST wird kontrolliert von Juri Milner und Grigorij Finger.
Aktieninhaber an der Mail.ru-Gruppe sind:
- Alischer Uschmanow, russischer Milliardär
- Goldmann Sachs-Bank
- Tencent Holding (China)
- Naspers Holding (Südafrika), mit einem Anteil von knapp 50 % seit 2008.
Für November 2008 war ein Teilbörsengang an die Londoner Stock Exchange geplant.
Die Mail.ru-Gruppe ist beteiligt an:
- wkontakte: 40 % (Stand Oktober 2013. Im November 2010 waren es noch 25 %.)
- Facebook: Anteil von 5 % (Stand November 2010),
- Groupon: Anteil von 5 % (Stand November 2010),
- Zynga (russischer social games Entwickler)
Im August 2010 wurde der Instant Messaging-Dienst ICQ von AOL übernommen.
Moikrug
Moi Krug (=mein Kreis) ist ein soziales Netzwerk für Geschäftskontakte) und gehört zu Jandex. Jandex ist in Russland eine sehr starke Marke, die meistbenutzte Internetsuchmaschine. Sie ging am 27. September 1997 online. Im Dezember 2010 hatte Jandex am Suchaufkommen im Runet einen Anteil von 64,1 Prozent. Zu den Marktanteilen der Suchmaschinen in Russland siehe den Artikel Privater Internetzugang in Russland hier im Blog.
Jandex bietet aber auch E-Mail-Dienste, Nachrichten, Wetter, Online-Karten, Übersetzungshilfen/Wörterbücher, Online-Werbung (ähnlich wie Google Ads und Bing Ads Center).
w krug drusjej
http://vkrugudruzei.ru
Dieses Netzwerk hat über 16 Millionen Mitgliedsprofile (Stand Oktober 2013; im Juli 2012 noch 14 Millionen). Es gehört dem Unternehmen KM online, dessen Portal km.ru als Webverzeichnis 1998 begann. W krug drusjej entstand im Jahre 2003, als km.ru das Portal classmates.ru übernahm. 2007 überführte man das Portal zur Domain odnoklassniki.km.ru. 2008 bekam das soziale Netzwerk den Namen w krug drusjej.
2011 wurde es einem Re-Branding unterzogen, bekam eine neue Farbe und anstatt des russischen "W"s wurde das russische "D" als Logo verwendet. Einher mit dem Re-Branding ging die Kommerzialisierung des Netzwerkes.
Im April 2012 erhielten die Mitglieder die Möglichkeit, ihren Account zu löschen. Im August wurden eben die gelöschten E-Mail-Adressen, insgesamt etwa 700.000, für Spamming misbraucht. Spam-Mails gingen an die E-Mail-Adressen, die von den früheren Besitzern der Accounts gespeichert worden waren oder wohin sie E-Mails gesendet hatten. Sanktionen blieben aus.
Hier kann nur gewarnt werden, sich anzumelden. Ich habe selbst Spammails von diesem Portal erhalten, mit einer Einladung angeblich eines meiner russischen Freunde, der hier einen Account hatte. Ich wurde den Spam nicht los, bis ich mich mal anmeldete, um meine Daten in meinen Account, insbesondere meine [...Next]