Wie kommt man für 50 Euro nach Berlin?
In diesem Frühling wurde ich zu einem dreimonatigen Praktikum nach Berlin eingeladen. Der Praktikumsgeber übernahm meine Unkosten in der Höhe von 500 €, die Ausgaben für die Anreise wurden nicht übernommen. Deswegen, um die Reisekosten möglichst gering zu halten, d.h. mehr Geld für die Einreise nach Deutschland übrig zu haben und weiter für seine Grenzen, entschied ich, von Moskau aus für so wenig Geld wie möglich zu fahren.
Mir stand die Wahl bevor zwischen Fluggesellschaften, die auf dem russischen Markt seit kurzem fast billige Reisen anbieten, einer Zugreise oder der Fahrt mit einem Bus. Der günstigste Flug nach Berlin und zurück kostete 220 €. Mit dem Zug zu fahren war absolut nicht vorteilhaft. Das deshalb, weil es auf das Bahnticket Rabatte nur gibt, wenn die Rückreise in weniger als einem Monat erfolgt, im Gegensatz zum Flugticket. Der billigste Weg der Fortbewegung, da beißt die Maus keinen Faden ab, war der Bus.
Also begann ich nachzuschauen, was das Internet hergab, welche Firmen sich mit Busreisen nach Deutschland beschäftigen. Ihre Liste war nicht sehr lang. Es gab nur fünf Anbieter. Ihre Durchsicht per Telefonanruf ergab, dass sich ihre Preise nur um 5 EUR unterscheiden. Wobei man bei praktisch allen Rabatt bekommt, wenn man Hin- und Rückfahrt zusammen kauft. Die Rückkehrfrist liegt hier nicht bei einem Monat, wie bei der Bahn, sondern bei einem Jahr.
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Ich entschied mich für eine Firma, die anbot, mich von Moskau nach Berlin und zurück für 110 EUR zu bringen. Ich buchte eine Fahrkarte, die man bis drei Tage vor der Abfahrt an der Kasse bezahlen muss. Die Kassiererin stellte mir die Fahrkarte aus, dabei ständig abgelenkt von Telefongesprächen mit Kunden und Leuten, die sich auf dem Wege zu ihren Eltern im Autobus befanden. So bekam ich drei verschiedenfarbige Quittungen in einem Heftchen. "Wenn Sie zurückkehren, telefonieren Sie unter der angegebenen Telefonnummer in Dortmund, dann erfahren Sie die Einzelheiten der Reise.", wies mich die Kassiererin an.
Und dann kam der lang ersehnte Tag. Ich nahm mein Gepäck und machte mich auf den Weg zum Busbahnhof, von dem aus meine Reise beginnen sollte.
Viele denken, dass eine Reise mit dem Autobus eine entwickelte Art des Masochismus ist: Man sagt angeblich, dass vom pausenlosen Sitzen die Beine so anschwellen, dass man kaum noch gehen kann, schlafen im Sitzen nicht möglich ist u.s.w. Ich gebe zu, dass der Bus nicht gerade das bequemste Reisemittel für weite Entfernungen ist, besonders für Reisen nach Russland aus Kasachstan oder dem Wolgagebiet. Einmal die anderthalb Tage - nicht nur die echte Prüfung für den Organismus, besonders wenn er Unbequemlichkeiten nicht gewohnt ist und sich schnell in Bezug auf den fehlenden Komfort umstellen muss. Es gibt nicht viele Haltestellen, um sich die Beine zu vertreten und auf die Toilette zu gehen, etwa nur nach jeweils drei Stunden.
Während der Reise auf heimatlichen Straßen schaukelt der Bus ein wenig, aber daran kann man sich gewöhnen und allmählich schläft man dabei ein. Ungeachtet des Schadens für die Augen kann man natürlich auch lesen - wenn das Schaukeln nicht extrem ist. Es passierte, dass Fahrgästen im Bus schlecht wurde. Im Salon gab es einen Fernseher, Videokassettenrekorder und eine solide Auswahl an Kassetten. Die Leute sahen mit Vergnügen Hollywood-Gebrauchtsartikel wie auch sowjetische Klassiker, die sich mit deutschen Filmen abwechselten. Das ging so bis in die späte Nacht.
Auf dem Wege von Moskau bis nach Deutschland befinden sich drei Grenzen. Die Grenze mit Weißrussland passierten wir umgehend, nahmen weiter gar keine Notiz von ihr. Ungeachtet dessen existiert die Staatenregierung nicht nur im Geiste höherer Kreml-Verwalter. Denn bei der Ausreise nach Weißrussland wurde uns eine Ökosteuer von etwa 3 EUR abgenommen. Während meiner Rückreise erfuhr ich von einem Weißrussen, dass diese Gebühr auf Grundlage eines Gesetzes bald geändert wird. Wohin das Geld naiver Touristen heute geht, ist nicht bekannt. Na jedenfalls wird es nicht zum Schutze der weißrussischen Wälder eingesetzt, soviel steht fest.
Die Einreise nach Polen ist die anspruchsvollste Veranstaltung der ganzen Reise. Wenn mehrere ungünstige Umstände zusammen kommen, kann man an der KPP für Stunden stecken bleiben, schon mal bis zu sieben Stunden. Das verlangt den Nerven schon einiges ab. Bald verteilte der Busfahrer eine Zollerklärung. Im Salon kamen von überall her höfliche Fragen wie: "Entschuldigen Sie bitte, wieviele Wodkaflaschen haben Sie dabei? Und Zigaretten?" Über die Grenze darf man, wie bekannt sein dürfte, einen Liter Alkohol und eine Stange Zigaretten nehmen. Wenn man sich an diese Bestimmungen hält, bekommt man keine Probleme mit dem Zoll.
Obwohl, auch dann bekommt damit zu tun, wer nicht solche für die Gesundheit schädlichen Waren über die Grenze ausführt. Weil dann der Überschuss auf diejenigen verteilt wird, die Antialkoholiker sind oder an einem Geschwür leiden.
Nach ungefähr einer halben Stunde vor der weißrussisch-polnischen Grenze wandte sich der Fahrer mit einem Vorschlag an die Passagiere. Er sagte im Wesentlichen das folgende: "Wenn wir nicht wollen, dass unsere Taschen aus dem Salon ausgeladen und durchsucht werden, müssen wir 5 EUR an die Zollbeamten abdrücken." Leute, die sich ans Recht der Regierung hielten, entschieden die weißrussische Korruption zu fördern und gaben den Fünfer ab. Indessen fand die Korruption an der Grenze nicht statt. Die Zollbeamten hinterließen einen erstaunlich ehrenhaften Eindruck. Einer stand brüllend am Fahrer, warnte vor kriminellen Handlungen. Das Gepäck musste ausgeladen werden und zum Zollterminal getragen werden. Sie brüllten, dass sie besonders wüten würden und nötigten uns so die Taschen zu öffnen und interessierten sich für deren Inhalt. Dafür, las man an den Reaktionen der Leute ab, lassen sie uns weiter.
Die polnischen Zollbeamten schienen im Vergleich zu den belorussischen korrupt zu sein, aber nicht unersättlich. Dem Fahrer reichte auch die halbe Summe, damit unsere Sachen in Ruhe gelassen wurden. Im Weiteren verhielten sie sich brüderlich.
Auf dem Territorium des westlichen Polens, nicht weit von der Grenze zu Deutschland, gibt es ein Kaffee, gut bekannt bei dem, der mit Bussen in den Westen fährt. Daneben halten die Busfahrer immer an und verkünden, dass jetzt auf die Passagiere das Mittagessen (Frühstück, Abendbrot) wartet, "auf Rechnung der Firma" (Als wenn der Betrag nicht schon vorneweg in den Betrag des Tickets mit eingerechnet worden ist.). Den Passagieren wird angeboten, sich an einen schmalen Tisch zu setzen, der speziell für sie reserviert wurde. Sich an einen freien Platz an einen der anderen Tische zu setzen, ist ihnen nicht gestattet. Die Kellner bringen riesige Suppenschüsseln mit einem Inhalt, der aus Tüten kommt und mit "chemischen" Wasser der Sorte "Suko" aufgelöst wurde. Als zweiten Gang gab es Schnitzel oder Leberstücke mit wässrigem Püree und kläglichen, gehaltlosen Salat. Wenn man Geld hat, kann man sich etwas Besseres kaufen - die Preise sind, nebenbei gesagt, selbst geradezu göttlich. Angenommen wird jede beliebige Währung: russische und belorussische Rubel, Zloty und natürlich auch Euro.
Und schließlich kommt die Grenze nach Deutschland. Die deutschen Grenzer prüfen langsam die Dokumente. Überhaupt kein Zollbeamter - die ganze "Schmutzarbeit" ist bereits an der belorussisch-polnischen Grenze getan worden. Innerhalb von einigen Minuten nach Überschreiten der Grenze werden wir auf einen weitläufigen Parkplatz zurück gelassen - gehen auf Toilette und waschen uns. Die kostenlose Toilette ist überraschend sauber. Ach ja, wir sind auch schon in Deutschland!
In Berlin begegne ich bald Graffiti an den Wänden und zur Arbeit eilende Menschen. Der Bus kurvt durch die Straßen. "In welche Einöde verschleppt man uns?", entrüstet sich einer der Passagiere. "Uns wurde versprochen, dass man ums am Zentralen Omnibusbahnhof absetzt." "Versprochen heißt noch nicht heiraten!", spricht ein anderer, erfahrener. "Was willst Du damit sagen?"
Übersetzung: Jörg Schäfer
Original: Kak dobratsja do Berlina sa 50 ewro. Autor: unbekannt.
Meine Sekundär-Quelle aus dem Jahre 2005 (im Februar 2012 nicht mehr erreichbar) war w otpusk (im Urlaub, russisches Reiseportal):
http://www.votpusk.ru/edit/11/4081601.asp?ID=3378, W Otpusk - Im Urlaub - russisches Reiseportal"
Originalquelle: Nesawisimye Jurnalisty, Nr. 08/2004.
Hier lesen Sie meinen eigenen Erfahrungsbericht zu meiner Busreise von Leipzig nach Rostow.