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Gastland der Jubiläumsmesse waren dieses Mal die Malediven, was eher nicht realistischen Wünschen von Otto Normalverbraucher anspricht. Das Land mit den Traumurlaubsinseln ist in unseren Massenmedien außer mal im Wochenendreiseteil nicht präsent. Es war den deutschen Journalisten auch keine Meldung wert, dass Bewohner einer Malediveninsel ein Passagierflugzeug im Tiefflug lärmend über sich hinwegfliegen sahen, das Flugzeug, das spurlos am 8. März 2015 verschwand, MH370, welches sonst? Ich nahm mir am ersten Messetag (Mittwoch, 09.03.16) in Halle 3.1. im Vorübergehen ein paar Nüsse vom Teller eines nicht mit Personal besetzten Malediven-Standes. Mehr Zeit für Gedanken an Traumurlaube blieb mir nicht.
Ich habe mir aber die Gelegenheit durch die Lappen gehen lassen, mit Nachweisen aus asiatischen Medienquellen Vertreter der Malediven auf die Sichtung von MH370 durch Einheimische anzusprechen ...
Näher auf das Verschwinden von MH370 gehe ich im ersten Teil meines Artikels zum Abschuss von MH17 ein.
I. Kreuzfahrten - Aida
Mit Traumurlauben werben Ozean- und Meeres-Kreuzfahrtveranstalter. Aida war am Dienstag (08.03.2016) auch schon beim Zanox Travel Expert Day in der Berliner Kalkscheune dabei. Dort unterhielt ich mich mit einem Herrn vom Vertrieb. Von ihm weiß ich:
Aida ist in diesem Jahr 2016 mit seinem Ferienschiffen nicht im Schwarzen Meer und dem östlichen Mittelmehr unterwegs, auch voriges Jahr schon nicht. Den EU-Kreuzfahrtgesellschaften sind keine Geschäfte mit der Krim erlaubt. D.h. die Städte Jalta, Sewastopol als wichtige Stationen einer Kreuzfahrt sind ausgefallen. Sotschi ist Teil eines Landes, gegen das die EU einen wirtschaftspolitischen und außenpolitischen Crashkurs fährt. Merkel ist anders als ihr Vorgänger im Amt nicht gut auf Putin zu sprechen.
Die schöne Stadt Odessa als weitere potentielle Anlaufstelle für Kreuzfahrtschiffe im Schwarzen Meer machte im Mai 2014 Negativschlagzeilen mit einem Massaker am und im Gewerkschaftshaus, bei dem die Polizei nicht einschritt. Und es bestand zeitweise (bis zur Erreichung einer Einigung über einen Waffenstillstand in Syrien) erhöhte Kriegsgefahr im Schwarzmeerraum, in den auch amerikanische Kriegsschiffe eingefahren sind. Ein türkisches Fischerboot war Ende 2015 auf ein russisches Kriegsschiff zugefahren und bekam einen Warnschuss vor den Bug. Das war nach dem Abschuss der russischen SU-25 während eines Einsatzes gegen Terroristen in Syrien.
Ich denke, auch andere Kreuzfahrtgesellschaften sind nicht mehr im Schwarzen Meer unterwegs (vielleicht finde ich noch eine Statstik auf der ITB-Seite?!). Allerdings möglicherweise macht Costa eine Ausnahme. Ich hörte von einem Besuch eines Costa-Kreuzfahrtschiffes in Sotschi von einem befreundeten Bewohner, der mit Führungen für Reisegruppen von Kreuzfahrtschiffen Geld verdient (nur ein Gerücht, nicht von mir geprüft).
Die Aida-Schiffe, die sonst in Südeuropa unterwegs sind, sind nun in anderen Regionen unterwegs, z.B. den spanischen Kanarischen Inseln. Dass andere Meeresregionen von der Abstinenz im östlichen Mittelmeer und Schwarzen Meer profitierten, kann man erahnen in einer Grafik, die beim Travel Expert Day am Dienstag vor der ITB in der Kalkscheune gezeigt worden war (Link siehe oben).
II. Krim
Ich hatte mich im Vornherein gefragt, ob ich jemanden finden werde, der/die an einem Messestand Werbung für die Krim als Reiseregion macht.
Ich fand niemanden. Wie erwartet.
Am Sonntag, dem letzten Tag, bin ich selbst daraufhin von einem Messebesucher angesprochen worden. Einen Kollegen aus Südrussland, der mich vor einigen Jahren bei Ausflügen nach Taganrog und Asow begleitet hatte und der jedes Jahr eine russische Kreuzfahrtgesellschaft. vertritt, fragte ich, ob Besucher seines Standes nach der Krim fragten und ob es Kreuzfahrten gibt, die die Krim mit im Programm haben.
Er meinte dazu: Offiziell macht kein Veranstalter Werbung für die Krim, aber versteckt, auf Anfrage geben Veranstalter doch Angebote für die Krim. D.h. der Boykott, der von Organen der Europäischen Union verhängt worden ist, wird jedenfalls bei Individualreisenden nicht ernst genommen. (Zur fehlenden Rechtfertigung der Sanktionen werde ich mich noch in einem Teil meiner Serie zur Ukraine-Krise widmen, einstweilen siehe meinen Überblick zu den nicht überzeugenden westlichen Kritiken im Artikel zur Sezession der Krim vor 2 Jahren, Teil 2). Bei russischen Veranstaltern ist das für mich sowieso klar. Von wie vielen deutschen Reiseveranstaltern er erfahren hat, dass sie die EU-Sanktionen missachten, hat er nicht gesagt.
2014 war ein sehr schweres Jahr für den Wirtschaftszweig Tourismus auf der Krim (und anderen Wirtschaftszweigen). Zahlreiche Touristikunternehmen mussten schließen oder gingen insolvent. Die Hotels und Sanatorien mussten Mitarbeiter entlassen. 2015 ging es aufwärts. Die Frage ist durch die Blockade der Verkehrswege der Ukraine (organisiert an den Staatsorganen vorbei auch vom Rechten Sektor und Krimtataren), wie die Touristen anreisen können. Ein anderes Problem die Energieversorgung, die Lebensmittelversorgung usw.
Die Fertigstellung der Brücke von Kawkas nach Kertsch ist für Ende 2018 vorgesehen, sagte Putin in seiner Grußansprache direkt vom Brückenbau am 18.03.2016.
https://www.rt.com/politics/336173-putin-crimea-fireworks-anniversary/
III. Ukraine
1. Russland übernahm und rekonstruiert ukrainische Kreuzfahrtschiffe in Rostow
Schlecht ging es natürlich auch der ukrainischen Tourismusbranche. Das Projekt mit dem Kreufahrtschiff, welches von Odessa über Jalta, Sotschi nach Batumi und zurück fährt, war 2014 geplatzt. Einige Kreuzfahrtschiffe sind dann auch nicht Odessa angelaufen. Darüber habe ich aber keinen Überblick. Einer der Häfen von Odessa ist (teil-)privatisiert worden.
Aus der Ukraine wurden einige Kreuzfahrtschiffe an russische Unternehmer "abgegeben".
Apropos Ausverkauf (Mein Gesprächspartner aus Rostow erwähnte den Begriff im Zusammenhang mit dem Verkauf der Flusskreuzfahrtschiffe). Auf Twitter schnappte ich gerade auf, dass die politische Elite Kohleminen an die Türkei verkauft - die im Donbas, also die nicht mehr unter Kiewer Kontrolle stehen?! - Wird also demnächst die Türkei sich die Minen mit Gewalt holen? Natoland Türkei am Massenmord an russischstämmiger Bevölkerung beteiligt? Das könnte Krieg mit Russland bedeuten. Erdogan, der schon Krieg gegen die Kurden führt, sucht zusätzlich den Krieg mit Russland, und einige der Machtelite in Kiew auch, natürlich unter Hilfe der Nato...
Zu den letzten Fortschritten der Anfreundung der korrupten Kiewer Elite mit der ebenfalls weit von Demokratie entfernten türkischen Regierung:
https://deutsch.rt.com/europa/37256-annaherung-zwischen-kiew-und-ankara/#.VuXQVTkHyUU.twitter
Auch die Tourismusbranche ist vom Ausverkauf betroffen. Voriges Jahr hatte die Ukraine einen kleinen Not-Stand, auf dem es eigentlich nur etwas Material zu Kiew und Lemberg gegeben hatte. Die desaströse Politik der vom Westen, von neocons wie George Soros geförderten ukrainischen Milliardäre und Millionäre, der Krieg, das Morden gegen die eigene Bevölkerung führte zu starken Besucherrückgängen aus dem Ausland. Davon betroffen auch der Sektor der Flusskreuzfahrten.
Die russische Kreuzfahrtgesellschaft Orthodox kaufte von der Ukraine Schiffe auf. Eines ist die "General Tschernjachowski" (oder General Lawrinenko?). Die wird nach der Renovierung "Ekaterina die Große" heißen. Die gekauften Schiffe werden in Rostow umgebaut und erneuert.
Ein Freund von mir aus Sotschi, der selbst deutsche Gäste von Kreuzfahrtschiffen geführt hat, teilte mir vorgestern eine Neuigkeit nach der Messe mit, die zu dieser Info passt. Ab Mai 2017 soll ein Schiff zwischen Sotschi und Jalta regelmäßig hin und her fahren. Das ist eine Prognose. Es handelt sich um das Schiff "Indigo" welches von der Rostower Investmentgesellschaft Alfa aus dem Ausland gekauft worden war und jetzt in der Rostower Werft am Don überarbeitet wird. Das Schiff verfügt über 6 Decks. Es wird nicht erklärt, dass es aus der Ukraine ist, aber das liegt nun nahe. Ausgelegt ist das Schiff für 270 Passagiere und 70 Besatzungsmitglieder. Eigentlich sollte die Rekonstruktion mit Bankgeldern finanziert werden. Die reichten nicht und so finanziert die Gesellschaft den Umbau mit Eigenkapital. Die Reparaturarbeiten am Schiff, das den Namen "Prinzessin Elena" (3 Sterne) hatte und 1991 fertiggestellt worden war, haben schon vor 2 Jahren begonnen. Jetzt wird das Schiff zu einem Premiumdampfer mit 5 Sternen aufgestockt.
Das Schiff wird dann also unter der jetzt im Bau befindlichen Brücke hindurchfahren, die Putin anlässlich des 2. Jahrestages der Wiedervereinigung am 18.03.2016 (nach der ITB) besucht hat.
Fundstelle zur Überholung eines gekauften Kreuzfahrtschiffes, das jetzt in Rostow zum 5-Sterne-Schiff aufgewertet wird:
http://news.sevas.com/politics/kruiznyj_lajner_mezhdu_sevastopolem_yaltoj_i_sochi
2. Industriedenkmal Tschernobyl
Davon abgesehen, hörte ich von einem Touristiker aus Kiew, dass der zweite Sarkophag in Tschernobyl inzwischen fertig gestellt ist. Das überraschte mich. Deswegen suchte ich nach Meldungen über die Fertigstellung im Web, fand aber nichts, z.B. keinen Hinweis auf Wikipedia (deutsch). Über den Stand der Bauarbeiten kann man sich auf der speziellen Website hier informieren, ernsthaft aber nur mit sehr guten Russischkenntnissen:
http://chnpp.gov.ua/en/construction-online
... und in diesem Video von 2015, leider auf russisch (bzw. Ausschnitte in ukrainisch): http://chnpp.gov.ua/uk/component/content/article?id=2222
Ich fragte noch mal nach bei einer Kollegin im Osten. Sie verstand aus dem Filmbeitrag, dass man die Fertigstellung des 2. Sarkophags 2017 erreichen will.
Mein Kollege aus Kiew bestätigte das dann auch und sandte mir noch einen Link zu:
http://zn.ua/UKRAINE/na-chernobylskoy-aes-soedinili-dve-chasti-novogo-sarkofaga-dlya-proekta-ukrytie-184186_.html
In diesem Artikel wird erklärt, dass die Fertigstellung für 2017 vorgesehen ist. Jedenfalls sind zwei große Hüllenhälften zusammengefügt worden. Aber dicht ist der Sarkophag noch nicht. Damit der Sarkophag passt, hat man einen Schornstein abtragen müssen. Soviel für Fotojäger.
IV. Armenien - Bald wieder Direktflüge zwischen Deutschland und Armenien
1. Armenien hat (wieder einmal) eine neue Fluggesellschaft, jetzt mit dem Namen Armenian. Einer der Teilhaber, Gajaschwili, gab am Mittwoch, dem 10.03.2015 die Gründung der Airline in Jerewan bekannt. Die armenischen Reiseveranstalter, die in Berlin bei der ITB dabei waren, erfuhren darüber bei dem auch in diesem Jahr stattfindenden Empfang anlässlich der ITB in der armenischen Botschaft am Donnerstag, dem 11.03.2016. Ich erfuhr von meinen Kolleginnen aus Jerewan davon am Samstag auf der Messe.
Der erste Flug soll am 21.04.2016 stattfinden. Angeflogen werden sollen Moskau und andere russische Großstädte, Kiew, Minsk, Teheran, Dubai, Barcelona, Prag und weitere europäische Städte.
Ab wann die Billigfluggesellschaft Flüge nach Deutschland aufnimmt, ist noch nicht bekannt. Wir drücken die Daumen, dass sie die Prüfungen besteht und eine Lizenz bekommt.
2013 meldete die als offizielle armenische Fluggesellschaft gesehene Armavia Insolvenz an. Air Armenia versuchte dann diese Stellung zu übernehmen, aber hatte Ende 2014 Zahlungsprobleme. Die Airline sah sich in Russland gegenüber russischen Fluggesellschaften benachteiligt. Sie musste im Unterschied zu anderen Airlines Flugbenzin und Serviceleistungen im Voraus bezahlen, denn der Moskauer Flughafen befürchtete Verluste infolge Insolvenz. Russische Airlines waren 2014 insolvent gegangen. Im Dezember 2014 hat die Fluggesellschaft Air Armenia Flüge eingestellt.
Zur Geschichte der armenischen Luftfahrt siehe Vahe Sarukhanyan und Edik Baghdasaryan: https://www.reportingproject.net/theturbulentworldofarmenianairlines/
Teilhaber an der neuen Fluggesellschaft Armenian, die also als Billigfluggesellschaft aufgestellt wurde, sind mit 24 % Tamaz Gaiaschwili (Direktor der georgischen Fluggesellschaft Georgian Airways) und Robert Organisian mit 25 % (stellvertretender Direktor jetzt von Armenian). Bis zum Jahresende 2016 könnte die neue Fluggesellschaft bis zu 8 Flugzeuge im Besitz haben, wenn es gut läuft.
Nachweis zu dieser Info: http://armeniapedia.org/wiki/Armenia_(airline)
2. Air Berlin wird bald Jerewan anfliegen. Das erfuhr ich ebenfalls von meiner jerewaner Kollegin auf der ITB. Das wurde ebenfalls bei einem Empfang in der armenischen Botschaft am Donnerstag, dem 10.03.2016 für die armenischen Touristikfirmen, die an der ITB teilnahmen, bekanntgegeben.
Zu Steigerung der Touristenzahlen braucht Armenien Direktflüge aus und nach Westeuropa. Bisher muss man mindestens einen Zwischenstopp einlegen. Entweder über Moskau (Aeroflot), Kiew (Ukraine International Airlines) oder Wien (Austrian Airlines). Oder man fliegt Berlin - München - Moskau - Jerewan (Air Berlin / Siberian). Verhandlungen um die Aufnahme einer Direktstrecke aus Deutschland nach Jerewan waren schon vor einem Jahr aufgenommen worden.
Ich rief nach der ITB bei Air Berlin an. Beim Support, wo man telefonisch Fluganfragen entgegen nimmt und für Reisebüros bucht, fand die Mitarbeiterin aber keine Direktflüge, weder für den 01.05.2016 noch für August. Sie wusste nicht einmal den Dreilettercode für Jerewan. (Ich dachte, wer key account manager bei der Airline ist, müsste diejenigen für Hauptstädte gelernt haben. Er lautet EVN für Jerewan.)
3. Armenien bekommt eine zentrale Website für Tourismus, so wie Russland seit 2015 eine mit http://www.russiatourism.ru/ hat.
4. Am Mittwoch um 17.00 Uhr nahm ich an der Weinverkostung bei den Ständen der armenischen Veranstalter teil. Die Inhaberin einer großen Winzerei stellte ihre Weine vor und erklärte, wie man degustiert und erzählte ein wenig über die Anfangsphase des Unternehmensaufbaus (siehe oben Titelbild).
Diese Winzerei können Sie besuchen. Ost Impuls organisiert mit seinem Jerewaner Partner Reise auch mit Weinthemen. Auch die Teilnahme an der Weinlese im September ist möglich.
V. Berg Karabach mit eigenem Stand - Protest der aserbaidschanischen Messevertreter
1. Berg Karabach hatte in der Halle 2.1 einen eigenen (kleinen) Stand gegenüber einem Stand, den Reiseveranstalter verschiedener Länder sich zum Thema Seidenstraße geteilt hatten. Der Stand von Berg Karabach war aber nicht immer besetzt.
2. Am Samstagmittag (12.03.2016), also nach dem Ende der Fachbesuchermesse (Mittwoch bis Freitag), wurde es für einige Minuten auf einer Seite der Halle 2.1. laut (auf der Seite mit den USA wird man vielleicht nicht viel gehört haben). Am Morgen hatte mich schon der Stand von Aserbaidschan (zwischen Belarus und Aeroflot und USA) gewundert. Die weißen Thekenschränke waren in der Mitte zusammengeräumt worden, darauf die Hocker gestellt, wie beim Großreinemachen. An allen Ständern hatte man nur ein Flugblatt ausgelegt, Plakate mit den gleichen Text über die Wände, die zum Stand gehören, geklebt. Die aserbaidschanischen Teilnehmer standen zur Beratung der Messebesucher nicht zur Verfügung.
Um etwa 11.45 Uhr herum kamen Protestrufe aus der Mitte des Bereichs von Russland und (ehemaliger) GUS-Länder. Ob nun deswegen, weil der Stand nun personell besetzt wurde, oder ohnehin geplant mit Hilfe von aserbaidschanischen Besuchern der Messe, war von meiner Position an einem Ende der Halle am Stand von Belarus (gegenüber vom Stand von Aserbaidschan) nicht zu erkennen.
Es kamen dann einige Arbeitskräfte vom Facility-Management von draußen rein. Ich folgte ihnen. Sie lösten die unangemeldete Versammlung ohne für mich erkennbare Gewaltanwendung auf. Eine armenische Kollegin, mit der ich am Tage vorher hier in dem Bereich gesprochen hatte, hatte den Protest - wie viele andere Menschen, mit Smartphonekamera aufgezeichnet und ins Internet gestellt. Hier hört man, dass nicht auf deutsch protestiert wird sondern vermutlich auf aserbaidschanisch (oder armenisch?). Vermutlich wurde gerufen: "Berg Karabach gehört zu Aserbaidschan". Leute hatten die aserbaidschanische Flagge ausgebreitet, damit quasi den Stand verdeckt. Die armenische Kollegin gab dem Beitrag den Titel: "Politischer Zirkus mit faulen Leuten" (engl: idle = faul, unnütz, inaktiv). Da viele der Anwesenden mit Smartphone filmten, dürfte das vermutlich den Weg in das aserbaidschanische Fernsehprogramm gefunden haben, schätze ich.
Kollegen vom Belarus-Stand meinten, man solle die ITB nicht für politische Debatten benutzen.
Man muss sich das mal vorstellen: Es könnte dann auch an vielen anderen Ständen Proteste geben, z.B. Serben, die am Stand vom Kosovo rufen: "Kosovo ist Serbien".
siehe entsprechenden Deutschlandfunk-Beitrag vom 15.03.2016 um 19.15 (am Ende):
http://www.deutschlandfunk.de/wir-sind-profis-fur-versohnung-und-verstandigung.media.c359c4b5b6c8238eecc911ae25582ecb.pdf
Russen, die bei den Amerikanern protestieren für die Einmischung beim Thema Krim und Anstachelung des Krieges in der Ostukraine (Nuland verteilt Cookies und Brötchen an Sicherheitskräfte in Kiew, um sie zum Dulden der Gewalt durch Berkut-Leute zu bewegen), das Schüren von Konflikten in Ländern in der Nachbarschaft zu Russland. Libanesen, die in Berlin wohnen, protestieren an Ständen von Israel gegen deren rechtswidrige Landnahmen ...
Der Protest ging von der aserbaidschanischen Botschaft aus. Der Text der Plakate am Stand von Aserbaidschan war ein Ausschnitt aus einem Protestschreiben der Botschaft, von welchem nur wenige Exemplare am Stand von Aserbaidschan ausgelegen hatten und von denen ich eines nahm.
Auf dem Briefpapier der Botschaft steht:
"Berlin, 11.03.2016
Zu der Teilnahme des Stands mit der Bezeichnung "Karabakh" auf der ITB Berlin vom 9.-13.03.2016 erklärt die Botschaft der Republik Aserbaidschan in Deutschland:
Aserbaidschan nahm auch in diesem Jahr auf der Tourismus-Messe ITB Berlin teil. Wir mussten während dieser Veranstaltung jedoch feststellen, dass in einem Stand mit der Bezeichnung "Karabach" für das im umkämpften aserbaidschanischen Medien wird über die "erfolgreiche Teilnahme" der sogenannten "Republik Berg-Karabach" an der ITB Berlin berichtet. Die genannte Scheinrepublik ist in der Tat ein völkerrechtswidriges Regime in den okkupierten aserbaidschanischen Gebiet. Diesen Standpunkt vertreten sowohl die Vereinten Nationen als auch die Regierung der Bundesrepublik Deutschland.
Da ist erneut eine armenische Provokation gegen Aserbaidschan. Selbst eine friedliche Tourismus-Messe wird zwecks der Agitation zugunsten der völkerrechtswidrigen Okkupationspolitik Armeniens missbraucht: Diesmal ist ein Aussteller auf der ITB Berlin mit dem Namen "Armenia and Caucasus Tourism Development Agency" ist beauftragt worden, Propagandamaterialien mit falschen Behauptungen über die aserbaidschanische Region Berg-Karabach zu verbreiten.
Derartige gegen die territoriale Integrität und Souveränität der Republik Aserbaidschan gerichtete Aktion wurde auf der ITB Berlin bereits 2009 praktiziert. Seither hat sich die ITB-Verwaltung bemüht, derartige Provokation auf der ITB nicht mehr zuzulassen, und dies auch bisher durchgehend geschafft, was in diesem Jahren Aserbaidschans erfolgreiche Teilnahe an der ITB ermöglichte - bis auf die diesjährige Messe.
Die Handlungsweise des genannten Standes auf der ITB Berlin 2016, welche nicht nur die Normen und Prinzipien des Völkerrechts verletzt, sondern auch im Widerspruch zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Messen und Ausstellungen der Messe Berlin GmbH (Paragraph 12.2), den Teilnahmebedingungen für ITB Berlin (Paragraph 7) und dem von der Welttourismusorganisation der Vereinten Nationen festgeschriebenen Verhaltenskodex steht, stellt für Aserbaidschan einen unerträglichen Sachverhalt dar.
Ungeachtet der Anerkennung von eigener Verpflichtung durch die ITB-Verwaltung, die propagandistischen Plakate und Materialien in diesem Zusammenhang entfernen zu lassen, setzt der genannte Stand seine Tätigkeit ungehindert weiterhin fort. Leider sind auch keine effektiven Maßnahmen seitens der ITB-Verwaltung zu erkennen, um diese Tätigkeit zu unterbinden. Unter diesen Bedingungen kann Aserbaidschan seine Teilnahme auf der ITB Berlin nicht länger aufrechterhalten und schließt seinen Stand in der Ausstellung.
Wir bedauern diesen Zustand, der für uns angesichts der bisherigen guten Zusammenarbeit mit ITB Berlin besonders unangenehm ist. Wir können aber unsere Teilnahme an der Ausstellung, wo die Souveränität und territoriale Integrität Aserbaidschans grob missachtet wird, nicht weiter fortsetzen. Umso bedauerlicher finden wir, dass dieser Vorfall in Deutschland, das die friedliche Lösung der Konflikte im OSZE-Raum zu einer Priorität seines OSZE-Vorsitzes 2016 erklärt hat, stattfindet."
Und etwas abgesetzt und kursiv (Dieser Teil wurde am Stand überall verteilt, ohne Briefpapier, ohne Urheberhinweis, ausgelegt):
"Hintergrundinformation: Zwischen den Ländern Aserbaidschan und Armenien herrscht ein Konflikt um die aserbaidschanische Region Berg-Karabach. Berg-Karabach und sieben umliegende Gebiete, insgesamt ein Fünftel des Staatsterritoriums von Aserbaidschan, wurden vor mehr als 20 Jahren von dem Nachbarland Armenien militärisch besetzt und einer ethnischen Säuberung gezogen, indem ihre gesamte aserbaidschanische Einwohnerschaft vertrieben worden ist. Diese Tatsache ist in vielen internationalen Dokumenten, unter anderen in vier UN-Sicherheitsresolutionen 1993, in der Resolution des Deutschen Bundestages 2009 und des Europäischen Parlaments 2013 bekräftigt worden. Der Apell in all diesen Dokumenten, die völkerrechtswidrige Okkupation der aserbaidschanischen Gebiete zu beenden und den Hunderttausenden aserbaidschanischen Flüchtlingen und Binnenvertriebenen Heimkehr zu ermöglichen, wird von Armenien bis heute missachtet."
Nach der ITB beim Schreiben dieses Beitrags sehe ich auf der Website der aserbaidschanischen Botschaft in Berlin einen Beitrag vom 11.03.2016 über dieses Ereignis, lediglich in aserbaidschanisch (Abruf am 16.03.2016).
url: http://berlin.mfa.gov.az/news/4/3072
Ich glaube, die Besucher am Samstag und Sonntag sind hier überfordert mit der Bewertung des Protests, da ihnen die Geschichtskenntnisse und Landeskenntnisse fehlen, da es an wissenschaftlich korrekten Quellenangaben in dem Protestschreiben fehlt, der Leser also, wenn er die Wahrheit sucht, genötigt ist selbst zu recherchieren, also die Gründe der Rechtfertigung für diese Aktion erst suchen soll. Dazu gibt es auf der Website der aserbaidschanischen Botschaft umfangreichere Informationen (teilweise nur in englisch), die aber vermutlich nur wenige Touristen suchen und lesen werden.
Ich selbst fühle mich über den Konflikt nicht ausreichend informiert.
[07.04.2016, Ergänzung: Unseren Massenmedien kann man nicht trauen, sie berichten in einer Weise, die zeigt besser (aus alternativen Quellen) Informierten, dass Landeskenntnisse, Geschichtskenntnisse und Rechtskenntnisse bei den Journalisten und Redakteuren fehlen, oft mutwillig einseitig, also desinformierend. Hier ein Beispiel zu Berg-Karabach, ein Beitrag der Tagesschau im ARD am 03.04.2016, dessen Verfasser nicht genannt wird. Gegen diesen Beitrag "Pulverfass im Südkaukasus" protestiert in einem offenen Brief von Arpine Maniero vom 04.04.2016 auf der Website der Arbeitsgruppe Anerkennung e.V. (= Anerkennung des Genozids der Türken an den Armenienern): Proteste gegen verzerrende Medienberichterstattung über Berg-Karabach.
http://www.aga-online.org/news/detail.php?locale=de&newsId=621 ]
Jedenfalls ist Baku für den 17. bis 19. Juni als Gastgeber der Formel 1 vorgesehen. Vom 1. bis 14. September 2016 findet in Baku die Schach-Olympiade statt. Wenn zufällig die Paarung Aserbaidschan - Armenien angesetzt ist, werden dann auch die Stühle auf die Tische gestellt und auf den sportlichen Kampf um die Punkte verzichtet? In der FIDE-Länder-Weltrangliste belegen Armenien und Aserbaidschan die Plätze 7 und 8.
[Nachtrag, 23.09.2016: Titelverteidiger Armenien hat auf die Teilnahme an der Schacholympiade verzichtet. Neuer Olympiasieger wurden die USA.]
Ich weiß nicht, ob die Teilnehmer aus Aserbaidschan sich damit ingesamt einen Gefallen getan haben, auf der ITB auf diese Weise zu protestieren. Bei den Besuchern entstand wohl kaum Schaden, bei Interessenten vermutlich nur Bedauern. Ich kann gefühlsmäßig nachvollziehen, dass die aserbaidschanischen Vertreter nicht anders konnten bzw. dass die Regierung in Baku es auch so von Ihnen (und von der Botschaft) erwartete. (Möglicherweise hat die ITB-Gesellschaft gegen ihren eigenen Vertrag verstoßen, indem sie es zuließ, dass Karabach einen Stand mietete. Ich prüfe das nicht nach.
Rechtlich pikant ist, dass der Aussteller-Vertrag der ITB-Gesellschaft eine Vertragsstrafe für Aussteller vorsieht, die ihren Stand vor Sonntag 18.00 Uhr zum Nachteil der zahlenden Reisefreudigen schließen und verlassen. Dazu siehe unten sub XI.)
Der Vorgang bestätigt meine persönliche Trend-These, dass das Reisen ins Ausland für Reisende (gefühlt) politischer wird.
Diese These kann ich aber nicht wissenschaftlich oder statistisch nachweisen. Zum Thema Reiseboykott aus politischen Gründen habe ich ja schon anlässlich einiger Boykottaufrufe gegen Belarus anlässlich der Eishockey-WM in Minsk schon Gedanken geäußert. Belarus hatte also schon seine Erfahrungen gemacht. Zufällig stand ich bei belarussischen Kollegen, als der Protest begann.
[02.04.2016 Ergänzung: Heute wird von einem heftigen militärischen Konflikt in Berg-Karabach berichtet, der in der Nacht zu heute (02.04.16) in zahlreichen Opfern auf beiden Seiten resultierte. Armeniens Präsident Sargsjan teilte mit, das 18 armenische Soldaten starben. Das Verteidigungsministerium von Berg-Karabach berichtet von 40 bis 50 toten Aserbaidschanern. Aserbaidschan verlor einen Militärhubschrauber und einen Panzer. Schwere Artillerie und Luftstreitkräfte kamen zum Einsatz. Deutsche Massenmedien geben hier nur wieder, was aus Baku von Präsident Allijew gemeldet wird: 12 tote Aserbaidschaner.
Ich frage mich, ob der Eklat hier auf der ITB (mit) ein Anlass für dieses Aufflammen des Krieges war. (Mir fehlt die Zeit in den armenischen und aserbaidschanischen Nachrichtenmedien danach zu suchen.) Oder war es der Besuch von US-Außenmmister John Kerry zusammen mit Joe Biden (nach ihrem Besuch in Kiew bei Poroschenko)? Die kamen am 30.03.2016 nach Baku zu Präsident Alliew zu Besuch. Gut vorstellbar, dass die Amerikaner hier aufgewiegelt haben, um Russland entsprechend ihrer Konfrontationspolitik in neue Kosten zu stürzen.]
VI. Kann man von einem Trend reden, wonach privates Reisen für Bürger politischer geworden ist?
Spinnen wir das mal weiter:
Die Botschaft erklärt in ihrem Protest, dass Berg-Karabach von westlichen Ländern nicht anerkannt wurde.
Der Westen mag Berg-Karabach nicht anerkannt haben. Was sagt das aus? Der Westen ist keine Gesellschaft, auf die man sich in Sachen Gerechtigkeit berufen könnte. Die Elite der westlichen Gesellschaft verletzt permanent selbst Völkerrecht. Die erste Welt verursacht erst zahlreiche Kriege dieser Welt durch Export von Konflikten. Die westliche Welt wurde reich durch die Ausbeutung von Kolonien und Menschen als Sklaven.
Heute Gauck in China und Obama auf Kuba, fordern Einhaltung von Menschenrechten. Der Begriff wird sehr widersprüchlich und nebulös interpretiert. Siehe dazu meinen Leitartikel zur Ukraine-Krise. Ende 2015 erschien ein Buch, vom Soziologen Rainer Roth, in dem er nachweist, dass Menschenrechte nur gedacht sind für einen Teil der Menschheit, dass sie auf einer Sklavenhaltergesellschaft heraus entstanden zur Verteidigung des zu Unrecht Erlangten (wie u.a. Sklaven als Eigentum, die selbst keinen Anspruch auf Menschenrecht hatten).
Ist es denn gerecht, Bedauern über den Verlust des Hauses, des Hab und Gutes, des Lebensraumes nur gegenüber den Aserbaidschanern zu zeigen? Armenien war früher mehrmals so groß wie heute. Den Armeniern gehörte das Land, das Berg-Karabach heißt, gehörten große Teile der heutigen östlichen Türkei. Man möge sich damit beschäftigen, wie sie das Land verloren, um sich eine Meinung zu bilden, ob es zu Aserbaidschan gehört.
Man kann seine Energie aufreiben im Streit darum, ob die Veränderung der Grenzen im einen Fall legitim war und im anderen nicht. Es ist schwer, die Welt rückabzuwickeln. Wie weit soll man mit der Rückabwicklung auch zeitlich gehen? Die Türkei wird keine Gebiete an Armenien abtreten und Polen keine Gebiete an Deutschland. Und die Mongolei wird keinen Schadensersatz an die Ukraine leisten für den Überfall der goldenen Horde auf Gebiete der heutigen Ukraine, als es Ukrainer noch gab (Im Februar oder März 2016 wurden solche Forderungen aus der Ukraine laut.). Alle Grenzen sind durch Machtkämpfe und Waffenstillstände entstanden. Wenn sich die Stärkeverhältnisse ändern, muss die schwächere Seite damit rechnen, Land zu verlieren. Beispiel Libanon. Israel nimmt sich immer mehr Territorium von Libanon. Und das wirtschaftlich stärkere (als Armenien) Aserbaidschan hat in den letzten Jahren stark aufgerüstet.
Outgoing-Touristik-Unternehmen mit Focus auf nur ein Land oder wenige Länder haben ein höheres Risiko gegen ein plötzliches Ausfallen der Besucher. Man diversifiziert. Incoming-Touristiker können sich über Misstände im Lande nicht Ausländern gegenüber kritisch äußern, weil sie riskieren, dass Ihnen ihr Geschäft zerstört wird. Manche Incoming-Agenturen mussten/müssen auch Geheimdienstler als Mitarbeiter erdulden. Und Botschaften dienen für Geheimdiensttätigkeiten und der Destabilisierung von Ländern. Ich schrieb in diesem Blog darüber schon.
Risikobewertung für Reisen ist nicht bloß eine Sache für Business Travel, sondern auch für Individualreisende. Auch die Versorgung mit Informationen zur Risikobewertung rechtfertigt einen höheren Preis der Reiseleistungen gegenüber Pauschalreisen.
Und in einer Zeit, wo die Massenmedien ihren Kredit verspielen, sind die Endkunden verunsichert. Was sollen Sie glauben, worauf ihre Reiseentscheidung treffen. Das ist eine Teilerklärung für die Zurückhaltung bei den Buchungen Anfang dieses Jahres 2016. Die Massen reisen gern ans Mittelmeer. Dort haben die Konfliktzonen, hat das Elend zugenommen.
Provokante These zur Anregung einer Diskussion:
Massenmedien und Pauschalreisen sind billig, für die Masse produziert.
Pauschalreisen für Konsumenten von Massenmedien, Individualreisen für Leser alternativer/unabhängiger Medien.
Individualreisende wenden für ihre Reiseplanung mehr Zeit auf als Pauschalreisende.
Die gefühlt gestiegene Terrorgefahren in mehr und mehr Ländern, nämlich jetzt in den Ländern der EU durch den unkontrollierten Import von Terror, könnten tendenziell dazu führen/geführt haben, dass sich Bürger aus Sorge mehr Zeit für die Entscheidung über ihr Reiseziel nehmen werden. Tendenziell könnte das auch dazu beitragen, dass kurzfristiger über die großen Ferien- und Urlaubsreisen entschieden wird. Also sammeln die Bürger zur Planung ihres Auslandsurlaubs jetzt mehr Informationen über mehrere Länder und Regionen? Die Türkei glaubt ja noch, bis April 2016 bei den Buchungen von Ausländern den Rückstand aufholen zu können. In Anbetracht der letzten Attentate auch jetzt im März habe ich da Zweifel. Siehe auch unten sub VIII.
VII. Russische Veranstalter melden positive Buchungszahlen
Russische Kollegen äußerten sich zufrieden über die Buchungen für dieses Jahr, insbesondere für St. Petersburg. Viele Russen, die eigentlich lieber ins Ausland reisen würden, verbringen den Urlaub im Heimatland. Zum Ersten ist der Rubel schwach, so dass man dafür weniger bekommt als in früheren Jahren. Dann haben die Russen auch mitbekommen, wie im Westen gegen sie gehetzt wird. Diese Atmosphäre des Nichtwillkommenseins wird Merkels Politik zugeschrieben. Auf der Grünen Woche fehlte Russland komplett in diesem Jahr 2016, sonst einer der größten Aussteller, in eben der Halle 2.1., siehe meinen Bericht von der Grünen Woche 2015.
Die bei den Russen reisezahlenmäßig beliebtesten Reiseländer Ägypten und Türkei sind dieses Jahr Tabu. Vietnam ist im Kommen, aber in Thailand sind auch einige Russen früher hängen geblieben, deren Reiseveranstalter insolvent gingen. Damit waren böse Erfahrungen verbunden.
Die Situation bei den Hotels ist inzwischen ja auch besser geworden in Moskau und St. Petersburg. Zu den Zuständen 2003 bis 2008 siehe diesen alten Artikel von mir: https://www.ost-impuls.de/archives/93-Hotellandschaft-in-Russland.html Jetzt fördert Russland den Inlandstourismus stärker. - Für Deutsche ist Türkei jetzt eine Chance, die östliche Mittelmeerküste an Orgen des Massentourismus ohne Russen zu genießen.
Nun, Deutsche: Da kann ich mir auf der anderen Seite auch vorstellen: Einige Wähler, die eigentlich schon 2014 nach Russland reisen wollten, sind wegen der Ukraine-Krise, die die EU zu einer Russland-Krise werden ließ, nicht gereist, schoben es sich für 2015 auf. 2015 ging die Anti-Putin-Propaganda heftig weiter und wieder wurde die Reise aufgeschoben. Unter Mainstream-Medien-Konsumenten ist es häufig nicht opportun gewesen, eine Reise in das einzige Land in Europa zu machen, das kein EU-Beitrittskandidat ist und seine Nachbarn sich einverleibt.
Nochmal ist Russland dieses Jahr so günstig wie lange nicht. Jetzt hat Russland außenpolitisch gepunktet und die Massenmedien haben es schwerer, die Erfolge in Iran und Syrien der deutschen Regierung zuzusprechen und Putin abzusprechen. Inzwischen sind doch einige deutsche Reisewillige vom Glauben abgefallen und die Türkei ist jetzt der Buhmann. Und nun wird es Zeit, doch mal endlich Russland zu besuchen. - Das ist meine Mutmaßung oder These.
Ich versuche jedenfalls dazu in meinem Blog Ost im Puls und über meinen Twitter-Stream beizutragen, dass sich Reisefreunde über Russlands Rolle in der Welt als Gleichgewicht zur Hegemonialmacht USA informieren können.
Es kommen immer mehr Chinesen nach Russland. Die gleichen fehlende Besucher aus Westeuropa aus. Aber in diesem Jahr gibt es große Nachfrage für Gruppenreisen aus arabischen Ländern: aus Iran vor allem,
Und stellen Sie sich vor: Am Messe-Donnerstagabend (10.03.16) beim Dinner mit Flixbus (siehe unten sub X.) saß neben mir am Runden Tisch im Hotel Ramada ein Reisebüroinhaber aus Jordanien (jetzt in Kreuzberg) und neben ihm sein neuer Mitarbeiter - aus Syrien (dort schon im Reisebüro gearbeitet). Und er sagte mir, dass er mehrfach Anfragen von seinem vorrangig arabischen Klientel bekommen hat - für Russland! Ich solle mal bei ihm zum Kaffee vorbeikommen ...
VIII. Gewinner und Verlierer
Die Türkei behauptete auf der ITB, zu glauben, dass die Verluste in den Monaten Januar und Februar 2016 noch bis in den April aufgeholt werden dürften. Das las ich in einem der täglich erscheinenden Messemagazine, in dem vom ersten Messetag. Wie denn das? Da bin ich skeptisch, weil ...
... die Russen dieses Jahr nicht kommen werden (wir sprechen von Millionen) und nicht damit zu rechnen ist, dass aus westlichen europäischen Ländern die Touristenzahlen wachsen werden. Hier in der EU sieht man, wie Erdogan mit dem Potential von Menschen aus Syrien, die ihr Zuhause verloren haben, pokert und erpresst, wie seine Familie Geschäfte mit IS macht, mit in Syrien und Irak geklautem Öl und Waffenlieferungen an DAESH, wie er Journalisten kalt stellt. - Und dann die Attentate, die, wo von Kurden begangen, Racheakte für den Genozid am kurdischen Volk sind, für den Erdogan nicht von der EU sanktioniert wird. Auch wenn Sanktionen der EU ausbleiben, so gibt es doch Menschen hier, die nicht nur mit Rücksicht auf ihre Sicherheit, sondern auch aus ethischen Gründen Abstand von Reisen in die Türkei nehmen. Da ist nicht mal das Argument stark genug, dass sie dieses Jahr in den Reisehochburgen der Türkei nicht von laut und rücksichtslos feiernden Russen gestört werden würden.
[03.04.2016: Ergänzung: Der türkische Tourismusminister Mahir Unal soll laut fvw daily vom 09.03.2016, S. 6 sogar den Finger auf die deutschen Reiseveranstalter gerichtet haben, die sollen Schuld am Rückgang deutscher Reisebucher haben. Er behauptete, sie wollen Türkei noch weiter unter Druck setzen, damit die Preise der Ferienanlagen und Hotels, Flüge (?) noch weiter nach unten gehen. Der Chef für Verwaltung des Konzerns DER für Zentraleuropa Rene Herzog wies dies als Unsinn zurück. Die Gründe liegen in der Politik in Ankara.]
Und prompt die nächste Katastrophe: Sonntagabend, 13.03.2016, gerade von der ITB zurückgekehrt, Meldungen von erneutem Anschlag in Istanbul, dem 3. in 5 Monaten, mit mindestens 37 Getöteten. Mehr als 200 Tote in den letzten 7,5 Monaten bei Anschlägen. Und am Freitag gleich das nächste Attentat, dieses Mal wohl von DAESH. - Türkei mit Erdogan also auf der Verliererstraße.
[Nachtrag 02.04.2016: Und vom TV-Sender extra 3 bekam jetzt Erdogan seinen Senf weg. Das Lied Erdowie Erdowo Erdowahn macht im deutschen Netz die Runde und der wütende türkische Präsident bestellt den Botschafter ein, über den er sich kurz vorher aufgeregt hat, weil er dem Gerichtsprozess gegen Journalisten beiwohnte, die Erdogan persönlich vors Gericht brachte. Er hat den Streisand-Effekt nicht gekannt. Ein wütendes Land ist kein gutes Reiseland.
Übrigens: Nach der Reisewarnung von Ministerpräsident Medwedjew im November 2015 für die Türkei: wohin weichen die Russen aus, die sich Thailand und Vietnam nicht leisten können? - Nach Bulgarien und Griechenland.]
Weitere Verlierer: Syrien, Ukraine, Jordanien, Tunesien, Griechenland. - Wobei Griechenland: teils teils: Einige Inseln starker Rückgang, andere aber Zunahme von Touristenzahlen. Steht natürlich im Zusammenhang damit, wo die Flüchtlngsboote ankommen und wo die Auffanglager sind. Stark getroffen von Touristenschwund sind die Inseln Lesbos, Kos (20 % weniger als im Vorjahr, laut Andreas Andrenadis, Präsident der griechischen Reisehandelsorganisation SETE)) und Samos. Aber die Sommersaison steht noch bevor Dafür gebucht wird aber schon im Winter. Für Kreta und Corfu und das Festland sieht es bei TUI Deutschland gut aus - Zuwächse bei den Buchungen, für ganz Griechenland 12 % gegenüber Anfang 2015. Manche wollen nun doch nicht ihren dritten oder vierten Warmwasserurlaub in Spanien verbringen. Auch der zweite Reiseriese Thomas Cook meldet, keine Rücktritte von Reisen nach Griechenland. (laut fvw daily ITB-Zeitung, S. 6, englischer Teil).
Gewinner: Spanien (wie schon in 2014), Iran, aber auch Russland, siehe oben.
Spanien gewinnt Touristen, die sonst eigentlich nach Ägypten und in die Türkei geflogen wären.
Der Iran gewinnt Touristen, weil von ihm Sanktionen genommen worden sind und es damit auch mehr Publicity erhielt und nicht mehr so in den Medien angefeindet wird. Aber auch, weil Touristen, die Interesse am Orient haben, aus Sicherheitsbedenken umschwenken. Außerdem wird es verstärkt Geschäftsreisende geben. Und vielleicht kommt die Diaspora ins Heimatland, um am Wirtschaftsaufbau mitzumachen.
[02.04.2016: Ergänzung: Die erste Ausgabe des Touristik-Fachmagazins FVW nach der ITB (vom 18.03.2016) hat Gewinner und Verlierer als eines der Schwerpunktthemen und nennt auf der Gewinnerseite (auch) noch: Skandinavien. Steht für Stabilität und Sicherheit. Anders als in Frankreich und Belgien wurden keine Anschläge berichtet. Doch darf hier nicht verschwiegen werden, dass Schweden unter der Masse jünger Männer aus dem Süden ächzts, vor allem schwedische Frauen fühlen sich nicht mehr sicher. Es gab Polizisten, die ihnen rieten, nachts nicht mehr allein rauszugehen. Vorfälle wie in Köln in der Silvesternacht gab es zahlreiche auch in schwedischen Städten, wie in Deutschland durfte die Polizei darüber nicht berichten, weil solche Transparenz als Ausländerfeindlichkeit gewertet wird.
Urlaub am dänischen Ostseestrand mit einem Ferienhaus hat im Vergleich zu Antalya auch seine Vorzüge. Und Inselhopping konnte man nicht nur in der Adria vor dem kroatischen Festland machen, das geht auch gut in der Ostee, ob Finnland, Schweden oder Estland.
Auch das Baltikum kann sich über positive Entwicklung der Touristenzahlen freuen. 2015 gab es in Lettland erstmals mehr deutsche Urlauber als russische Urlauber. Und auch in Litauen liegen die Deutschen 2015 an erster Stelle der Ausländer. Die Kurische Nehrung und Klaipeda sind angesagt. Beliebt sind Roundtouren durch alle drei baltischen Länder. Und so gibt es für 2016 einige neue Flugverbindungen ins Baltikum.
Auch für Tschechien sieht es gut aus. Laut fvw daily vom 09.03.2016 verzeichnete der Nachbar mit 1,8 Millionen Deutschen voriges Jahr einen Zuwachs von 15 Prozent. Rekordzuwachs.]
Es gibt noch einige Länder, in denen der Tourismus aus deutscher Sicht boomt, z.B. Kuba. Selbst der US-Präsdient besuchte das Land und verkündete dabei, die lange abgeschnittenen Bürger ans Internet (und damit an amerikanische Propaganda) anzuschließen. Und außerdem lassen sich mit Internet mehr amerikanische Touristen auf die Insel locken - denke ich mal. Mit amerikanischer Erlaubnis war der deutsche Außenmister Steinmeier im Juli 2015 auf Kuba, um die Beachtung der Menschenrechte einzufordern, was er aber später in Saudi Arabien den Massenmedien nach nicht getan hat. Die Saudis sind ein wichtigerer Handelspartner. Die USA hat Deutschland ja kaum Handel mit Kuba erlaubt. Ich hoffe nur für die Vielfalt, dass sich die Castros nicht zu sehr reinreden lasssen. Wohin die Umarmungen Obamas führen, kennen wir ja schon. Und Raul Castro offenbar auch.
[05.04.2016: Ergänzung: Die USA behindern mit ihrem Embargo auch heute noch die Wirtschaft, eben auch den Tourismus, wie dieses Beispiel aus Deutschland anschaulich macht: USA sperren 15.000 EUR von deutscher Jugendgruppe für Reise nach Kuba, RT am 29.03.2016:
https://deutsch.rt.com/inland/37515-embargo-noch-in-kraft-usa/ ]
IX. Die von mir besuchten Gesprächsrunden und Präsentationen
Dieses Mal blieb für Teilnahme am Kongressprogramm im Convention-Bereich nur wenig Zeit. Besucht habe ich:
1. Die aufgewühlte OTA-Welt: Wie verändern die Distributionsgiganten die Hotellerie und wie verändert sich der Wettbewerb der OTAs untereinander?
(Navigating the evolving evolution distribution landscape: an ever changing industry with ever changing players), mit Beteiligung von Managern Terry Scriven von Google, Leiterin Bereich Hospitality, und Peter Verhoeven, Booking.com, leitender Direktor EMEA. Halle 7.1.b, Auditorium "London", Donnerstag, 14.45 Uhr
Dieses Thema passte gut zu dem Vortrag von Tao Tao von GetYourGuide am Dienstag auf dem Zanox Expert Day Travel.
Beschreibung des Convention-Programm-Heftes hierzu:
Die Suchmaschine Google wandelt sich zur Buchungsmaschine und avanciert zum Konkurrenten ihrer eigenen Kunden - z.B. von Booking.com. Ist die Hotellerie dem Spiel dieser Giganten nur noch ausgeliefert? Die führenden OTAs stellen sich prickelnden Fragen.
Dazu siehe schon mein Bericht von der ITB 2012 vom 14.03.2012: Kampf der Hotelportale - jetzt kommt Google Finder.
2. Ergebnisse der Studie "Kulturtourismus 2015",
Halle 16, Culture Lounge, Donnerstag, 16.00 Uhr
Der Kulturtourismus ist einer der treibenden Kräfte der gesamten Tourismusbranche. Er prägt und befeuert sowohl den boomenden Städtetourismus wie auch das Reisen im ländlichen Raum. Trotz gravierender Veränderungen, Werteverschiebungen und Anpassungsprozesse unter den Kulturreisenden wie auch den Kulturschaffenden ist er seit geraumer Zeit nicht mehr systematisch untersucht worden...
(http://www.kulturtourismusstudie.de/studie/auf-einen-blick)
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