Am Montagabend (2.2.2015) war ich auf dem Berliner Busbahnhof, zur kleinen Recherche, ob man von hier aus, in Anbetracht des Bürgerkrieges in der Ukraine bzw. in Noworossia noch einen Bus nach Südrussland finden kann.
Noworossija ist ein Verwaltungsgebilde, dessen Einwohner die Treue zur Verfassung der Ukraine erklärt haben, die mit der Amtsenthebung Janukowitsches und Einsetzung einer Regierung ohne demokratisches Mandat verletzt worden ist. Die neue Regierung in Kiew zu Amerikas Gnaden hat Truppen geschickt, um den Widerstand im Osten der Ukraine zu brechen. Im April 2014 brach so, begleitet von Massakern an der Zivilbevölkerung in Odessa (Süden) und Mariupol (Südosten) ein Bürgerkrieg aus. Damit ist der Weg mit Bus nach Rostow am Don und Krasnodar verwehrt. Zum Jahreswechsel 2014/2015 gibt es auch keine offenen Zufahrtswege zur Krim mehr. Zu Lande muss man einen großen Umweg machen, nördlich um die Ukraine durch Belarus und vielleicht über Brjansk oder südlich, bis Moldauen fahren, dann bis Odessa, wo es auch brenzlig ist (Es gibt immer wieder Brandstiftungen) und dann die letztes Frühjahr eingerichtete Fährlinie nach Batumi über Jalta und Sotschi nutzen. Mir fehlen aber derzeit Informationen, darüber, ob die ursprünglich für die Linie der Paradise Ferry Line vorgesehenen Häfen Odessa, Jalta, Sotschi und Batumi alle bedient werden. Im Herbst 2014 fuhr die Fähre wohl nur zwischen Sotschi und Batumi (Georgien).
Nachfolgend präsentiere ich das Ergebnis meiner Recherche zu Bussen nach Russland vom ZOB in Berlin.
"Berlin kommt beim stetig wachsenden Fernbusverkehr eine zentrale Rolle zu. Für die großen Anbieter ist es das wichtigste Drehkreuz, Fernbusse fahren von Berlin inzwischen auch in Orte wie Schortens und Schillig in Friesland (Niedersachsen)."
schreibt die Berliner Morgenpost in ihrer kostenlosen Wochenendausgabe am 10./11. Januar 2015 auf Seite 10 im Artikel "Berlin bringt Fernbusverkehr ins Rollen".
Da drängt sich mir als Spezialist für Individualreisen nach Osteuropa die Frage auf, was der Zentrale Omnibusbahnhof (ZOB) denn in Richtung Osteuropa jetzt an Fernbuslinien zu bieten hat. Der Fernbusmarkt in Deutschland boomt seit der Liberalisierung aufgrund der eines Gerichtsurteils. 2014 hat es laut Berliner Morgenpost (a.a.O.) am ZOB 175.000 An- und Abfahrten gegeben.
Und wie oft und wohin fahren Busse nach Russland und die Ukraine?
Busse nach Moskau und St. Petersburg? - Ja, sagt eine Frau hinter der Glasscheibe am Schalter des Reisebüros des ZOB drinnen im Hauptgebäude, dessen Wartesaal gut gefüllt ist.
Preise liegen bei jeweils ab etwa um die 95,00 € für eine Strecke.
Südrussland? Ukraine? - Fehlanzeige.
Ich frage, warum gibt es da nichts nach Krasnodar und Rostow am Don? Es gibt doch russische Buslinien bis in den Nordkaukasus, nicht wahr? Die Reisebüro-Frau sagt, die werden nicht vermittelt. Diese Busfirmen sind nämlich unzuverlässig, unpünktlich.
Nun, ich war schon mal nach Südrussland gefahren, habe dazu einen ausführlichen Reisebericht geschrieben. Die Strecke führte eigentlich nur bis zur Ostukraine, bis Donezk und Lugansk (dem heutigen den Unabhängigkeitskrieg führenden "Noworossija"), denn das Busunternehmen war in Lugansk beheimatet. An einer Straßenverzweigung wurden wir Passagiere aus Deutschland verteilt auf einen weiteren, kleinen, Bus nach Donezk und einen Wolga nach Rostow (ich und zwei weitere Passagiere). Der gute Neoplan fuhr dann mit Passagieren nach Lugansk.
Da hatte ich in der Tat einiges zu kritisieren: Die Pausenregelung, Intransparenz, Schmiergeld für Grenzbeamte, die unseren Bussen extra lange warten ließen ...
Ich vermute aber, dass hinter dem Unzuverlässigsein, neben Verspätungen, auch das Problem steckt, dass das Reisebüro Probleme hat, eine Provision zu erhalten bzw. die Busunternehmen nicht die Strafregelungen in Bezug auf Verspätungen akzeptieren. Es fahren ja überwiegend Russen, Ukrainer, Tschetschen mit. Die haben keine Wahl, können nicht zu anderen Busunternehmen wechseln, da es keine anderen Anbieter für die Fernstrecke gibt und sie hier mit ihresgleichen reisen und sich austauschen und Flugreisen zu teuer sind (auch in Anbetracht des vielen Gepäcks). Die klagen auch nicht vor Gericht wegen Verspätungen. Die sind froh, dass es diese günstigen Landverbindungen überhaupt gibt. Die wissen aber auch besser als Deutsche, welche Probleme auf die Busfahrer im Osten lauern. Z.B. gibt es für einen in Deutschland gebauten Neoplan irgendwo in der Ukraine nicht so schnell Ersatzteile wie in Deutschland.
Es ist also, vielleicht darf man das so sagen, eine Parallelgesellschaft der Russischsprachigen in Berlin zu den deutschen Passagieren ohne Russischkenntnisse, und diese Parallelgesellschaft besucht die Reisebüros der Russen und Ukrainer oder bestellt telefonisch dort Fahrkarten. Diese Reisebüros machen auf deutsch ziemlich wenig Werbung. Ihre Werbung kann man in russischsprachigen Zeitungen in Deutschland finden, oder in russischen Delikatessenläden in Berlin.
Die osteuropäischen Busunternehmen schließen Agenturverträge mit diesen Reisebüros zu ihren Konditionen, die für sie günstiger sind als die Konditionen des ZOB mit angeschlossenem Reisebüro. Sie wollen möglichst flexibel sein und sich keinen Geldstrafenregelungen unterwerfen wegen Verspätungen. Es geht darum, wer seine Regelungen im Vertrag durchsetzen kann. Darüber habe ich auch schon mal geschrieben. Folglich werden manche Busse aus Osteuropa oder von Inhabern, die aus Osteuropa stammen, aber in Deutschland leben, auf dem ZOB nicht auf der Anzeigetafel gezeigt.
Kürzlich hat der ZOB seine Verträge mit Busunternehmen geändert. Neu ist jetzt die Pflicht der Busunternehmen, mit Ankunft an der Schranke beim Pfördner sich anzumelden. Dann wird der Bus auch auf der elektronischen Anzeigetafel und am Busbahnsteig, wo er auf die Passagiere wartet, gezeigt.
An der großen Anzeigetafel neben dem Eingang des Hauptgebäudes (siehe oben Titelbild) sah ich keine Busse aus der Ukraine. Dabei weiß ich, dass doch Busse fahren. Die Frau am Schalter sagte, wenn ich da mitfahren will, muss ich mich an die russischen Reisebüros wenden.
Man muss Glück haben, so einen Bus aus dem Osten (ohne Vertrag mit dem ZOB) anzutreffen, oder lange warten. Eine Freundin hat letztens 4 Stunden gewartet, bis sie einen Bus entdeckte, der nach Krasnodar fährt. Aber nicht durch die Ukraine, sondern er macht einen Bogen nördlich herum durch Belarus. D.h. wenn man mitfahren will, muss man sich ein Transitvisum für Belarus organisiert haben.
Wer auf die Krim fahren will, muss einen Bus nach Krasnodar finden und von dort nach Anapa, Noworossijsk oder wirklich gleich nach Kawkas. Die Fähre nach Kertsch nehmen. Die Umrundung der Ukraine kostet viele Stunden. Der Preis ist folglich auch höher als noch letztes Jahr.
Noch mal zurück zur Benutzung des ZOB durch Busunternehmen.
Jeder Bus kann hier parken. Doch es kostet Parkgebühr, unabhängig davon, ob ein Vertrag mit dem ZOB im oben beschriebenen Sinne besteht oder nicht. Die Parkgebühr liegt natürlich auch ein Vertrag zugrunde, ein Ad-hoc-Vertrag, der keine schriftliche Regelung bedarf, weil er einfacher ist wie der Vertrag mit dem ZOB-Reisebüro zwecks Vermittlung, zu der dann auch die Anzeige gehört. Ein Busunternehmen, das einen solchen Vermittlungsvertrag zu seiner Strecke nach Russland hat, ist ein Unternehmen in Bremen mit einer Linie nach Kaliningrad. Den Bus sah ich. Er sollte um 18.30 Uhr losfahren. Er fährt im Winter einmal pro Woche, im Sommer zweimal pro Woche, sagte mir einer der Busfahrer.
Ich besuchte vorher schon den Stand von Eurolines. Der Mann in der Box schien keine Lust zu einem Verkaufsgespräch zu haben. Nach Südrussland gibt es nichts, auch nicht Woronesch. Aber zu Moskau hatte er auch keine Lust was zu erklären. Ich musste schon eindringlich bitten, damit ich einen Fahrplan für die Strecke nach Moskau bekam.
Das ist der Winterfahrplan von Eurolines und Deutsche Touring für Russland, Weißrussland und die Ukraine, gültig vom 01. November 2014 bis 31. März 2015. Danach hat die oben erwähnte Buslinie Berlin nach Moskau (durch Belarus) die Nummer T222, Veranstalter hierfür Gabriele Bayer GmbH bzw. OOO Bayer Trans, Intercars Europe (via Polen). Die Strecke beginnt in Köln (Abfahrt 02.00 Uhr), 11.30 in Brandenburg an der Havel und 12.00 Uhr in Berlin (sehr knappe 30 Minuten für die Strecke Brandenburg - Berlin). Eine Nebenstrecke führt aus München (Abfahrt 5.30 Uhr) über Nürnberg (07.30 Uhr), Leipzig (10.30 Uhr) nach Berlin Passagiere zu.
Im Heft steht auch eine Strecke KVN 01 Deutschland - Grosny. Nach Berlin gibt es dazu eine Zulieferung von Passagieren aus Westdeutschland, nämlich Aachen Köln, Düsseldorf - Dortmund - Hamm, Osnabrück, Bielefeld - Hannover - Braunschweig - Magdeburg. Aber auch wieder aus Süddeutschland, beginnend in Stuttgart, dann Karlsruhe - Mannheim - Frankfurt am Main, Bad Hersfeld - Kassel. Sowie aus dem Norden: Bremen (09.00 Uhr) - Hamburg (11.00 Uhr).
Und die Strecke durch Osteuropa ab Berlin: Angegeben sind erst Städte in Russland, nämlich beginnend mit Orjol, dann weiter Woronesch, Rostow am Don, Krasnodar, Tbliskaja, Kropotkin, Armawir, Nenymomysk, Mineralnye Wody Pjatigorsk. Hier umsteigen und Weiterfahrt über Beslan bis nach Grosny.
Man hat vermutlich keine Städte vor Orjol genannt, weil wegen der Ukraine-Krise unklar ist, wie man durch die Ukraine fahren soll oder kann, weil man hier flexibel sein muss, oder weil man aus rechtlichen Gründen gar nicht durch die Ukraine fahren kann. - Erinnern wir uns: Die Kiewer Putschregierung erschwert seit 2014 die Einreise für Russen.
Und jetzt wird diese Strecke von Eurolines vermutlich gar nicht mehr angeboten. Ich wiederhole: Die Frau vom ZOB-Reisebüro sagte, die russischen Busfirmen sind unzuverlässig. Das ist nicht ganz fair vielleicht. Denn wegen des Ukraine-Krieges, der Sanktionen gegen die russische Wirtschaft von Deutschland und der EU sowie der Kiewer Putschregierung gibt es keine Routine auf der Strecke bis zu den nordkaukasischen Städten. Man darf nicht den Eindruck erwecken, als wären diese Busunternehmen immer Schuld an den Verspätungen.
Es fahren aber doch noch Busse, nur bekommt man diese nicht von deutschen Reisebüros mit Deutschen, die schon immer in Deutschland wohnten (Ich will die Spätaussiedler nicht diskriminieren.).
Die Nachfrage nach solchen Busverbindungen von Deutschen ohne osteuropäischen Migrationshintergrund ist meines Wissens nach nicht weit von 0 Prozent entfernt.
So. Es gibt im Heft auch die Strecke EC 235 Deutschland - Ukraine, mit Zubringerbussen aus mehreren Richtungen Deutschlands nach Berlin. Von Berlin aus sind im Heft genannt die Städte Lwow (deutsch: Lemberg), Rivne, Schitomir und Kiew.
Und diese Buslinie ist auch nicht im Angebot laut Auskunft am ZOB.
Also muss man sich an Reisebüros von Touristikern mit östlichem Migrationshintergrund wenden, also die aus der Ukraine oder aus [...Next]