Am ersten Tag der ITB 2012 besuchte ich im ICC (International Congress Center) eine Podiumsdiskussion zu einem Thema, über das ich schon meine Einschätzung gepostet hatte. Es versprach interessant zu werden. Ich wollte wissen, ob und inwieweit meine Auffassung zur Strategie von Google in Bezug auf Einnahmen aus der Touristik von Fachleuten geteilt wird. Außerdem interessierte mich, wie Google damit, dass es über den Finder doch an Hotelbuchungsportalen wie (in dem hier von mir genannten Beispiel) Booking.com Provision verdient, um bewerten zu können, inwiefern diese Vermittlung sich mit dem Credo der Darstellung des für den Suchenden nützlichsten Informationen beißt.
Die Veranstaltung hieß: Googlefinder - Kampf der Hotelportale. Und jetzt kommt Google!
Sie wurde von der Hotelfachschule in Berlin organisiert und von einigen Markenfirmen gesponsert.
Ich gebe hier meine Mitschrift als (leicht angereichertes) Protokoll wider.
Die Diskussion wurde um 11.10 Uhr von den Moderatorinnen Melanie Konopka von der Hotelfachschule und Solveig Wehsener (Creative Power Office) in einem gut gefüllten Raum, der ICC Lounge, eröffnet. Zu Gast waren:
- Tobias Ragge, HRS
- Georg Ziegler, Holidaycheck
- Lars Lindemann, Lindemann Hotels
- Tim Schütrumpf, Tourismuszukunft
- Eric Horster, Leuphana-Universität Lüneburg
Einleitend in die Thematik erklärt Eric Horster den Zuhörern den Googlefinder.
Daran schließt sich die erste Frage der Moderatorin an: Was muss ein Hotelier beachten, um bei Googlefinder gut auffindbar zu sein?
Horster:
"Man ist da ohne Zutun drin." Guter Content ist wie sonst auch immer wichtig. Was Content hier überhaupt bedeutet, wird dann etwas später noch erklärt. Dazu gehören jedenfalls Bilder. Woher die im Googlefinder kommen, ist Horster bisher unklar, ebenso auch, wie der Content auf der Googlefinder-Seite tatsächlich zusammengestellt wird (sogenanntes Mash-up). Der Content, das sind die Inhalte, aus denen eine Website besteht: Texte mit Informationen, Bilder, Videos, Audiodateien, Tabellen, Grafiken, Daten aus einer Datenbank. Für ein Hotelvermittlungsportal auch sehr wichtig sind die Hotelbewertungen der Gäste.
Google sammelt derzeit Hotelbewertungen, und zwar bei Google Places. Hier können sich Firmen selbst mit ihrer Adresse eintragen, müssen sich aber auch Bewertungen gefallen lassen. Ein Portal, welches hier häufig auftaucht, wenn man nach bestimmten Läden, Restaurants, Cafes und eben auch Hotels sucht, ist Qype. Ich habe bei Qype auch einige Bewertungen abgegeben. Bisher hat Google noch wenig Bewertungen eingesammelt. Das ist der Grund dafür, dass ein Hotel momentan noch relativ leicht im Googlefinder nach oben kommen kann.
[Nachtrag: Das deutsche Portal Qype wurde vom amerikanischen Bewertungsportal Yelp übernommen. Qype existiert nicht mehr.]
Tobias Ragge vom Anführer des deutschen Marktes der Hotelbuchungsportale HRS erklärt, dass im Vertrieb der Hotelzimmer zur Zeit eine massive Umstrukturierung im Gange ist. Früher bekam ein Hotel 70 Prozent per Eigenbuchungen und 30 Prozent seiner Gäste über den externen Vertrieb. Heute machen Eigenbuchungen nur noch 40 Prozent aus und 60 Prozent aller Gäste kommen über den externen Vertrieb, zu dem die Hotelbuchungsportale gehören. Das Kundenverhalten hat sich stark gewandelt. Der Kunde möchte schnell Transparenz, denn er will die Hotels und ihre Konditionen vergleichen. Das hat erhebliche Auswirkungen auf sein Buchungsverhalten.
Veränderungen bewirken auch die Apps für Smartphones. Mobile Buchungen über das Smartphone nehmen zu. Der Kunde kann jederzeit und überall (wo Internet verfügbar ist) Hotels buchen.
Lars Lindemann wird gefragt, ob das von Ragge genannte Verhältnis auf seine Hotelgruppe zutrifft. Er antwortet, man liegt mittendrin zwischen den Durchschnittswerten damals und heute, d.h. über den Direktvertrieb gewinnt man 55 Prozent der Hotelgäste und durch Fremdvertrieb 45 Prozent. Lindemann Hotels haben versierte Vertriebsprofis. Vertrieb am Telefon ist sehr wichtig. Hier ist man sehr erfolgreich. Und die eigenen Vertriebsleute aktualisieren auch den Content auf der Lindemann-Website.
Ragge macht klar, dass es sich zukünftig nicht mehr lohnen wird, eigene Vertriebsmitarbeiter zu beschäftigen und dass man wirtschaftlich genötigt wird, den Vertrieb Externe machen zu lassen. Der Wettbewerb wird über Effizienz geführt. Er meint vermutlich, im Massengeschäft ist ein einzelner Vertriebsmitarbeiter mit seinen individuellen Kontakten zu potentiellen Kunden unter vier Augen oder am Telefon zu langsam. Ein guter Vertriebs-Außendienst-Mitarbeiter kostet selbstverständlich viel mehr als ein Callcenter-Agent, der kaufbereite Kunden berät und deren Bestellungen ins System einbucht.
Der große Kostenfaktor sind Mitarbeiter. Hier sieht Ragge gerade den Grund für seine Annahme, dass Google nicht wirklich in die Hotelvermittlung in einer Weise, wie HRS es tut, einsteigen wird. Der Support mit Callcentern wäre sehr aufwändig. Callcenter in verschiedenen Ländern mit verschiedenen Sprachen? Er glaubt nicht, dass Google sich solche enormen Kosten aufbürden will.
Georg Ziegler bestätigt die Auffassung von Ragge, dass wegen der Spezialisierung im Online-Geschäft dem Hotel der Eigenvertrieb zu uneffektiv wird.
Eine Zielgruppe für die eigenen Vertriebsleute waren und sind Reiseveranstalter. Aber der Vertrieb von Hotelbetten über Reiseveranstalter stagniert, sagt Ragge. Der Anteil der Reiseveranstalter an den Hotelbuchungen habe 2009 bei 6 Prozent gelegen und da gab es bis heute keine Veränderungen.
Wundert mich nicht, denn die Zahl der Individualisten, die sich ihre Reisen selbst zusammenstellen, wo im Internet jeder Baustein immer leichter und transparenter verfügbar geworden ist, und wo immer mehr Verbraucher, auch gerade ältere Generationen, sich Internet angeschafft haben und die Älteren von ihren Kindern unterrichtet werden, wie das Geldsparen geht, nimmt doch sicher zu. Ein weiterer Grund ist natürlich auch, dass Hotels ihre Websites aufgerüstet haben und sich online buchen lassen. Deswegen kann der Vertriebsanteil von Reiseveranstaltern nicht wachsen.
Hotels müssen Webcontrolling betreiben
Tim Schütrumpf rät den Hotels dringend, zu messen, woher die Hotels ihre Kunden bekommen, aus welchen Vertriebskanälen. Zugleich muss gemessen werden, was ein einzelner Vertriebskanal kostet, heruntergerechnet auf einen Gast. Das ist nicht ganz einfach, aber es gibt dafür Werkzeuge. Wenn man weiß, was die Kundenakquise kostet, kann man Einsparungen erzielen, indem man die teuren Vertriebskanäle aussondert. Ragge pflichtet ihm bei.
Jetzt wird die Unterhaltung vorn technisch anspruchsvoll. Hotels müssen sich mit Webanalytics beschäftigen. Es ist eine Sache, als Hotel bei Google gut platziert zu sein. Man kann den Weg über Suchmaschinenoptimierung der Website gehen oder gute Platzierungen per Adwords kaufen. Eine andere Sache ist es aber, die User, die auf die eigene Website gekommen sind, dort auch zu halten und zum Buchen zu bewegen. Georg Ziegler sagt, die Konvertierungsrate (Verhältnis zwischen Website-Besuchern und Zimmerbuchern von den Besuchern) hängt davon ab, wie gut die Website der Hotels ist. Viele Hotels haben hier eine Schwäche.
Die Effektivität des Online-Marketings hängt davon ab, wie leicht Hotels den Kunden die Buchung machen
Die Buchungsmasken sind dem Kunden zu kompliziert. Die Kunden werden immer bequemer und ungeduldiger. Die würden, um nicht den Buchungsseiten lesen und dort tippen zu müssen, lieber über ein Telefon mündlich buchen wollen. (Da sind wir wieder beim teuren Callcenter bzw. der Verfügbarkeit von Hotelmitarbeitern zur Beratung und Entgegennahme von Bestellungen.)
Viele Hotels sind nicht gut in der Lage, die vom Googlefinder erhaltenen Besucher als Kunden zu gewinnen, konvertieren also schlecht.
Mich wundert diese Feststellung nicht. Viele Hotels verfügen nicht über Mitarbeiter, die Ahnung von der Erstellung von Websites, von der Erstellung von dynamischem Content haben, Ahnung vom Affiliate Marketing. Es ist ja nicht damit getan, sich ein paar Banner basteln zu lassen, die man dann, mit code zum Verfolgen (=Tracken) der User, in die Websites von Publishern (wie Reiseblogs) einbauen lässt. Es ärgert auch die Publisher, wenn deren Partner schlecht konvertieren, einfach weil deren Website, deren Landing pages nicht auf die Banner abgestimmt sind und die Bedienerfreundlichkeit nicht gegeben ist. Da kann sich ein Publisher noch so gut anstrengen. Personaler bei Hotels haben wohl häufig noch nicht die Zeichen der Zeit erkannt, wenn sie von den neu einzustellenden Managern reiche nachweisbare Vertriebserfahrung erwarten, anstatt von Internetaffinität und die Fähigkeit, ein CMS zu bedienen. Die Visitenkarte eines Online-Marketers ist oder sind seine eigenen Website(s). Aber wenn sich Personaler (und die Geschäftsleitung) dafür nicht interessieren...
... verschießen sie eine Menge ihres Pulvers.
Tim Schütrumpf kann hier aus dem Nähkästchen plaudern, was die Hotels besser machen können. Das fängt damit an, dass die Hotels eine Service-Telefonnummer auf ihre Startseite setzen. Sie brauchen schnelle Buchungsmasken. Wie man die herstellt, dafür gibt es Fachzeitschriften. Ich erinnere mich an einen Artikel in der von mir regelmäßig gekauften Zeitschrift "Websiteboosting" voriges Jahr. Dort kommen Website-Architekten zu Wort.
Zum ersten Mal höre ich Zahlen zur Provision beim Googlefinder.
An Google hat ein Hotel für eine Buchung 0,2 % des Wertes des bestellten Zimmers zu zahlen, wenn der Kunde über Googlefinder kam. Oder 0,3 %. Die Differenz von 0,1 % fällt für die Nutzung der Buchungs-Engine (=Buchungsmaschine) wie Seekda oder Trust an. Das ist für mich Neuland. Wie das technisch abläuft, bleibt dem Zuhörer verborgen. Teilweise ist das Gespräch eines unter Insidern, wo es um die Provisionen an Google geht. Im Interesse der Verständlichkeit hätte die Hotelfachschule mal ein Schema vorbereiten können oder von einem der Podiumsgäste vorbereiten lassen können. Ich wusste nicht mal, wie die genannten Buchungsmaschinen geschrieben werden. Die richtige Schreibweise entnahm ich der ITB-Sonderausgabe fvw daily vom 8. März 2012 auf Seite 12, wo schon von dieser Podiumsdiskussion unter der Überschrift "Google treibt die Vertriebskosten" berichtet wurde.
Hotelzimmer mit Groupon und DEALZ verscherbeln?
Lindemann wird gefragt, ob er Erfahrungen mit Couponing gesammelt hat. Nein! Groupon und Dealz sind uninteressant. Man verzieht damit Kunden, die dann [...Next]
Podiumskonferenz auf der ITB zum Google Hotelfinder #zusammenfassung #tourismus http://t.co/Hh9hnn8I ...