Der Aufmacher auf der Startseite der russischen Suchmaschine Rambler heute morgen ist die Erfolgsmeldung vom Wochenende in den deutschen Medien über die Ergreifung eines unter starkem Spionage-Verdacht stehenden Paares, das für Russland in Deutschland spioniert haben soll. Die Meldung wurde am Samstagabend in der deutschen Tagesschau-Abendsendung gebracht. Nachfolgend übersetze ich den Bericht der Nachrichtenagentur Interfaks von gestern.
Dafür habe ich mehrere Motive: Datenschutz, Schutz vor Wirtschaftsspionage ist hier im Blog ein wichtiges Thema, das sich an Unternehmen richtet, die in Russland aktiv sind oder werden wollen. Außerdem kenne ich Marburg und das Umland gut, denn dort habe ich mehrere Jahre gelebt und war vor wenigen Wochen wieder dort zu Besuch.
Verdacht auf Spionage
Am Wochenende berichteten deutsche Medien, dass die deutsche Bundespolizei die Verhaftung einer Frau und eines Mannes bekanntgab, die unter dem Verdacht der Übermittlung von Informationen an den russischen Geheimdienst steht. Die Verhaftung erfolgte in den Städten Balingen (Anm. J.S.: Baden-Würtemberg) und Marburg (Anm. J.S.: Hessen). Nach ersten Informationen beschlagnahmten die Ermittler bei der Durchsuchung zwei gefälschte österreichische Pässe. Laut den Angaben in diesen Pässen war Andreas A in Argentinien geboren und seine Frau Heidrun in Peru. Doch haben die Ermittler diese Angaben mit den lateinamerikanischen Behörden abgeprüft und so festgestellt, dass diese Angaben unwahr sind.
Laut den deutschen Presseberichten vermutet die deutsche Polizei, dass die der Spionage verdächtigen Personen schon seit vielen Jahren in Deutschland für den russischen Spionagedienst arbeiten. Am Montag teilte der Kommersant mit, dass ihm die Familiennamen der durch Bundes- und Bereitschaftspolizei festgenommenen Verdächtigten bekannt geworden sind. Doch die Namen werden nicht veröffentlicht, weil die Nennung von Familiennamen Verdächtiger nach deutschem Gesetzesrecht vor der Bestätigung, dass Anklage erhoben wurde, verboten ist. Doch laut der Zeitungsausgabe des Kommersant wird gemunkelt, dass das Paar Heidrun und Andreas Anschlag heißt, was soviel wie Angriff, Sabotage oder Mord heißt.
Die beiden wohnten im Marburger Vorort Michelbach, einer ruhigen und respektablen Umgebung in einem privaten Haus. Ihr Nachbar Stefan Mut erzählte der Zeitung, dass das Paar vor über einem Jahr nach Michelbach gezogen war, wo sie dieses Haus mieteten. Sie unterhielten sich praktisch nie mit irgendjemandem im Dorf. Sie lebten sehr zurückgezogen, nahmen nicht am lokalen Leben teil, zeigten sich nicht in irgendwelchen Vereinen oder Klubs und ließen sich auch bei Dorffesten nicht blicken. Jetzt nach der Verhaftung wurde klar, dass keiner der Nachbarn ein Foto von den beiden hat, erklärte Mut.
Nach seinen Worten sahen die Nachbarn Gudrun A. häufig morgens ihr Haus mit einer Sporttasche verlassen, doch Sport trieb sie nicht in der Sporthalle im Ort. Die Nachbarn hatten immer wieder versucht, mit ihr ein Gespräch aufzunehmen, um sich mit ihnen bekannt zu machen. Doch entschuldigte sie sich immer höflich damit, in großer Eile zu sein. Das Paar hat eine Tochter, die die Universität in Marbug besucht.
Die deutschen Medien berichten, dass das Paar schon seit 20 Jahren in Deutschland illegal arbeitet und beleuchteten Verbindungen zu einer anderen Skandal-Person hatte, nämlich Anna Chapman. Der russische Geheimdienst hat bisher noch keine Stellung zu dem weiteren aufgedeckten Fall der angeblichen Spionage abgegeben. Von Leiter des Pressebüros der Abteilung Auslandsaufklärung Sergej Iwanow hieß es gegenüber Interfaks am Samstag nur: "Wir kommentieren diese Meldung nicht."
Auch das russische Außenministerium lehnte es ab, eine Erklärung über die Inhaftierung der russischen Staatsbürger abzugeben. "Im Außenministerium gibt man keinen Kommentar zu jener Meldung ab", hieß es gegenüber Interfaks in der Abteilung für Informationen und Presse des Außenministeriums.
Über die Verhaftung der Frau und des Mannes in Zentraldeutschland haben die deutschen Behörden sich nicht mit dem russischen Konsulat in Berlin in Verbindung gesetzt. Die russische Botschaft hat zu diesem Fall noch nicht Stellung genommen, zumal noch niemand sie diesbezüglich angesprochen hat, teilte man Interfaks am Montag mit.
***
Vor gut einem Jahr die Inhaftierung von russischen Agenten in den USA, jetzt bei uns in Deutschland. Überraschend ist diese Meldung natürlich nicht. - Firmen, die in Russland aktiv sind, sollte das ein Warnzeichen sein. In Russland fällt die Wirtschaftsspionage gegen ausländische Investoren natürlich viel leichter. Entsprechende Mitarbeiter der russischen Aufklärung lassen sich leichter platzieren, weil sich in Deutschland häufig nicht das gewünschte Personal mit Bestnoten in zwei Fachgebieten und mehreren Jahren Arbeitserfahrung in bekannten Unternehmen und mit den perfekten Russischkenntnissen nicht finden lässt für das, was das deutsche Unternehmen bieten will.
Im Interesse eines verbesserten Schutzes von Betriebsgeheimnissen im Ausland sollte, das ist meine allgemeine Meinung, ein deutsches Unternehmen schauen, dass es mehr Mitarbeiter aus Deutschland nach Russland entsendet und falls die nicht reichen, ob es nicht das geforderte Leistungsprofil für Stellenausschreibungen offener gestaltet, um mehr Bewerbern aus Deutschland eine Chance zu geben. Aber dazu gehört eine Mentalität, junge oder neue Mitarbeiter auch ausbilden und weiterbilden zu wollen und in Ihre Aufgaben hineinwachsen zu lassen, gehört die Pflege der sozialen Verantwortung der Führungsriege für ihre Mitarbeiter. Dafür erhält man sich leichter treue und zufriedene Mitarbeiter und das Risiko von Informationsabfluss ist niedriger als bei russischen Mitarbeitern. Doch wir haben
inzwischen tendenziell (Seit wann eigentlich? Das ist nur ein Gefühl von mir) mehr Leute in Führungspositionen mit mangelhafter sozialer Kompetenz, ohne Bodenständigkeit. Die social skills blieben nicht selten in der Ausbildung an überfüllten Massenunis auf der Strecke. In einem eher universalem (westlichen) Betriebsklima fallen Spione, vermute ich, weniger auf als in einem kommunitaristischen (eher typisch östlichen) Klima.
Wir wissen doch: zwischen Deutschen und Russen gibt es einige Mentalitätsunterschiede.
Für die Überwindung der Spannungen, für das Wissensmanagement des Unternehmens ist es förderlich, auch Gesellschaftswissenschaftler in der russischen Filiale zu beschäftigen, deutsche Osteuropa-Spezialisten.
Nachtrag 21.01.2013: Vorige Woche begann der Strafprozess am Oberlandesgericht in Stuttgart gegen die Eheleute Anschlag, deren wahre Vornamen Sascha und Olga sind, lese ich auf Spiegel Online. Die Medien berichten natürlich ausführlich. Es heißt, es sei der größte Spionagefall in der Nachkriegsgeschichte; und von einem Spionage-Thriller ist die Rede. Sowas schreiben Journalisten, die keine Ahnung haben, aber schreien müssen wie Marktschreier. Die Angeklagten schweigen. Die Fotos als Beweise werden per Overhead-Projektor an die Wand des Gerichtssaals geworfen. Das ist ein öffentlicher Prozess. Inzwischen kommen interessante Details an die Öffentlichkeit: Sie hätten für den russischen Auslandsgeheimdienst SWR gearbeitet. Ausspioniert wurde mit Hilfe eines Holländers aus dem Holländischen Außenministerium, Informationen über die politischen und militärpolitische Strategien (und Sicherheit) der Europäischen Union und der Nato.