Vor zwei Wochen am Samstag, den 7. September 2013, nahm ich an der Protestveranstaltung "Freiheit statt Angst" teil. Ein paar eigene schöne Bilder von der Veranstaltung und dem Demonstrationszug rund um den Berliner Fernsehturm und Alex möchte ich hier zeigen. Und ein Video der Rede des amerikanischen Internet-Aktivisten Jakob Appelbaum, der wegen willkürlicher staatlicher Repressalien in den USA gegen ihn inzwischen in Berlin sein Zuhause gefunden hat. Die Rede wurde live ins Deutsche übersetzt.
Das Thema Grundrechte und hier unter anderem das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sind mir sehr wichtig. In diesem Blog habe ich deswegen bereits einige Male Datenschutzthemen insbesondere mit Bezügen zum Reisen besprochen.
Da morgen Bundestagswahl ist, passt dieser Beitrag (Hej, ich war gerade im Urlaub) auch jetzt noch.
Wir hatten bestes Spätsommerwetter. Die Veranstaltung begann offiziell um 13.00 Uhr in der Karl-Marx-Allee, zwischen der U Schillingstraße und Ecke Grunerstraße, 3 Minuten Fußweg vom Alex entfernt. Hier sind ein paar Impressionen von der Kundgebung und Demo.
Der Leiter der Demonstrationsveranstaltung war der Künstler und Netzaktivist padeluun. Er las die von der Polizei auferlegten Pflichten/Regeln der vor, teilweise bewusst (Satire) im Ton wie ein Kirchenprediger, aber ohne Amen. An der Kreutzung Karl-Marx-Allee / Andreasstraße lagen Schilder mit Sprüchen. Wer wollte, konnte sich eins nehmen. Daneben ein Grillstand, eine Eisbude, Getränkestand. Hier stand ich erst mal am Rande abseits der Bühne, zum Warmwerden unter der Sonne, Beobachten der Besucher. Auf der gegenüber liegenden Ecke der Kreutzung gab es Stände der Grünen-Partei und Partei der Piraten mit Infomaterial und Hilfsmitteln (CD-Rom) mit Software zum Schutz im Internet). Andere Parteien waren nicht vertreten. Außerdem Stände von Organisationen und Vereinen wie Gewerkschaft (Materialien zum Datenschutz mit Bezug zur Arbeit/Arbeitsrecht), FoeBUD.
Beste Gelegenheit, Gleichgesinnte zu treffen und sich motivieren zu lassen, selbst für sich und seine Freunde, Verwandten und Mitarbeiter im Sinne des Datenschutzes etwas zu tun. Sich erklären zu lassen, dass es nicht sinnlos ist, Tor zum Surfen im Internet zu benutzen, und PGP-Verschlüsselung zum Senden und Empfangen von E-Mails. Möglichkeit, dass man sich Unterstützung und Motivation holt, um Einfluss auf die Politiker zu nehmen, damit die unsere Bürgerrechte besser schützen, teure und unverhältnismäßige Datensammelprojekte (elektronische Gesundheitskarte, Straßenmaut-Systeme) einstampfen, mit Gesetzen Sanktionsmittel (für Datenschützer) und Anspruchsgrundlagen für Bürger zur Wahrnehmung ihrer Informationsrechte schaffen und vereinfachen und deren Aushöhlung durch hohe Verwaltungsgebühren unterbinden.
Organisationen zum Schutz der digitalen Bürgerrechte, die heute Grundlage für andere Bürgerrechte sind (Pressefreiheit, Berufsfreiheit u.a.) präsentierten sich.
Die gesamte Veranstaltung wurde musikalisch eingerahmt.
Den Auftakt machte die deutsche Band Max Prosa mit ein paar Liedern. Der Platz vor der Bühne füllte sich derweil immer mehr.
Danach hielten Ansprachen:
1) Kai-Uwe Steffens (Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung)
2) Silke Lüder (Freie Ärzteschaft, Aktionsbündnis "Stoppt die e-Card!")
3) Gerd Billen (vzbv)
4) Jakob Appelbaum
Den letzten habe ich während seiner Rede gefilmt:
Er ist ein argumentativ guter Redner. Ich habe ihn schon auf der Bühne der re:publica 2012 erlebt.
5) Christoph Bautz (compact)
Dann, kurz vor Halbdrei, drehten sich die Teilnehmer um und setzten sich für die Demonstration in Bewegung:
... nach links in die Grunerstraße, dann wieder links in die Alexanderstraße, vorbei am Alex-Einkaufszentrum, rechts in die Stralauer Straße unter die S-Bahn-Brücke hindurch, Molkenmarkt, wo der Demozug länger stand, weil die Mühlendamm und die Grunerstraße noch nicht gleich gesperrt waren. Über die große Kreutzung in die Spandauer Straße, vorbei am Roten Rathaus, über die Karl-Liebknecht-Straße bis zum Litfass-Platz in die Anna-Louisa-Karsch-Straße. Weiter unter die S-Bahn-Brücke hindurch, Henriette-Herz-Straße, rechts in die Rosenthalter Straße an den Hackeschen Höfen vorbei, rechts in die Neue Schönhauser Straße, Münzstraße, Memhardstraße und geradeaus zurück zur Bühne auf der Alexanderstraße, vorbei am Alex.
Das waren ein paar Kilometer und es dauerte bis etwa Dreiviertelfünf. Wer noch nicht den Zug vorher verlassen hatte, wurde an der Bühne dann von der Musik einer lateinamerikanischen Rock-Band, Banda Pacheco, aufgemuntert, deren Sänger selbst auch seinen Standpunkt zur staatlich gewollten oder geduldeten Spionage gegen Bürger deutlich machte.
Links 20 Meter von der Bühne gab es einen Wagen, auf dem silberne Fässer mit Fassbrause lagen. Die waren von den Grünen spendiert worden.
Nun, während die Musiker aus Mexiko noch spielten, trat ich den Heimweg an, in dem Glauben, dass nach der Musik Veranstaltungsschluss ist. Es gab dann auf der Bühne noch einen weiteren Kundgebungsblock mit Rednern:
- Anne Roth (Bloggerin, http://annalist.noblogs.org/about/#english)
- Parker Higgins (Electronic Frontier Fountation - EFF, USA),
- Michael Rediske (Reporter ohne Grenzen)
- Christian Humborg (Transparency International),
- padeluun (digitalcourage)
Die meisten Reden kann man wohl im Internet finden und nachhören. Die Namen der Redner habe ich mir von der Website http://blog.freiheitstattangst.de/ geholt.
Ich bin jetzt dabei, meine Internet-Kommunikations-Architektur umzugestalten. Ein eigenes Cloud-Konzept ist in Arbeit. Das dauert natürlich, läuft nebenher und fordert, dass man Gewohnheiten umstellt, nach Alternativen suchen muss. Es gibt Freunde und Verwandte, die sich darüber nicht groß den Kopf zerbrechen, weil sie weitgehend offline sind. Jedenfalls nicht in sozialen Netzwerken.
Leider sind die meisten der Bekannten in der Großstadt wenig offen gegenüber einer Änderung ihrer Gewohnheiten im Internet. Manche brauchen die sozialen Netzwerke auch für ihre Seele, für das Gefühl, nicht abgeschnitten zu sein, zum Prahlen, verbringen täglich stundenlang in Facebook und erzählen mir dann, sie hätten keine Zeit, sich damit zu beschäftigen, wie man seine Privatsphäre im Internet besser schützt, welche Alternativen es gibt für einen Facebook-Chat oder anstelle von Skype. Naja, Facebook, Foursquare, Skype und so weiter sind bei Stadtmenschen auf dem Smartphone häufig permanent eingeschaltet. Viele sind bereit, sich damit andauernd ablenken zu lassen; überall dabei sein wollen. Das sind durch Werbung und Medien Manipulierte. Reizüberflutung, die zur Sucht führt. Das Leben bietet so vieles. Wer wichtig sein will, muss diese Möglichkeiten kennen. Eitelkeiten, Trivialkommunikation. - Ignoranz gegenüber Geschichte (die Konzentration erfordert), Desinteresse an (tatsächlich weitgehend unglaubwürdiger) Politik und staatlicher Willkür.
Man kann sich seine eigene Kommunikationswelt gestalten bei uns. Fraglich ist, ob das nur geht mit dem, was Konzerne entwickeln und mit teurem Marketing in den Markt drücken, oder ob es nicht auch mit Open Source geht, mit Produkten von Firmen mit Sozialverantwortung.
Sage mir, ob Du Dir Gedanken darüber machst, warum Du über diese Frage nachdenken solltest, und ich sage Dir, wer Du bist.
Liebst Du es, über Alternativen nachzudenken, oder folgst Du lieber der Masse, weil es bequem und zeitsparend ist?
Im letzteren Falle, was die Grundrechte betrifft: lässt Du Mutti machen?