Ein Aeroflotflug mit Umsteigen - ich war seit der Buchung im Februar gespannt, ob die kurze Aufenthaltszeit in Moskau wohl ausreichen würde, um meinen Anschlussflug nach Sotschi zu bekommen. Aeroflot hat die Strecke Berlin - Moskau - Sotschi so verkauft, mit nur 50 Minuten planmäßigen Aufenthalt in Scheretmetjewo. Ob sie dieses Leistungsversprechen wohl einhalten kann?
Zweite Frage dabei: Was passiert mit meinem Gepäck? Muss ich es vom Gepäckband abholen und wieder einchecken oder wird es direkt zu meinem Flugzeug nach Sotschi gebracht?
Weitere Fragen: Zu Hause: Wie schwer wird mein Gepäck, muss ich für Übergepäck eine Strafgebühr zahlen?
Falls es schief geht mit dem eiligen Umsteigen laut Plan - wie komme ich zu meinem Gastgeber, wo ich dessen Adresse nicht habe - mir war versprochen worden dass ich abgeholt werde. Auch nach Mitternacht noch? Und wie gut wird das gereichte Essen an Bord sein?
Gleich kommt die Auflösung... und am Ende auch eine zusammenfassende Bewertung meines Aeroflot-Fluges.
Gewichtskonzept
Dieses Mal hatte ich mir vorgenommen, mich nicht so sehr mit Gepäck zu quälen wie manches Mal zuvor. Aber nach meinen Plänen brauchte ich einen Schlafsack; der nimmt schon viel Volumen. Dann die schweren Wanderstiefel und die Gastgeschenke. Um nicht die zulässigen 20 kg zu überschreiten, wollte ich auf den großen Hartschalenkoffer verzichten, der schon 5 oder 6 kg Eigengewicht hat. Dass Aeroflot zum 1. April ihr Gewichtskonzept geändert hatte, davon wusste ich am Tage vor dem Flug beim Packen noch nichts. Und meinen großen Rucksack sollte ich brauchen, da eine Wanderung mit Übernachtung im Wald geplant war, im Hinterland von Sotschi. Da war kein Platz mehr für ein Sacko und eine Schlaghose. Mit Mühe war der gefüllte Rucksack zu schließen. Ich wog ihn mit meiner Personenwaage - nur etwa 14 kg. Okay. Aber die schweren Wanderstiefel müsste ich den ganzen Tag lang an meinen Füßen haben. Dafür wog die Notebooktasche (ohne Notebook, aber sehr voll) aber 8 - 9 kg. Die Tasche zog dann während des Unterwegsseins auch ganz schön an meinem nicht gerade muskulösen Hals.
Knapp 2 Stunden vor dem planmäßigen Abflug kam ich in Schönefeld am Flughafenhauptgebäude an, als gerade das Einchecken begonnen hatte. Die freundliche deutsche Frau am Schalter wog meine Umhängetasche gar nicht (mehr; wegen der nur 14 kg an Rucksackgewicht?) und kündigte an, dass die Aeroflot-Maschine noch gar nicht gelandet ist, sondern mit 30 Minuten Verspätung ankommen soll.
Flugverspätung
Einen Grund erfuhr ich jetzt und (ich greife mal kurz vor) auch später nicht. Ich denke, ein Grund sollte nicht erst bei großer Verspätung zur eventuellen Abwehr von Schadensersatzansprüchen gegenüber vielen Mitreisenden mitgeteilt werden, sondern auch bei einer halben Stunde. Ich gebe zu, das kann peinlich sein, man fürchtet Gesichtsverlust. Aber Intransparenz / keine Unterrichtung der Passagiere über sie betreffende Faktoren der gekauften Dienstleistung kann das Ansehen einer Airline auch schädigen. Eine gute Informations-Policy ist Zeichen des Respekts den Kunden gegenüber, setzt aber konsequent weitergedacht wohl auch eine Einstellung im Management voraus, die eine gewisse Offenheit für kulantes Verhalten zur Wiedergutmachung impliziert. Und es sollte klar sein, wer in solchen Fällen wann die Passagiere über die Verspätung und ihren Grund unterrichtet. Es könnte an Bord sein, durch den Kapitän. - Möglicherweise sind die Informationsströme bei Aeroflot soweit noch nicht entwickelt, um das sicherzustellen. Dazu braucht es vielleicht eines diensthabenden Qualitätsmanagers vor Ort am Heimat-Flughafen. Auf die Qualitätskontrolle komme ich weiter unten noch kurz zu sprechen.
Sicherheitskontrolle
Die Personen- und Gepäckkontrolle im Flughafen Schönefeld war gründlich. Nachdem ich den Rucksack los war und weiter in Richtung zollfreie Zone ging, suchte mich ein Sicherheitsmann aus zu einer ausführlicheren Kontrolle. Die beiden Frauen vor mir durften dagegen weitergehen. Die hatten leichte Schuhe an, ich aber schwere Wanderstiefel.
In solchen Stiefeln ließe sich einiger Sprengstoff verstecken. Sie wurden mir für einen Moment abgenommen und separat durch das Röntgengerät geschickt. Die Körperkontrolle lief routiniert und gelassen ab (im Gegensatz zu den Bedingungen in Scheretmetjewo, die ich ein paar Stunden später kennen lernte, siehe unten). Ich musste allerdings, nachdem ich mir die Wanderstiefel angezogen hatte, meine Flasche mit einem halben Liter Apfelschorle abgeben, bevor ich weiter durfte. Also stand ich bei einer Sicherheitsfrau und flöste mir soviel ein wie ich schaffte. Gut die Hälfte der Flasche. Bis zum Frühstück an Bord der Aeroflot würde mein Durst gestillt sein.
Warten und Bording
Ich suchte mir einen Sitzplatz zum Warten, zum Dösen. Ich hatte die Nacht durchgearbeitet, nur eine halbe Stunde auf dem Bett ausruhen können. Einen Sitzplatz fand ich. Von meinem Sitzplatz aus gegenüber, auf der anderen Seite des Gangs, lief N-TV am Monitor, ohne Ton, und zwischendurch auch die Flughafenwerbung. Letztes Mal Deutschland-Nachrichten. Irgenwann kam eine Familie mit Kleinkindern. - Ich justierte meine Geduld neu. Wie ich schon früher hier im Blog schrieb, ist Russland gut geeignet, Geduld zu üben. Und auf Russland bereitete ich mich jetzt gedanklich vor. Als ich dann aufstand, um mich etwas zu bewegen, kam ich schließlich zu dem Bereich, an dem die Passagiere auf meinen Flieger warteten. Da gab es keine freien Sitzplätze mehr. Da nun aber hinter der Glasscheibe die Passagiere unserer Aeroflot-Maschine zu sehen waren, entschied ich mich zum Verweilen im Stehen.
Hier gibt es so eine Pförtnerkabine, aber keine Schranke, um in den Wartebereich zu kommen und kein Hinweisschild, dass ich mich einer der Personen da drin vorstellen muss. Also versuchte ich es mal, dort zu meinen Passagierkollegen zu gehen. Klappte aber nicht. Ich wurde von einer Person, die aus der Bude kam, unpassend gefragt, wo ich hinwollte. Ich sollte mich vor die Kabine stellen und meinen Ausweis kontrollieren lassen. Das war also die Grenzpolizei oder/und der Zoll. Die Bude ist unzureichend gekennzeichnet. Da es keine mechanischen Sperren zur Bording Area gibt, funktioniert die Pass-Kontrolle nur nach dem Prinzip der menschlichen Wachsamkeit.
Ich beobachtete, wie die Mitarbeiter des Airport Ground Services die Maschine am Bauch beluden und wie von der Gangway die Reinigungsbrigade mit Müllsäcken hinabstieg. Die bereits stehend wartenden Passagiere formten eine Traube an der Tür, an der der Weg ins Flugzeuginnere begann. Sitzende Leute stellten sich dazu; ich konnte mich setzen und eine SMS an meinen Freund in Sotschi absetzen. Ankündigung: Verspätung, möglicherweise Ankunft erst Stunden später.
Dann begann bald die Kontrolle der Bordkarten und die Schleusen wurden endlich geöffnet. Ich hatte (entsprechend meines am Ein-Check-Schalter in Schönefeld geäußerten Wunsches - Beinfreiheit!) ja einen Sitz im Gang des Flugzeugs gewählt, weshalb ich es nicht eilig hatte hineinzukommen. Ich mag kein Gedrängel. Es ist gut, wenn sich im Flugzeug schon alle ihr Handgepäck verstaut und hingesetzt haben. An der Flugzeugtür, natürlich, die Begrüßung durch die Flugbeleiterinnen, aber dann auch die Zeitungsauswahl zwischen Kommersant, Süddeutsche Zeitung und Argumenty i Fakty. Titelthema beim Kommersant war, das der russische Geheimdienst die Benutzung von Skype in Russland unterbinden will. Später ist mir von einem Freund, der seit ein paar Monaten endlich auch Skype benutzt, in Bezug darauf gesagt worden, dass in Russland Aprilscherze auch noch nach dem ersten April zulässig sind.
Statt um 9.45 Uhr starteten wir um 10.25 Uhr, bei Sonnenschein.
Neben meinem Platz sitzt ein annähernd gleich alter athletischer Mann, rechts neben sich am Fenster seine Freundin. Er hatte vorhin kaum auf meine Begrüßung reagiert; vor ihnen zwei weitere Männer in den 30ern. Die Vier waren sehr fidel. Mit ihren Smartphones fotografierten die Männer vor uns und die Frau das Innere des Flugzeugs, filmten auch, wobei sie wirklich ringsherum schwenkten. Ich hielt mal meine Fahrrad-Zeitschrift vor mein Gesicht. Die waren aber ziemlich penetrant, als ob ihnen mein Gesicht noch fehlen würde, versuchten sie es später noch mal. Ich hielt dieses Mal meine Hand vors Gesicht, als hätte ich Kopfschmerz, so dass es nun klar war, dass ich vorhin nicht zufällig die Zeitschrift dicht vor das Gesicht hielt. Das Pärchen neben mir schien sich darüber lustig zu machen.
Bordverpflegung
Die Verpflegung begann mit der Austeilung von Kaltgetränken. Mein Nachbar bestellte sich gleich zwei, O-Saft und Cola, ich mir ein Becher mit Leitungswasser (Bonaqua). Kurz darauf wurde das Heißgetränk verteilt und daraufhin gleich das Frühstück.
Als das Essen serviert wurde, kam der Mann neben mir doch ins Gespräch mit mir, nachdem er sich mit dem Plastikbesteck zu schaffen machte. Ich hatte bis dahin erstaunlicherweise noch nicht herausgehört, woher die Vier waren (Müdigkeit, Lärmpegel, Desinteresse?). Aus Polen, beantwortete er meine Frage, ohne Ambitionen, mit mir in russisch zu kommunizieren. Moskau ist nur Zwischenstation. Sie fliegen am Abend nach Hongkong (oder Singapour?) weiter, mit Aeroflot. Geschäftlich. Teile einkaufen. Sie haben einen Internetshop, in dem sie Zubehör für Sattelitenfernsehen verkaufen, auch ins EU-Ausland. Sie würden einige Tage dort verbringen. Sie waren schon ein paar Mal dort. Nach Berlin sind sie mit eigenen Autos gekommen. Die vier waren wirklich gut drauf. Vor allem ist die Frau dann von dem Essen richtig aufgeladen gewesen, schnatterte in einer Tour, zwischendurch fotografierend. Ich konnte mich gar nicht auf meinen Artikel über den Test von Ferntourenrädern konzentrieren.
Deswegen war dieser Flug bis Moskau nicht sonderlich erholsam, zumal mich auch die Frage beschäftigte, ob ich noch den Anschlussflug schaffen würde. Dafür dann der Weiterflug am Abend...
Die Stewardessen und der Steward machten eine gute Arbeit, wenn auch nicht sehr gut. Während mein Nachbar schon das dritte Getränk bekam (nach der Cola nun Kaffee), hatte ich noch nicht mein zweites bekommen. Ich wollte grünen Tee. Bei der Abfertigung der Reihen fehlte etwas die Systematik. Ich hatte ja keinen exotischen Wunsch, sondern bin nicht gefragt worden, als meine Nachbarn gefragt wurden.
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